„Warum sollen wir Sie wählen, Herr Dobrindt?“ Die Unternehmerwelle: Politiker in Erklärungsnotstand!

Chronik einer Krankheit

Corona macht krank. Darüber berichten wir. Die Serie „Kollateralschaden“ basiert auf Berichten Betroffener der Coronapolitik.

Die Unternehmerwelle: Politiker im Erklärungsnotstand!

Von Johanna und Frank Wahlig

Seit Jahrhunderten ist das Traditionsunternehmen Ed.Meier an erster Adresse in der Münchner Innenstadt. Es hat Kriege und Pandemien überlebt. Der „Ehemalige Königlich Bayerische Hoflieferant“ Ed.Meier München steht für hochwertige, handgefertigte Schuhe und Mode. Gleich um die Ecke von der Bayerischen Staatskanzlei. Die Geschwister Meier, Brigitte und Peter Eduard, betreiben Ihr Stammhaus, außerdem das urbane Lokal „Gamsbar“ in der Briennerstraße. Bis März 2020. Dann ist Zapfenstreich!

Die „Gamsbar“ ist dicht. Das Geschäft ist mal auf und mal zu. Im April wurde mit der „Bundesnotbremse“ die Lage für die Unternehmen nochmals verschärft. Aktuell ist Einkaufen nur mit Termin, Kontakterfassung, 40 Quadratmeter pro Kunde und mit FFP2-Maske erlaubt. „Die Öffnung des Ladens mit aktuellem Coronatest kommt einer Komplettschließung gleich,“ sagt Brigitte Meier. Tödliche Bedingungen also für ein Geschäft, das von persönlicher Beratung, von Ambiente und schönen Dingen lebt.

'Warum sollen wir Sie wählen, Herr Dobrindt?'

Gemeinsam mit 22 000 Unternehmern und hunderttausenden Mitarbeitern starten Händler, Gastronomen, Freiberufler jetzt eine spektakuläre Aktion zum Wahlkampfauftakt für die Bundestagswahl. Sie fragen „ihre“ Wahlkreiskandidaten von Rosenheim bis Eckernförde: „Warum sollen wir Sie wählen?“ Die Antworten sind dann nachzulesen im Internet.

„Warum sollen wir Sie wählen, Herr Dobrindt?“, wird Brigitte Meier „ihren“ CSU-Kandidaten, Alexander Dobrindt, im Landkreis Weilheim-Schongau fragen. Die Fragen gehen per Brief und per Mail an das Wahlkreisbüro. Angesprochen werden vor allem diejenigen Kandidaten, die für die Verschärfung der Coronamaßnahmen und die „Bundesnotbremse“ im April gestimmt haben. Die Antworten der Politiker werden dann auf der Internetseite www.wir-stehen-zusammen.com veröffentlicht. Erwähnung wird auch finden, welcher Bundestagskandidat keine Antwort auf die Frage hat.

Unternehmervideos: #wirstehenzusammen

Was vor Monaten als kleines, konspiratives Treffen mittelständischer Unternehmer begonnen hat, ist mittlerweile zu einem bundesweiten Netzwerk geworden. 5000 Mittelständler haben sich bis heute bei #wirstehenzusammen eingetragen. Über 50 Videos haben sie auf ihrer Seite www.wir-stehen-zusammen.com hochgeladen. Viele sind nicht nur „geladen“, unzählige Gastronomen, Händler, Gewerbetreibende stehen mit dem Rücken zur Wand, stehen vor dem geschäftlichen Ruin. 17 000 Mitglieder zählt ein weiteres Netzwerk der Händler #handelstehtzusammen. Corona-Kollateralschaden, millionenfach!

„Wir haben keine Coronakrise, sondern eine Maßnahmenkrise“, erklärt Zahnarzt Dr. Georg Kustermann in seinem Video. Das Video des 58-Jährigen aus Kolbermoor wurde 310 000 mal aufgerufen. „Runter von der Couch“, bittet ein Maschinenbauer seine Kollegen. Biobäcker Michael Schwarzmaier appelliert an seine Kollegen: „Wir müssen mutiger werden! Nur den Mutigen die Zukunft.“ Die Coronapolitik hat anfangs Einzelhandel, Gastronomie, Tourismus und Kultur besonders hart getroffen. Jetzt ist die „Maßnahmenkrise“ auch in Produktion und Handwerk angekommen, berichten die Unternehmer. Lieferungen kommen nicht. Material und Waren fehlen.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) 'entsetzt'

Politik, Verbände und Medien helfen nicht. „Die Verbände sind viel zu nah an der Politik und nicht bei den Mitgliedern an der Basis“, hat Fotografin Barbara Obermaier festgestellt. Die Politik sei ganz weit weg von sterbenden Innenstädten und leeren Geschäften. Auch die Medien zeigen für die regionale Wirtschaft nur mäßiges Interesse.

