Von Kai Rebmann
Fast jeder zweite Schüler macht heutzutage das Abitur, bei den Durchschnittsnoten für die Abschlussprüfungen werden gefühlt jährlich neue Bestleistungen vermeldet und die Unis können sich vor Studenten kaum retten. In einzelnen Bundesländern liegt die Quote derjenigen, die die Allgemeine Hochschulreife erlangen sogar jenseits der 50 Prozent. Noch in den 1990er-Jahren lag die Abi-Quote je nach Jahrgang und Region zwischen 20 und 30 Prozent. Alles in Butter also mit der Bildungspolitik in Deutschland? Mitnichten!
Eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag des RND bestätigt einmal mehr den seit Jahrzehnten betriebenen und politisch ausdrücklich gewollten Selbstbetrug. Nur noch 13 Prozent der Deutschen glauben, dass ihre Kinder in der Schule das nötige Rüstzeug für ihr weiteres Leben mitbekommen. 85 Prozent sind der gegenteiligen Ansicht. Spricht man die Menschen im Osten auf die Qualität des hiesigen Bildungssystems an, so lautet die Antwort sogar bei 89 Prozent: „Setzen, Sechs!“
Wenn Zahlen lügen
Die Ergebnisse der Umfrage sind für manche Medien offenbar so erschreckend, dass man sie einerseits zwar nicht verschweigen kann, sie dem Leser aber nur in verharmlosender, ja geradezu irreführender Weise zur Kenntnis geben will. Und so bringt es die „Zeit“ tatsächlich fertig, gleich im ersten Satz des Aufhängers zum dazugehörigen Artikel zu schreiben: „Mehr als zwei Drittel denken laut einer Umfrage, dass Kinder in Schulen nicht ausreichend auf das Leben vorbereitet werden.“ Wie bitte?
Ja, es stimmt schon, 85 Prozent sind „mehr als zwei Drittel“, weshalb sich die Faktenchecker dieser Welt auch in diesem Fall entspannt zurücklehnen werden. Und schließlich hört sich „mehr als zwei Drittel“ weit weniger schlimm an als etwa „mehr als drei Viertel“ oder gar „sechs Siebtel“, gell!? Traurig, für wie dumm einige Kollegen ihre eigenen Leser offenbar halten.
Aber zurück zur Umfrage. Demnach glauben 57 Prozent der Befragten, dass ihre Kinder die Schule heute schlechter qualifiziert verlassen als noch vor 30 oder 40 Jahren, während 13 Prozent gegenteiliger Meinung sind. Auch das widerspricht dem Eindruck, der durch die eingangs erwähnten Zahlen in der Bevölkerung offenbar vermittelt werden soll. Wenn es um die „Qualifikation für das Leben“ geht, spielen eben noch viele andere Dinge eine wahrscheinlich sehr viel wichtigere Rolle als „nur“ gute Noten und Abschlüsse.
Und es kommt noch dicker: Im Osten gaben 69 Prozent, oder wie die „Zeit“ wohl schreiben würde „geringfügig mehr als die Hälfte“ der Eltern an, dass die Schulen in der ehemaligen DDR besser waren als in der heutigen BRD. Unter den in westdeutschen Bundesländern lebenden Befragten glauben 55 Prozent, dass auch in der Schule früher alles besser war.
Verwässerung beim Abitur
Die Gründe dafür, dass die Versetzung der deutschen Schulen massiv gefährdet scheint, sind sicher vielschichtig. Bei den kurzfristigen Ursachen sehen viele Eltern (71 Prozent) die Schulschließungen während der Corona-Krise sowie eine zu geringe Bemühung der Schulen, die dadurch erlittenen Lernrückstände aufzuholen. Überraschen kann das nicht, denn warnende Stimmen hat es auch in diesem Fall mehr als genug gegeben.
