Regierung zeigt Parlament den Stinkefinger Parlamentarische Anfrage aus dem Bundestag faktisch ignoriert

Gibt es für die Bundesregierung gute Zensur und schlechte Zensur? Dieser Frage ging jetzt die AfD-Fraktion im Bundestag auf den Grund. Ende Januar berichtete ich hier von einer parlamentarischen Anfrage der Fraktion, in der es auch um die Sperrungen meiner Seiten geht. Jetzt hat die Bundesregierung geantwortet. Die Antwort von FDP-Staatssekretär Benjamin Strasser ist in meinen Augen ein Schlag ins Gesicht des Parlaments. Weil sie zwar formell die Anforderungen an eine Antwort erfüllt, aber faktisch einfach den anfragenden Abgeordneten den Mittelfinger zeigt. Entschuldigen Sie, dass ich mich so drastisch ausdrücke – aber anders kann ich es nicht formulieren. Besonders dreist: Sie lügt. Zu meiner Youtube-Sperre im April 2021 schreibt sie, „der Bundesregierung liegen zu dem fraglichen Vorgang keine Informationen vor“. Das ist nachweislich falsch: Ich selbst habe die Bundesregierung auf der Bundespressekonferenz auf die Sperrung angesprochen – damit liegen ihr Informationen vor.

Lesen Sie hier die Fragen und die Antworten der Bundesregierung – ein Dokument der Zeitgeschichte dafür, wie demokratische Grundprinzipien – hier die Rechenschaftspflicht der Regierung vor dem Parlament – auf geradezu herausfordernde Weise ignoriert werden.

Antwort von Staatssekretär Benjamin Strasser (FDP) auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Eugen Schmidt, Thomas Seitz, Barbara Lenk u. a. und der Fraktion der AfD

„Äußerungen der Bundesregierung zu Sperrungen von Konten auf den Diensten PayPal und Twitter“

– Bundestagsdrucksache 20/5378 –

Am 6. Juli 2022 äußerte die Bundesregierung zur Sperrung eines deutschen Journalisten, der nach Ansicht der Fragesteller regelmäßig kritisch über die in Politik und Medien verbreitete Ideologie berichtet, dass der Bundesregierung „keine eigenen Erkenntnisse zu einer systematischen Sperrung oder Kündigung von Konten politischer Internetblogger und Journalisten durch den Zahlungsdiensteanbieter PayPal“ vorlägen, dass die Sperrung eine „zivilrechtliche Angelegenheit“ sei und dass es „nicht Aufgabe der Bundesregierung [sei], Entscheidungen der Zivilgerichte vorzugreifen“ (Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 30 des Abgeordneten Thomas Seitz auf Plenarprotokoll 20/46, S. 4812). Am 16. Dezember 2022 äußerte sich das Auswärtige Amt nach Sperrungen von Konten auf Twitter, dass „Pressefreiheit nicht nach Belieben ein- und ausgeschaltet“ werden dürfe (https://twitter.com/AuswaertigesAmt/status/1603689087969411072).

Die Fragesteller möchten prüfen, ob sich die Bundesregierung Kriterien für ihre Reaktionen und öffentlichen Verlautbarungen in Bezug auf Kontensperrungen bei Diensteanbietern erarbeitet hat, die intersubjektiv nachprüfbar sind und rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung die Sperrung des Kontos des deutschen Journalisten Boris Reitschuster als „zivilrechtliche Angelegenheit“ bezeichnet und sich zu den Sperrungen vom 16. Dezember 2022 (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) nicht in gleicher Weise geäußert?

2. Sieht die Bundesregierung durch die Sperrung des Kontos des Journalisten Boris Reitschuster bei dem Dienstanbieter PayPal die „Pressefreiheit nach Belieben ein- und ausgeschaltet“?

a) Wenn ja, warum?

b) Wenn nein, warum nicht?

Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 30 des Abgeordneten Thomas Seitz (Plenarprotokoll 20/46, Seite 4812) ausgeführt, werden Zahlungsdienstleistungen wie die von PayPal auf der Grundlage privatrechtlicher Vertragsverhältnisse zwischen dem Zahlungsdiensteanbieter und seinen Kundinnen und Kunden erbracht. Die Bundesregierung hatte zu der hinterfragten Sperrung weder Kenntnisse über den Vertragsinhalt noch über die Gründe der in der Berichterstattung behaupteten Sperrung. Unter welchen Voraussetzungen der Zahlungsdiensteanbieter derartige Verträge kündigen oder eine Sperrung gegenüber einer Kundin oder einem Kunden rechtmäßig verhängen kann, hängt – wie in der damaligen Antwort der Bundregierung erläutert – auch von den Umständen des Einzelfalls und den vereinbarten Vertragsbedingungen ab. Da diese Umstände der Bundesregierung weiterhin unbekannt sind, kann keine Bewertung erfolgen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen.

