„Reitschusters Risse“ Reitschuster und Augstein – Hoffnung für unseren verödeten Diskurs?

Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen

Reitschusters Frage nach den Rissen in der Corona-Politik der Bundesregierung haben, nach einer kürzlich gelaufenen Bundespressekonferenz mit der Kanzlerin, einige Wellen geschlagen. Nachdem sich Merkel mit der Antwort an den offensiven Journalisten, ob es bei ihm noch etwas Zusammenhängendes gäbe, eigentlich selbst entlarvte. Denn auf dem Prüfstand stand die Corona-Politik der Bundesregierung, die anerkanntermaßen doch eher aus Rissen als aus Zusammenhängen bestand.

Wer das nicht bestätigen kann, war in den letzten achtzehn Monaten wohl woanders.

Die meisten Journalisten haben darauf mit Schenkelklopfen reagiert, weil sie nicht verstanden haben, dass die Kanzlerin, mit ihrer kleinen Finte, unbedacht die eigene Bundesregierung beschrieben hat. Bund-Länder-Chaos und ein geschändetes Grundgesetz inbegriffen.

Die Frage war also intelligent und die beklatschte Antwort war dumm. Nur, dass sie eben erfolgreich war, weil sie für die konformistischen Zuhörer ein Außenseiter-Klischee bedient hat, mit dem sie sich beruhigen konnten.

Außenseiter haben aber die Sicht von außen und sehen daher mehr, wie Reitschuster immer wieder zeigt.

Die Frage, ob Außenseiter in unserem eingefahrenen Medienbetrieb, den Noam Chomsky wohl als „Konsensfabrik“ bezeichnen würde, eine Chance haben, hat Boris Reitschuster mit seiner erfolgreichen Seite schon beantwortet.

Die viel interessantere Frage ist aber die, ob sich die Klügeren in den Medien von der Masse absetzen können und dabei als Spitzengruppe, wie bei einem Radrennen, auch wahrgenommen werden.

Diese Frage ist noch unbeantwortet, sowohl im linken als auch im rechten politischen Spektrum. Derzeit scheinen die Dummen zu dominieren. Für mich eine mutmaßliche Folge der Digitalisierung und der Social Media.

Zurück zum Vorgang, der bemerkenswert ist und von Boris Reitschuster schon aufgegriffen wurde.

Obligatorischen Schmähungen

Melanie Amann, die zur Chefredaktion des Spiegels gehört, springt in ihrer Lagebeurteilung, nach einigen obligatorischen Schmähungen, Boris Reitschuster bei.

Dummerweise stellte der Kollege nach Reitschuster eine geradezu liebedienerische Frage, nämlich ob Merkel sich eigentlich immer gefreut hätte auf ihre Auftritte in der Bundespressekonferenz. Ich gebe zu, ich habe auch über Merkels Spruch gelacht. Aber Reitschuster lacht zuletzt, und vielleicht auch am längsten.“

Im Zusammenhang gelesen ist das wirklich bemerkenswert. Denn es heißt nichts anderes, als dass die Kritik an der regierungsnahen, oder sagen wir regierungsfreundlichen, Berichterstattung im Spiegel angekommen ist.

Der Spiegel ist hier insofern interessant, weil er einen gewissen Exodus an unabhängigen Kommentatoren hinter sich hat. Dazu gehören Jan Fleischhauer, der jetzt seine Kolumne im Focus schreibt und Jakob Augstein, der seine eigene Kolumne nach erheblicher Kritik am Spiegel aufgegeben hat.

„Augstein kritisiert eine Verengung des Meinungsspektrums, die sich u. a. darin äußere, dass der Spiegel nach dem Abgang des konservativen Kolumnisten Jan Fleischhauer nur noch mehr oder weniger linke Online-Kolumnen anbiete.“ (Wikipedia)

Über Jakob Augstein möchte ich Folgendes sagen. Er ist in meinen Augen ein Linker, allerdings mit Verstand, was nicht oft vorkommt. Ich habe zwei Jahre in der Online-Community seiner Wochenzeitung „Der Freitag“ mitgeschrieben und erfahren, woher der Wind weht.

Hauptsächlich werden solche Seiten von fanatischen Linken aller Couleur, von Radikalfeministinnen über Alt-Stalinisten und Anti-Deutschen gekapert und dann als eigenes Revier erobert und verteidigt.

Die Redaktion hat da verhältnismäßig wenige Möglichkeiten gegenzusteuern, wenn sie Kommentare nicht großflächig zensieren will.

Brandenburger Wiesen

Es ist ein bisschen so, wie bei den Brandenburger Wiesen. Man kann säen, was man will, es kommt immer dasselbe Unkraut, weil die Böden komplett ausgelaugt und verdorben sind. Aber das ist ein anderes Thema.

Ich habe Augsteins Redaktion, mit der er eng verbunden ist, in guter Erinnerung behalten, die linke Szene dort aber als katastrophal erlebt.

Das Konzept des „Meinungsjournalismus“, das Augstein vertritt, geht, aus meiner Sicht, in Ordnung, weil es klar als Meinungsjournalismus gekennzeichnet ist. Die Freiheit, die sich Jakob Augstein nimmt, auch nach links zu kritisieren, schlägt dort aber nicht durch.

Zurück zu Boris Reitschuster, der vermutlich schon eine höhere öffentliche Wirksamkeit entfaltet als derzeit Jakob Augstein und von den meisten Leitmedien, auch dem Spiegel, rechts einsortiert wird.

Auch manches von dem, was Boris Reitschuster und seine Autoren (ich bin einer davon) auf der Seite veröffentlichen, fällt für mich unter die Rubrik Meinungsjournalismus und ist auch so erkennbar, wenn eben nicht deklariert, was auch nicht erforderlich ist. Man muss nicht über jeden Artikel schreiben „Vorsicht Meinung!“

Wie auch immer.

Augstein von eher links und Reitschuster aus der konservativ-liberalen Ecke verhelfen der veröffentlichten Meinung zu mehr Vielfalt und wirken der beklagten Verengung des Meinungsspektrums entgegen.

Diskurs der Außenseiter

Daraus könnte sich ein Diskurs der Außenseiter entwickeln, der heilsame Ansätze für unsere totalitär wirkende Meinungslandschaft bietet. Eine Art von publizistischem Umweltschutz gegen die intellektuelle Monokultur, die unsere geistigen Böden auslaugt und unfruchtbar macht.

Zu hoffen wäre es, aus meiner Sicht.

In diesem Sinne bin ich ganz ein Grüner, der auf Biodiversität setzt, auch wenn die Grünen selbst eine furchtbare, geistige Monokultur pflegen, die recht monströse Blüten treibt. Aber das ist wiederum ein anderes Thema.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

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Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.

Bild: Boris Reitschuster
Text: Gast
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