Verstößt die Bayerische Verfassung gegen die Bayerische Verfassung? Gleiche Forderungen wie im AfD-Programm

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

In unseren Zeiten ist es nicht sehr schwer, zum Staats- oder Verfassungsfeind erklärt zu werden. So hat vor Kurzem der allseits bekannte ZDF-Meteorologe und Spezialist für Klimapanik Özden Terli geäußert: „Staatsfeinde sind diejenigen, die den Klimaschutz nicht umsetzen. Sie gefährden wissentlich die Demokratie und unsere Lebensgrundlage. Auch die Schwätzer, die sogenannten Leugner. Niemand kann mehr sagen, ich kenne mich nicht mit Klimafakten aus.“ So schnell geht das. Man muss nur aus guten Gründen anderer Meinung sein als ein hauptberuflicher und glänzend alimentierter Klimapaniker, der offenbar nur die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit über die klimatologische Lage kennt und verbreitet – und schon darf man sich als Staatsfeind betrachten, also als eine jener üblen Personen, „die dem Bestand und der Sicherheit der Staaten bzw. den Herrschaftsverhältnissen entgegenarbeiten, wie etwa durch Landesverrat, Hochverrat, die Äußerung „falscher“ politischer Ansichten und dergleichen.“ Für solche Charakterisierungen zahlt man doch gerne die Demokratieabgabe.

Bedenkt man noch zusätzlich, dass in der Zeit der verfassungswidrigen Corona-Maßnahmen schon das demonstrative Hochhalten eines Grundgesetz-Exemplars zur Verhaftung und Einstufung als Verfassungsfeind führen konnte, so mag der Gedanke aufkommen, dass jeder, der nicht vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder vom umtriebigen Thomas Haldenwang als verdächtig betrachtet wird, vielleicht ein defizitäres Verhältnis zu Demokratie und Rechtsstaat hat.

Bayerische Verfassung

Methoden dieser Art werden auch gerne in Bayern angewendet. Ich darf an die aufgebauschte Pseudo-Affäre um Hubert Aiwanger erinnern, den die Süddeutsche Zeitung so gerne dorthin geschrieben hätte, wohin ihrer Meinung nach alle gehören, die sich nicht rot-grünen Märchenerzählungen unterwerfen: in den Abgrund. Früher hat man dieses Bollwerk des Journalismus wegen seiner politischen Ausrichtung gerne als „Alpen-Prawda“ bezeichnet, inzwischen ist bei solchen Vergleichen etwas Vorsicht angebracht, da man Gefahr laufen könnte, die Prawda zu beleidigen.

Doch es gibt nicht nur die Süddeutsche Zeitung in Bayern, man verfügt dort auch über einen äußerst effizienten Verfassungsschutz, der sich sogar gelegentlich zu Wort meldet und uns mitteilt, an welchen Stellen das Böse zu finden ist. Erstaunlicherweise machen sich fleißige Menschen die Mühe, solche Elaborate tatsächlich zu lesen und mit dem einen oder anderen Text zu vergleichen, und dieser Vergleich lohnt tatsächlich die Mühe. Werfen wir aber zunächst einen Blick in die bayerische Verfassung, denn zumindest dem Namen nach ist es die Aufgabe des Verfassungsschutzes, diese Verfassung zu schützen – die Vorstellung, dass man in Deutschland inzwischen eher danach trachtet, die Regierungen vor der Verfassung zu schützen, ist selbstverständlich nichts anderes als Hass und Hetze, in der Regel geäußert von den bereits erwähnten Staatsfeinden.

Mein Lesetipp

In Artikel 3 findet man die schöne Formulierung: „Der Staat schützt die natürlichen Lebensgrundlagen und die kulturelle Überlieferung“, und zieht man noch die Präambel hinzu, so stellt man fest, dass dieser Schutz dem Staat insbesondere „eingedenk seiner mehr als tausendjährigen Geschichte“ aufgetragen wurde. Artikel 131 hingegen, in dem es um Bildung und Schule geht, sagt uns: „Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.“ Es ist erstaunlich, dass hier noch keine Verfassungsänderung im Sinne der sprachlichen Umerziehung stattgefunden hat, denn gerade im Lande des wendigen Markus Söder hätte man die Formulierung „Schüler*innen“ oder wenigstens „Schülerinnen und Schüler“ erwartet. Welch ein Glück, dass Söder anscheinend seine Verfassung nicht gelesen hat.