3. Bestehen nach Ansicht der Bundesregierung Unterschiede zwischen den Sperrungen des deutschen Journalisten Boris Reitschuster und denen von der Sperrung betroffenen ausländischen Personen, zu der sich die Bundesregierung am 16. Dezember 2022 äußerte, die eine andere Bewertung und Stellungnahme der Bundesregierung rechtfertigen?

4. Wenn die Frage 3 mit Ja beantwortet wurde, welche Unterschiede, die eine andere Bewertung durch die Bundesregierung rechtfertigen, sind das?

Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Das Auswärtige Amt hat sich am 16. Dezember 2022 zu einem herausgehobenen Sachverhalt mit Auslandsbezug geäußert. Der Sachverhalt war nach Einschätzung des Auswärtigen Amts herausgehoben, da mit acht international bekannten Journalistinnen und Journalisten eine auffällige Zahl an Konten gleichzeitig von Twitter gesperrt wurde. Bewertungen der Bundesregierung zu anderen Fällen von Kontensperrungen bei sozialen Netzwerken sind hieraus nicht abzuleiten.

5. Hat die Bundesregierung geprüft, ob das Unternehmen Twitter Gründe für die Kontosperrungen der von der Bundesregierung am 16. Dezember 2022 in Bezug genommenen Konten angegeben hat?

a) Wenn ja, welche Gründe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung zu den Kontosperrungen auf Twitter angegeben?
b) Wenn nein, warum hat die Bundesregierung nicht geprüft, welche Gründe zur Sperrung vorgetragen wurden?

6. Wenn die Frage 5 mit Ja beantwortet wurde, hat die Bundesregierung etwaige Tatsachenbehauptungen in den für die Sperrung vorgetragenen Gründen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft?

a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
b) Wenn nein, warum nicht?

7. Hat die Bundesregierung Beiträge, die über die am 16. Dezember 2022 gesperrten Konten auf Twitter verbreitet wurden, auf Verstöße gegen die „vereinbarten Vertragsbedingungen“, auf die die Bundesregierung in ihrer Antwort zu Frage 30 des Abgeordneten Thomas Seitz im Fall der Sperrung des Kontos eines Journalisten bei PayPal verwies, geprüft (Plenarprotokoll 20/46, S. 4812)?

a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b) Wenn nein, warum hat die Bundesregierung im Fall der Sperrung vom 16. Dezember 2022 keine Prüfung unternommen, sich zur Sperrung öffentlich geäußert und im Fall der Sperrung auf PayPal auf den privatrechtlichen Vertrag verwiesen?

Die Fragen 5 bis 7 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Als Grund für die gleichzeitige Sperrung der acht Journalistinnen und Journalisten am 16. Dezember 2022 wurde von Twitter ein „Verstoß gegen Twitter-Regeln“ angeführt. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 verwiesen.

8. Hat die Bundesregierung Verknüpfungen („Links“) insbesondere, aber nicht ausschließlich, zu Presseartikeln, die über die auf dem Dienst Twitter gesperrten Konten verbreitet wurden, vollständig zur Kenntnis genommen, um zu beurteilen, wie die Sperrungen der Konten zu bewerten sind?

a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
b) Wenn nein, warum nicht?

Beiträge der am 16. Dezember 2022 gesperrten Accounts waren aufgrund der Sperrung am genannten Tag nicht abrufbar; das Auswärtige Amt konnte diese daher nicht vollständig zur Kenntnis nehmen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 verwiesen.

9. Legt die Bundesregierung bei Stellungnahmen zu Kontosperrungen oder Forderungen nach Aufhebung von Kontosperren klare Kriterien zugrunde, anhand derer das Handeln der Bundesregierung intersubjektiv nachprüfbar wäre?

a) Wenn ja, welche Kriterien sind das?
b) Wenn nein, warum benennt die Bundesregierung keine klaren Kriterien?

Die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung erfolgt unter Beachtung der insoweit vom Grundgesetz und der Rechtsprechung gezogenen rechtlichen Grenzen. Abstrakt-generelle Leitlinien der Bundesregierung dazu, unter welchen Umständen und in welcher Weise Vorgänge der in Bezug genommenen Art zum Gegenstand von Stellungnahmen gemacht werden, gibt es nicht. Darüber hinaus liegt die jeweilige Informations- und Öffentlichkeitsarbeit im Ermessen der einzelnen Ressorts.

10. Hatte die Bundesregierung die Sperre des Journalisten Boris Reitschuster im April 2021 auf YouTube kritisiert (https://reitschuster.de/post/youtube-sperrt-mich-wegen-bericht-ueber-impfung-einer-neunjaehrigen-aus-versehen/), oder tut sie das nachträglich?

a) Wenn ja, warum?
b) Wenn nein, warum nicht?

Der Bundesregierung liegen zu dem fraglichen Vorgang keine Informationen vor. Schon deshalb nimmt sie keine Bewertung vor.

