Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen
Draußen ist es dunkel. Ich weiß das nicht nur, weil ich aus dem Fenster gesehen habe. Ich war gerade dort. Habe mir die Füße vertreten und in fremde Fenster geschaut. Niemals ist einem so dunkel, wie wenn man allein auf der Straße steht und in ein fremdes Fenster schaut.
Keine beunruhigende Erfahrung. Schon oft erlebt.
Erst als ich unsere Kirche umrunde, wird mir seltsam. Auch sie ist dunkel. Es schimmert nicht einmal eine Kerze in einem Fenster dieser wunderschönen Mauern. Ich war so oft darin und habe freudige Augenblicke erlebt oder auch tröstende.
Es gibt eine Krise, ja. Aber warum sehen sich Pfarrer und Küster veranlasst, das Licht komplett abzuschalten? Wissen sie nicht, dass abends ratlose oder suchende, vielleicht sogar verzweifelte Menschen um diesen Bau herumgehen und ein wenig Licht suchen?
Ich sage es ganz ehrlich. Ich gehe nicht mehr in die Kirche, seit dort nicht mehr gesungen wird. Hinter einer FFP2-Maske ist auch nicht gut singen. Das weiß jeder, der es mal versucht hat. Es fühlt sich an, als hätte man einen Knebel im Mund.
So dunkel und so einsam hat dieser Ort nun etwas Hohles, so als wäre da gar keine Kirche mehr, sondern nur noch ein Schatten. Ich bin versucht, die Mauern zu betasten und mich zu vergewissern, dass sie wirklich da ist. Meine Kirche.
Ist es die Pandemie, die dieser Kirche und ihrem Personal so zugesetzt hat? So sehr, dass sie sie dunkel lassen, als wäre sie geschlossen, als würden selbst Pfarrer und Küster nicht mehr an sie glauben?
Ich glaube es nicht. Die Bereitschaft sich oberflächlich in einen fremden Dienst zu stellen, bestand schon vorher. Zwar hängen an dieser Kirche keine zehn Meter langen Plakate „Gegen Rechts“ herunter, wie an anderen Berliner Kirchen, aber der Pfarrer ist ein „Linker“ und hält auch Jesus Christus für einen „Linken“. Seine Predigten waren schwer zu ertragen. Allerdings gelang es ihm nicht, die religiöse Feier der Gemeinde dadurch ernsthaft zu stören. Denn die Liturgie ist festgelegt und die Leute haben gesungen, was das Zeug hält. „Eine feste Burg ist unser Gott“, tönte es aus diesem großen, warmen Gebäude. Vor der Pandemie.
Was jetzt ist, weiß keiner.
„Eine dunkle Burg ist unser Gott“, eine Kirche, die nicht mehr für alle da ist, in der nicht ein bisschen Licht angelassen wird, und das mitten in der dunklen Jahreszeit. Die Jahreslosung der Gemeinde liest sich so: „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Einen Klick weiter erfährt man, dass diese Kirche nur noch für Geimpfte und Genesene geöffnet ist und Gottesdienste nach der 2-G-Regel durchgeführt werden.
Während ich das lese, laufe ich im Gedächtnis noch einmal um meine verdunkelte Kirche herum. Ich stelle mir vor, dass die Pest Berlin entvölkert hat. Selbst die Kirchen müssen sich dieser Seuche beugen und können nur noch die wenigen Menschen hineinlassen, die von der Pest genesen sind. Der Rest ist entweder tot oder todgeweiht. Der Pfarrer segnet die Gemeinde, aber die Tore lässt er zu.
Ich bin kein Historiker und weiß nicht, ob das im Mittelalter tatsächlich so war. Aber heute und in unserer Gemeinde ist es so.
Nicht die Pest, sondern Corona heißt die Seuche. Die meisten Berliner leben immer noch. Die Kirchen aber scheinen gestorben zu sein. Ich glaube, sie starben an dem fehlenden Glauben an Gott und Jesus Christus.
Das hat sich hier schon lange angebahnt, lange bevor wir Corona überhaupt gehört hatten. Der Grund liegt darin, dass in den Gemeinden linkes Denken und linke Ideologie mit Christentum verwechselt wurden. Die Kirche als Player in einer linken Zivilgesellschaft wurde damit zur Geisel jedes linken Trends. Sei es, als selektive Nächstenliebe gegenüber Migranten und Flüchtlingen, sei es mit der Auslegung der grünen Klimaideologie als „gottgewollt“. Die Tatsache, dass das Kirchenschiff damit vom Christentum abtreibt, hat niemanden interessiert. So wurde auch die restriktive Corona-Politik, die viele Menschen draußen lässt, in die Gotteshäuser getragen.
Die Gotteshäuser, die jetzt dunkel sind.
Eine Rückkehr zum Glauben und zu Jesus Christus scheint irgendwie gewollt zu sein. Immerhin steht die Jahreslosung: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“, ganz vorn auf der Gemeindeseite.
Jedoch scheint die ideologische Verschmelzung mit einem Zeitgeist, der den Tod ausschließen möchte, weit fortgeschritten zu sein. Eine Rückkehr zum christlichen Glauben, so fürchte ich, wird es auch bei unserer Kirche nicht geben. Sie ist nur noch für Geimpfte, in ihr wird nicht mehr gesungen und sie ist so dunkel wie ein Grab.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: ShutterstockText: Gast