Spanien: Verfassungsgericht erklärt Lockdown für verfassungswidrig Klagen über Druck auf Richterin

Andere Länder, andere Sitten: In Deutschland ist der Präsident des Verfassungsgerichts ein Mann aus der Regierungspartei, den die Regierungschefin durchgeboxt hat, den sie früher schon im Wahlkampf unterstützte, und seit seiner Ernennung beklagen Kritiker, das Gericht sei sehr handzahm der Regierung gegenüber. Vor allem bei Corona scheint es mit angezogener Handbremse die Verfassung zu verteidigen – sehr zum Missfallen einiger ehemaliger Verfassungsrichter, die sich wundern über das Agieren ihrer Nachfolger. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Vor allem auch angesichts der Tatsache, dass unsere Bundesregierung ständig in Ländern wie Polen eine Nähe von Verfassungsgericht und Politik beklagt. Wenn Scheinheiligkeit und Doppelmoral Dampf erzeugen würden, ständen über dem Kanzleramt dichte Wolken (mehr dazu hier im Beitrag „Merkel und die Verfassungsrichter: Eine verhängnisvolle Affäre?“). Und nun das: Im fernen Spanien hat das Verfassungsgericht das Notstandsgesetz von 2020 für verfassungswidrig erklärt. Und damit auch den Lockdown. Mit der Begrenzung der Bewegungsfreiheit habe die Regierung gegen Grundrechte der Bürger verstoßen, so die Entscheidung der Verfassungshüter. Dass der Notstand bzw. Alarmzustand (estado de alarma) ausgerufen und dann nachträglich vom Parlament genehmigt wurde, sei juristisch nicht ausreichend gewesen. Die Regierung hätte den Ausnahmezustand verhängen müssen. Nur der hätte eine Aufhebung der Bewegungsfreiheit möglich gemacht.

Spaniens Regierung hatte den Notstand am 14. März 2020 ausgerufen. Mit einem entsprechenden Gesetz ließ sie sich ermächtigen, die Grundrechte erheblich einzuschränken. Dabei verhängte sie strikte Ausgangssperren und einen harten Lockdown.

Die Entscheidung erfolgte nach zweitägiger Beratung mit der denkbar knappsten Mehrheit von sechs der elf Richter, schreibt die „Mallorca Zeitung“: „Der konservative Block unter den Richtern – das spanische Verfassungsorgan ist stark politisiert – plädierte für die Verfassungswidrigkeit, der sogenannte progressive Block dagegen. Den Ausschlag gab schließlich die Stimme der auf Vorschlag der Sozialisten ernannten Vizepräsidentin Encarnación Roca. Sie hatte zuvor beklagt, dass Druck auf sie ausgeübt worden sei, im Sinne der Regierung zu entscheiden. Wer diesen Druck ausübte, sagte sie nicht.“

In den deutschen Medien wird von dem Urteil kaum berichtet – laut Google News gab es neben zwei Mallorca-Blättern nur beim Deutschlandfunk, RND und tagesschau.de kurze Meldungen ohne Details wie etwa der Ausübung von Druck (Stand: 15.7., 0.30 Uhr). Und auch dort unter ferner liefen und auf Sparflamme. Will man nicht, dass die Leser und Zuschauer in Deutschland auf falsche Gedanken kommen oder gar Vergleiche ziehen? Dafür verweist etwa der Deutschlandfunk in seiner kurzen Meldung zu dem Urteil demonstrativ darauf, dass die ultrarechte Partei Vox geklagt hat. Als ob das die Entscheidung in irgendeiner Weise weniger wichtig und weniger symbolträchtig machen würde.

Wortkarg und nur im Livestream, nicht mal als eigenständiger Beitrag

Schade, dass es unsere Verfassungsrichter mit dem Schutz unserer Verfassung nicht so genau zu nehmen scheinen wie ihre spanischen Kollegen. Und dass es in Deutschland nur schwer vorstellbar wäre, dass ein Verfassungsrichter sich öffentlich darüber beklagen würde, wenn Druck auf ihn ausgeübt wurde. Aber vielleicht ist das ja gar nicht nötig? Wenn man sich so nett zum Abendessen trifft mit der Kanzlerin….


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Bild: Shutterstock
Text: br


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