Bayerischer Verfassungsschutz

Der Verfassungsschutz, dem ich mich jetzt zuwende, allerdings auch nicht. In seinen „Verfassungsschutzinformationen Bayern“ für das erste Halbjahr 2023 teilt er den Lesern ab Seite 48 mit, warum es unbedingt nötig ist, die AfD unter Beobachtung zu halten, was er dann unter der freundlichen Überschrift „Ethnischer Volksbegriff und staatsfeindliche Hetze“ gerne präzisiert. Man findet daher auf Seite 51 die staatstragenden Worte: „Das Programm des bayerischen AfD Landesverbandes zur Landtagswahl 2023 weist weitere Anhaltspunkte auf. So fordert der bayerische AfD Landesverband u. a. den „Fortbestand unseres Volkes“ in Verbindung mit dem „Erhalt unserer Heimat“ und dem „Erbe unserer Vorfahren“ sowie die „Zukunftsfähigkeit unseres Landes“, welche die „Liebe zur Heimat und zum eigenen Volk“ voraussetze.“

Das alles sind Indizien für einen verwerflichen Volksbegriff und für staatsfeindliche Hetze. Was sagt uns nun die bayerische Verfassung zu diesen Erkenntnissen? Sie sagt, dass der Staat sowohl die natürlichen Lebensgrundlagen als auch die kulturelle Überlieferung zu schützen hat, und zwar eingedenk seiner mehr als tausendjährigen Geschichte. Zudem sind Schüler unter anderem in der Liebe zum deutschen Volk zu erziehen. Was man liebt, wird man in aller Regel erhalten wollen, man wird sich für seinen Fortbestand einsetzen, sonst wäre das eine seltsame Liebe. Der Fortbestand des Volkes dürfte somit kaum als verfassungsfeindlich anzusehen sein, sondern eher als Verfassungsziel.

Die Ansicht des bayerischen Verfassungsschutzes, die Forderungen nach dem „Erhalt unserer Heimat“ und die Betonung des „Erbes unserer Vorfahren“ seien Anzeichen für staatsfeindliche Hetze, lässt den Leser etwas ratlos zurück. Denn nach Artikel 131 sollen die Schüler nicht nur in der Liebe zum deutschen Volk, sondern auch in der Liebe zur bayerischen Heimat erzogen werden. Ich sagte es schon: Wer etwas liebt, hat großes Interesse daran, es auch zu erhalten. Wird also Artikel 131 in der Erziehung erfolgreich umgesetzt, muss man damit rechnen, dass die Erzogenen sich für die Erhaltung „unserer Heimat“ einsetzen, eben weil man sie verfassungsgemäß erzogen hat. Aber das Erbe unserer Vorfahren! In Anbetracht unserer Geschichte kann das doch nur staatsfeindliche Auswirkungen haben! So sieht man das vielleicht beim bayerischen Verfassungsschutz, die Verfassung selbst sieht es anders. Sie bezieht sich nämlich ausdrücklich auf die tausendjährige Geschichte Bayerns, und was sollte das „Erbe unserer Vorfahren“ wohl sonst sein als eben diese Geschichte, mit ihren Höhen und ihren Tiefen? Und zusätzlich verlangt Artikel 3 vom Staat – und damit auch vom Verfassungsschutz – er habe die „kulturelle Überlieferung“ zu schützen. Die kann man aber nicht schützen, wenn man sie nicht kennt, wenn man sie nicht bewahrt und pflegt, kurz: wenn man sich nicht um das „Erbe unserer Vorfahren“ kümmert.

Was an dem Ziel der „Zukunftsfähigkeit unseres Landes“ staatsfeindlich sein soll, können wohl nur Mitarbeiter des bayerischen Verfassungsschutzes oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstehen. Ein Land, das nicht zukunftsfähig ist, hat, wie das Wort schon sagt, keine Zukunft und damit vermutlich auch keinen Verfassungsschutz mehr – will man sich etwa selbst abschaffen? Selbst in grünen Kreisen ist der Begriff der Zukunftsfähigkeit keineswegs negativ besetzt. „Sie erben ein Land, dessen gesellschaftliche Infrastruktur nicht zukunftsfähig ist“, heißt es in einem grünen „Impulspapier“ über die nachfolgenden Generationen. Sollte also die Betonung der Zukunftsfähigkeit unter den Begriff der Hetze fallen, so darf ich dem bayerischen Verfassungsschutz wärmstens die sofortige Beobachtung der grünen Partei empfehlen.

Doch es ist ja nicht nur die Zukunftsfähigkeit, sondern auch ihre Voraussetzung. Die Analysten des Verfassungsschutzes haben nämlich herausgefunden, dass die Zukunftsfähigkeit nach Auffassung der AfD „Liebe zur Heimat und zum eigenen Volk“ voraussetze. Welch eine verwerfliche Idee! Und welch ein Pech, dass sie auch noch in der bayerischen Verfassung zu finden ist! „Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen,“ so heißt es nun einmal im Artikel 131. Für die Mitarbeiter des bayerischen Verfassungsschutzes mag es vielleicht zu schwierig sein, die einzelnen Teile dieses Satzes zu verstehen, aber es wird hier ausdrücklich verlangt, dass die Schüler unter anderem in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk zu erziehen sind. Das ist Verfassungsziel, kein Verfassungsbruch.

Was der bayerische Verfassungsschutz unter dem Oberbegriff „Ethnischer Volksbegriff und staatsfeindliche Hetze“ einsortiert, besteht nur aus Umformulierungen von Forderungen der bayerischen Verfassung. In den Augen des bayerischen Verfassungsschutzes verstößt die bayerische Verfassung gegen die bayerische Verfassung.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Um Aiwanger zu diffamieren: Söder macht den Hitler. Aber bei ihm scheint das niemanden zu stören

Bild: Shutterstock

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

 

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