Bei der jüngsten Kundgebung von #wirstehenzusammen im Rosenheimer Mangfallpark fand sich ein beeindruckendes Polizeiaufgebot ein. „Friedliche Kundgebung für den Mittelstand in Rosenheim“ berichtet immerhin der Bayerische Rundfunk. Das Oberbayerische Volksblatt (OVB) titelt dagegen zur Unternehmerinitiative über „Eskalation in Telegram-Gruppe: CSU-Bundestagsabgeordneter mit dem Tod bedroht“. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) zeige sich, mit Recht, „entsetzt“…

Das Absterben, das Leiden des Mittelstandes entsetzt sie allerdings weniger.

Für die, die keine Kraft mehr haben...

„Als Unternehmerin überlegt man sich immer gut, ob man sich öffentlich politisch äußert. Man verliert immer Kunden“, sagt Brigitte Meier. Dieses Risiko nimmt sie in Kauf. „Unser Haus wird die Pandemie wirtschaftlich überstehen – mein Großvater hat zwei Weltkriege gestemmt.“ Aber Brigitte Meier spricht nicht nur für sich allein. Sie spricht auch für die vielen Betriebe mit ihren vielen Mitarbeitern, die keine Kraft mehr dazu haben. Weder psychisch noch finanziell.

„Wir wollen nicht weiter mit Willkür gegängelt und schikaniert werden“, so Brigitte Meier. Und weiter: „Die Regierung hat es sich in vielen Bereichen viel zu einfach gemacht. Es werden einfach Betriebe geschlossen. Nach dem Motto: „Sollen die doch sehen, wo sie bleiben. Es wird nicht untersucht, mit welchen kleinen, feinen Maßnahmen das Geschäft möglich ist.“ Stattdessen würden Unsummen von Überbrückungsgeldern in die Wirtschaft gepumpt. Eine Art „Sterbebegleitung“ für viele. Eine Art Ablasshandel der Politik.

Forderungen der Unternehmerin

Die Münchner Geschäftsfrau fordert die Öffnung der Geschäfte, Gastronomie, Hotels, Museen, Theater, Konzerthäuser, Sportstätten mit ihren jeweiligen im Sommer 2020 bereits bewährten Hygienekonzepten – „ohne schikanöse Auflagen wie Tests oder wahnsinnige m²-Einschränkungen im Handel mit 40 qm per Kunden!“

Sie fordert eine inzidenzunabhängige Öffnung.

Und es sei ja wohl nachgewiesen, dass der Handel und die Gastronomie nicht die Pandemietreiber sind, sonst wären im November und Dezember sofort die Zahlen gesunken. Der Feldversuch wurde gemacht!

'Es müssen Profis ran!'

Die Gastronomie ist geschlossen. Die Leute sitzen dann in gleicher Nähe mit ihrem „To-Go-Essen“ dicht an dicht auf Parkbänken.
Der Handel ist geschlossen. Die Amazon Boten jagen aber mit gehetztem Blick durch die Straßen und die Regierung schaut zu, wie der regionale Handel damit abgeschafft wird.

Maßnahmen, die so naheliegend wären, wie die Erfassung bei positiven Testergebnissen entsprechend der Branche, der Arbeitswelt, der möglichen Ansteckung würden bis heute nicht durchgeführt. „Das kann ich einfach nicht fassen. Und es wird dann gefaselt, dass dies aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei. Da ist die Regierung plötzlich feige! Bei existenzvernichtenden Maßnahmen verlässt sie nicht der Mut.“

„Die Regierung hat es zu verantworten, dass sich immer mehr Menschen vom Staat abwenden. Menschen, die bislang verantwortlich gearbeitet haben, Arbeitsplätze boten und brav ihre Steuern gezahlt haben. Sie hat in der Corona-Krise weitgehend versagt.“ Davon ist Brigitte Meier überzeugt.

„Es müssen endlich Profis ran!“, fordert die Geschäftsfrau.

P.S.: Auch der Herausgeber der Tageszeitung DIE WELT, Stephan Aust, hält diese Regierung für die inkompetenteste Regierung seit Jahrzehnten. So viel als Unterstützung für Brigitte Meier.

Die Vorlage für Ihren persönlichen Brief an Ihren Wahlkreiskandidaten finden Sie hier als Download.

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Wer aus seinem beruflichen oder privaten Leben einen „Kollateralschaden“ melden möchte: Vertraulich und persönlich, per E-Mail an [email protected]

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!
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Johanna Wahlig ist Politologin, Journalistin und Unternehmerin. Frank Wahlig ist Historiker und war 30 Jahre lang ARD-Hauptstadtkorrespondent.
 
Bild: privat, Screenshot ARD „Anne Will“ 
Text: Johanna und Frank Wahlig
 

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