So viel Hysterie war nie! Wer Google News verfolgt, bekommt die volle Ladung der medialen Kriegsneurose übergeholfen

Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen

„Ihr wollt angreifen!“

„Nein wir wollen nicht angreifen, wir machen nur Manöver, damit wir gerüstet sind, wenn Ihr angreift!“

Wird Olaf Scholz die „extreme“ Kriegsgefahr, die in diesem Dialog durchschimmert, entschärfen? Wird Scholz zum Friedenshelden der NATO?

Wir wissen es nicht, aber in griechischen Dramen kommt am Ende ja immer die Katharsis, die schmerzhafte Erleuchtung, und der letzte Akt läuft ja schon längst, den letzten Auftritt hat Olaf der Schweigsame im Schlumpfkostüm. Da Putin ein guter Regisseur ist, lässt er bei der Ankunft des deutschen Bundeskanzlers schon mal gleich ein paar Truppenteile abziehen, um die Schlussszene einzuleiten.

Dieses Drama wird übrigens nur im Westen übertragen und ist auch einseitig auf das westliche Publikum abgestimmt. In Russland fühlt man sich ja schon lange im Krieg und durch die NATO bedroht. Im Westen dagegen musste das Bedrohungsgefühl erst reifen. Es muss durch die mediale Echokammer so laut vorgetragen werden (der griechische Chor wäre das Analogon in der klassischen Tragödie), dass auch der Letzte mitkriegt, was er denken soll.

Hier die Zusammenfassung:

Russland und die NATO sind Feinde mit unüberbrückbaren Differenzen. Deshalb streiten sie sich unerbittlich um die Ukraine und sind kurz davor, in einen großen europäischen Krieg zu ziehen. Das brave Deutschland schafft es aber in letzter Minute, den russischen Bären zu besänftigen, und der Frieden kann so gerade noch gerettet werden.

Die Lehre, die wir daraus ziehen, ist auch eindeutig. Nach den ganzen Merkel-Krisen (2008, 2012, 2015, 2020) zeigt nun auch die Kriegskrise, dass wir froh sein müssen, von einer so guten und besonnenen Elite geführt zu werden, die sogar einen als sicher angenommenen Krieg verhindern kann!

Den Profit aus dieser Propagandaschlacht teilen sich unsere Regierenden und Putin zu gleichen Teilen. Die Ukraine aber bekommt die monetären Einnahmen aus diesem Schauspiel. Die ganze Angelegenheit könnte ihr mehrere hunderte Millionen Euro einbringen. Ein gutes Einspielergebnis!

Olaf der Schweigsame konnte die extrem teure und exklusive russisch-deutsche Pipeline voll in die Waagschale werfen und zwang Putin damit, seine ebenso schweren Panzer von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Das überzeugt die Welt davon, dass nur die „Schröder-Pipeline“ die Russen umstimmen kann und ein Faustpfand gegen jeden Krieg ist. Damit verstummt jede ernsthafte Kritik an Nord Stream 2 und das Projekt ist in trockenen Tüchern. Putin ist zufrieden. Denn neben dem Muffensausen, das er in Europa und bei der Nato verbreiten konnte, hat er seinen Bürgern einmal mehr gezeigt, wie man mit dem Westen umspringt. Ein veritabler Machtbonus für die nächsten Jahre. Da kann man dann auch ein paar Proteste niederschlagen, ohne dass sich gleich jemand aufregt.

Es gibt mal wieder nur Gewinner, außer der Nato, die schamhaft vorgeführt hat, wie wenig militärisches Potential sie doch in Europa besitzt. Wir sollten künftig einfach Russland um Schutz bitten.

Kritische Geister werden sich fragen, ob dies nun Teil der Katharsis ist oder einfach nur ein mittelgradiges Stockholm-Syndrom. Das kann dann die nächsten Jahre diskutiert werden. Die Medien freuen sich darauf! Aber in jedem Falle haben beide Eliten, die russischen und die westlichen, in diesem Drama ihre Macht gefestigt. Darauf kommt es schließlich an!

Völkerverständigung – was war das nochmal?

Jedoch Moment mal! Waren die antiken Theater nicht hauptsächlich dazu da, das Volk ruhig zu halten?

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.

Bild: Shutterstock
Text: Gast

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