Damit endet die Antwort. Zumindest die letzte Auskunft ist nachweislich gelogen. Lesen Sie hier meinen Wortwechsel mit Regierungssprecherin Ulrike Demmer am 7.4.2021 auf der Bundespressekonferenz:

FRAGE REITSCHUSTER: Inzwischen werden bei Youtube Livestreams von Demonstrationen, Presseberichte, Liveübertragungen gelöscht. Kanäle werden dafür gesperrt. Mein Kanal ist dafür gesperrt worden. Ich kann heute nicht berichten – bei 224 000 Abonnenten! Wie sehen Sie solche Zensurmaßnahmen bei Firmen mit einer Quasi-Monopolstellung? Wie sieht das die Bundesregierung?

DEMMER: Mir ist der Vorgang tatsächlich nicht bekannt. Deswegen kann ich ihn jetzt nicht kommentieren. Sie wissen bzw. können sich vorstellen, Herr Reitschuster, dass wir Zensur natürlich verurteilen. Aber da mir jetzt Näheres zu dem, was Sie gerade beschreiben, nicht bekannt ist, kann ich darauf gar nicht reagieren. Dazu würde ich dann selbstverständlich gegebenenfalls auch etwas nachreichen.

VORSITZENDE WEFERS: Der Werbeblock, wer wie viele Leser hat, ist an dieser Stelle vielleicht auch nicht wichtig.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Das ist eine Relevanzfrage. Wenn es jetzt fünf wären, dann wäre das unwichtig.

VORSITZENDE WEFERS: Ja, aber hier sitzen ja sehr viele Kollegen, die sehr viele Leser und Zuschauer haben.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Ja, aber die werden nicht geblockt!

VORSITZENDE WEFERS: Jaja, gut.

Am 12. April 2022 hakte ich bei Demmers Chef, Steffen Seibert, nach:

FRAGE REITSCHUSTER: Eine Frage zum Thema Pressefreiheit an Herrn Seibert. Youtube ist ein Quasi-Monopolist für Videonachrichten. Dort werden massiv Meldungen wegen angeblicher medizinischer Fehlinformationen zensiert. Konkretes Beispiel: Es gibt ein Urteil des Amtsgerichts Weimar, das unter diese Youtube-Maßstäbe fallen würde. Das heißt, man kann heute nicht mehr über ein Gerichtsurteil bei einem Quasi-Monopolisten berichten. Hat die Bundesregierung vor, sich hier für Pressefreiheit einzusetzen? Danke.

SEIBERT: Die Bundesregierung setzt sich grundsätzlich für die Pressefreiheit ein. Das leitet unsere ganze Arbeit in der Zusammenarbeit mit der Presse.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Haben Sie es in diesem konkreten Fall bei Youtube vor, wenn Sie es ganz allgemein vorhaben?

SEIBERT: Ich kenne jetzt nicht die Fälle, die Sie ansprechen. Youtube und andere Unternehmen, die Videos veröffentlichen, geben sich ja Regeln für diese Veröffentlichungen, sogenannte Community-Richtlinien. Ich weiß jetzt nicht, auf welcher Grundlage es zu Sperrungen gekommen ist. Ich kann mich deswegen dazu jetzt hier auch nicht äußern.

Wir arbeiten auf europäischer Ebene mit dem Digital Services Act daran, ein Online-Umfeld festzulegen, das sicher, vorhersehbar und vertrauenswürdig ist und das klare Regeln für Online-Plattformen enthält, wann sie Inhalte entfernen dürfen oder gegebenenfalls sogar auch müssen.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Ihre Kollegin Frau Demmer hat letzte Woche gesagt, sie schaut sich das an und will gegebenenfalls eine Antwort nachreichen. Jetzt sagten Sie, Sie wissen das nicht. Sind Sie noch nicht dazu gekommen oder warum wissen Sie es dann noch nicht? Danke.

SEIBERT: Ich weiß jetzt, ehrlich gesagt, nicht genau, was ich nachreichen soll oder was nachgereicht werden sollte. Wenn es da etwas gab. Ich werde mich mit Frau Demmer in Verbindung setzen. Vielleicht gab es auch nichts nachzureichen.

Für meine Arbeit müssen Sie keine Zwangsgebühren zahlen, und auch nicht mit Ihren Steuergeldern aufkommen, etwa über Regierungs-Reklameanzeigen. Hinter meiner Seite steht auch kein spendabler Milliardär. Mein einziger „Arbeitgeber“ sind Sie, meine lieben Leserinnen und Leser. Dadurch bin ich nur Ihnen verpflichtet! Und bin Ihnen außerordentlich dankbar für Ihre Unterstützung! Nur sie macht meine Arbeit möglich!
Aktuell ist (wieder) eine Unterstützung via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Mein aktuelles Video:

Polizeipräsident a.D. analysiert die Übersterblichkeit – und klagt an: schockierender Klartext.

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Bild: Sergei Elagin/Shutterstock

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