Von Kai Rebmann
Humor ist Geschmackssache. Diesen auch zu verstehen und richtig einzuordnen ist offenbar Glückssache. Davon wissen die Zensoren und selbsternannten Sittenwächter bei den ARD-Anstalten ein Lied zu singen.
Nachdem der WDR zuletzt schon die Programme unter anderem von Otto Waalkes und Harald Schmidt mit Warnhinweisen versehen hat, springt jetzt auch der SR auf diesen Zug auf und warnt vor „Familie Heinz Becker“.
Stein des Anstoßes ist die 1994 erstmals gezeigte Episode „Modenschau“, in welcher Asylbewerber aus dem Senegal in einem Vereinszimmer untergebracht werden sollen. Heinz Becker gibt sich daraufhin skeptisch: „Wenn’s nur kee Neger sinn…“
Diese flapsige Bemerkung reicht dem SR, um im Vorspann der betreffenden Folge in der Mediathek folgenden Warnhinweis anzubringen: „Das folgende fiktionale Programm wird in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, deren Sprache und Haltung aus heutiger Sicht diskriminierend wirken können.“
Im Zentrum der Satire steht die Einfältigkeit des Protagonisten
Dabei muss man sich schon sehr viel Mühe geben, um den fraglichen Dialog so zu interpretieren, wie ihn die ARD-Zensoren auszulegen versuchen. Wer die Kult-Serie aus den 1990er-Jahren kennt, der weiß, dass bei „Familie Heinz Becker“ stets die Einfältigkeit des gleichnamigen Familienoberhaupts parodiert wird.
Die vermeintlich „rassistische“ Szene (ab ca. 12:30 Minuten) spielt sich auf der Toilette einer Mehrzweckhalle ab, in der eine Modenschau stattfindet. Ein Vereinskamerad namens Richard bedient sich an einem Kondom-Automaten, als Heinz Becker das stille Örtchen betritt und in Richtung seines Kollegen überrascht fragt: „Richard, ich han gedenkt, du hasch uffgehört zu rauche.“
Es sind Beispiele wie diese, weshalb die „Familie Heinz Becker“ vor rund 30 Jahren von den Menschen im Südwesten und darüber hinaus geliebt wurde. Das böse N-Wort fällt kurz darauf im oben beschriebenen Zusammenhang. Wer oder was damit eigentlich auf die Schippe genommen wird, ist den SR-Zensoren offenbar aber entgangen.
Gerd Dudenhöffer trägt es mit Fassung
Gerd Dudenhöffer, der die Figur des Heinz Becker spielte, sagte gegenüber der „Bild“: „Vor Satire sollte nicht gewarnt werden, sondern es sollte dazu aufgemuntert werden, sich mit Satire auseinanderzusetzen. Denn diese symbolisiert den momentanen ‚Zustand‘ einer Gesellschaft und am Beispiel der alten Fernsehsendungen auch den damaligen Zeitgeist.“
Ganz überrascht scheint der Schauspieler von dem neuen Warnhinweis aber nicht zu sein. Schließlich seien die „Geschichten um die Figur Heinz Becker schon immer Satire (gewesen), die polarisierte“, gibt Dudenhöffer zu bedenken.
Wo es um Polarisierung geht, da ist der Zuschauer aufgefordert, sich mit dem betreffenden Inhalt auseinanderzusetzen. Und genau das traut der SR seinen Zwangsgebührenzahlern offenbar nicht zu bzw. will ihnen diese Einordnung liebend gerne abnehmen.
Oliver Luksic, Chef der Saar-FDP, sieht die neue Kultur der Warnhinweise ebenfalls kritisch: „Überspitzung gehört zu Satire und Kunstfreiheit, die Unterteilung in politisch korrekte und inkorrekte Witze durch öffentliche Sendeanstalten ist eine abschüssige Bahn. Die Bürgerinnen und Bürger können Humor von Otto Waalkes, Harald Schmidt oder Gerd Dudenhöffer selber einordnen.“ Warnhinweise brauche es dafür nicht, „diese Form von betreutem Denken ist unnötig und kontraproduktiv“, so der Liberale.
Kunstfreiheit neu definiert
Vor noch gar nicht allzu langer Zeit galt die vom FDP-Politiker angesprochene Kunstfreiheit aus gutem Grund als sehr hohes Gut. Heute darf sie allem Anschein nach aber nur noch von den „richtigen“ Künstler beansprucht werden.
So hat der ÖRR offenbar kein Problem damit, wenn Jan Böhmermann im ZDF im Gewand der „Satire“ etwa Gewalt gegen Frauen verherrlicht oder ausländische Staatsoberhäupter als „Ziegenf…er“ verunglimpft. Schließlich darf Satire ja alles, nicht wahr?
Ebenso stumm bleiben die hiesigen Medien, wenn in Avignon eine schwarze „Künstlerin“ namens Rebecca Chaillon über die Bühne des Performance-Art-Festivals läuft und dabei ein gutes Dutzend weißer Babypuppen – aufgespießt auf einer Metallstange – spazierenträgt.
Augenzeugen, die daraufhin empört den Saal verließen, wurden daraufhin als „Rassisten“ und „Faschisten“ diffamiert. Dabei reicht es aus, sich nur eine Sekunde lang vorzustellen, wie die Reaktionen ausgefallen wären, hätte sich eine solche Szene unter umgekehrten Vorzeichen abgespielt.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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