Dem Prinzip des Föderalismus folgend ist die Bildungspolitik in Deutschland die Sache der Länder. Geht es nach dem Willen der Bundesbürger, dann handelt es sich dabei jedoch um ein Auslaufmodell. 73 Prozent der Befragten wünschen sich eine stärkere Zentralisierung und fordern, dass der Bund in diesem Bereich mehr Kompetenzen übernimmt. Ob sich die Bildungsmisere in Deutschland aber allein dadurch lösen lässt? Zumindest fraglich!
Prof. Hans Peter Klein äußerte sich im April 2022 auf dem Portal „News4Teachers“ zu dem Thema: „Man hat einfach insbesondere die fachlichen Anforderungen selbst an den Gymnasien auf politischen Druck hin teils massiv abgesenkt.“ Man kann dem Experten kaum widersprechen: Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Berichte über wiederholte Abitur-Prüfungen oder pauschale Anhebung der Noten, weil sich im Nachgang herausgestellt haben soll, dass die gestellten Anforderungen zu hoch gewesen seien.
Weiter heißt es in dem Bericht, dass die Kultusministerien der Länder die „inflationäre Vergabe des Abiturs“ ausdrücklich begrüßten: „Bildungs- und Gewerkschaftsverbänden und auch so manchem Reformpädagogen kam diese politische Stoßrichtung gerade recht, war doch schon immer die als elitär betrachtete geringe Abiturientenquote ein Dorn in deren linken Auge.“
Uni-Nachhilfe verschlingt Millionen von Steuergeldern
Das Fachportal präsentiert noch einen weiteren ebenso anschaulichen wie auch drastischen Vergleich: Mathe-Aufgaben, die in den 1970er-Jahren noch von Realschülern in Baden-Württemberg gelöst werden mussten, fehlen „in diesem Schwierigkeitsgrad“ heute selbst in den Leistungskursen an den Gymnasien. Dies führe, zusammen mit weiteren Faktoren, zu einer „exponentiellen Zunahme“ von Einser-Abiturienten.
Etwas drastisch ausgedrückt könnte man also sagen, die deutschen Schüler sind, bezogen auf die Abi-Quote, heute nicht doppelt so schlau wie früher – sondern die an sie gestellten Anforderungen nur noch halb so hoch. Das bleibt natürlich auch an den Unis nicht ohne Folgen. Dort werden inzwischen regelmäßig Nachhilfekurse für „nicht studierfähige Studierwillige“ angeboten.
Um aber den negativ behafteten Begriff „Nachhilfe“ zu vermeiden, wird der entsprechende Kurs an der Goethe-Universität in Frankfurt etwa unter dem Pseudonym „Ein starker Start ins Studium“ angepriesen. Den Steuerzahler kostet das in der Main-Metropole über einen Zeitraum von zehn Jahren angelegte Projekt die Kleinigkeit von 42 Millionen Euro. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Aber wer will das schon kritisieren, denn gegen vermeintlich gut investiertes Geld in die Bildung kann ja schließlich niemand etwas haben, oder?
Dafür fehlt es in Deutschland an allen Ecken und Enden an Pflegekräften, Handwerkern und ähnlichem Fachpersonal. Irgendwie aber auch verständlich. Denn wer will schon um 6 Uhr morgens aufstehen oder sich durch Nachtschichten quälen, wenn ihm vor den deutschen Unis der rote Teppich ausgerollt wird? Weniger ist manchmal mehr und gerade bei der Bildung sollte Qualität dringend wieder vor Quantität gehen. Andernfalls lügt sich der Bildungsstandort Deutschland nur in die eigene Tasche.
Nach meiner Operation muss ich meine Arbeit ruhiger angehen. Dazu haben mich die Ärzte eindringlich aufgefordert. Und ich glaube, das bin ich meinen Nächsten, meinem Team und auch Ihnen schuldig. Umso mehr bin ich Ihnen dankbar für Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, weiterzumachen! Und sie gibt mir die Sicherheit, mich ein wenig zurücklehnen zu können zur Genesung. Auf dass wir noch ein langes Miteinander vor uns haben! Herzlichen Dank!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
Mein aktuelles Video:
Mein ganz persönliches Osterwunder – was ich erlebt habe, hat mein Leben auf den Kopf gestellt:
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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