Was Berlin von Washington lernen könnte Der wahre Feind der Demokratie

Ein Gastbeitrag von Alexander Fritsch

In den USA passiert, was in Deutschland schon passiert ist: Frustrierte Bürger machen ihrem Ärger auf den Stufen des Parlaments Luft. Der polit-mediale Komplex fällt über die üblichen Verdächtigen her. Aber die autoritäre Mehrheit schadet der freiheitlichen Gesellschaft mehr als eine rebellische Minderheit.

Haben Sie ein Haustier, vorzugsweise einen Hund oder eine Katze? Dann kennen Sie das: Bello oder Muschi sind zwar domestiziert, haben aber immer noch viele der natürlichen Instinkte ihrer Vorfahren in freier Wildbahn.

Dazu gehört, dass sie automatisch nach Fluchtwegen suchen. In buchstäblich ausweglosen Situationen kann auch das friedlichste Haustier aggressiv reagieren. Wenn man einen Hund oder eine Katze zu sehr in die Ecke drängt, dann beißt er, und sie kratzt.

Das wird noch wichtig, Sie werden sehen.

Ich bin gegen Gewalt

Gewalt, einerseits, erzeugt immer Angst: beim Opfer. Gewalt, andererseits, ist immer auch ein Ausdruck von Angst: beim Täter. Wer seinen Epikur gelesen hat, der weiß, dass des Menschen Lebensglück maßgeblich von der Überwindung der Furcht abhängt. Angst führt zu Gewalt, so oder so, und Gewalt macht unglücklich.

Der freiheitliche demokratische Rechtsstaat sollte ein Instrument sein, das Zusammenleben der Menschen möglichst gewaltfrei und auch möglichst angstfrei zu organisieren.

Der Rechtsstaat schützt physisch

Das Gewaltmonopol des Staates soll dazu führen, dass man möglichst wenig Angst davor haben muss, Opfer von Gewalt zu werden. Es gilt, jedenfalls in der Theorie, die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren. Gewalt darf nur der Staat anwenden und auch der nur in engen juristischen Grenzen.

Die freiheitliche Demokratie schützt ideell

Die Meinungs-, die Rede- und auch die Religionsfreiheit sollen dazu führen, dass man möglichst wenig Angst davor haben muss, so zu leben, wie man es für richtig hält – das zu denken, das zu sagen und das zu glauben, was man will. Es gilt, jedenfalls in der Theorie: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden.“ Eine Zensur findet nicht statt (Art. 5 GG), Meinungen werden nicht unterdrückt, der Glaube ist Privatsache.

Die Praxis sieht anders aus.

Facebook und Twitter gleiten immer mehr in eine schier unfassbare Anmaßung ab. Sie blockieren Meinungen, als seien sie das Ministerium für Wahrheit. Sie schalten sogar amtierenden Staatschefs die Konten ab.

In Deutschland werden sie dabei von Anhängern staatlicher Zensur wie Heiko Maas unterstützt. Dessen „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ (NetzDG) von 2017 war der wohl schlimmste Angriff auf die Meinungsfreiheit nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist immer noch in Kraft.

Angespornt durch solche Beispiele, versteht sich auch ein eher kleines Licht wie die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung mittlerweile als Hüterin des rechten Glaubens: Sie veranstaltet eine Diskussion über „Cancel Culture“ – und cancelt den Moderator, weil er für einen Dialog auch mit Rechtspopulisten eintritt.

Unsere westlichen Taliban sorgen zudem für eine fortschreitende Ideologisierung von Alltagssprache: Es wird zwangsweise gegendert, in Berlin gibt es sogar schon politisch korrekte Sprachvorschriften für Beamte.

All das folgt Antonio Gramscis Konzept der „kulturellen Hegemonie“. Wir erleben eine sukzessive Beschränkung des Machbaren, des Sagbaren – und schließlich des Denkbaren. Am Ende steht anstelle des demokratischen Interessenausgleichs dann Angela Merkels „alternativlose“ Politik: das Durchregieren.

Das ist nicht nur eine demokratische Zumutung, es ist ein Oxymoron. Erkenntnis lebt vom Widerspruch. Demokratie lebt vom Streit. Politik lebt von Alternativen.

Die autoritäre Mehrheit schadet der Demokratie mehr als eine rebellische Minderheit

Derzeit gehören in Deutschland geschätzt etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Menschen zum gesellschaftlichen Mainstream. Die Minderheit – ein Viertel bis ein Drittel – wird vom Mehrheitskartell immer stärker bedrängt und in ihrer Entfaltung immer stärker behindert und beschränkt.

Das gilt handfest finanziell

Eine immer kleinere Gruppe von Menschen, die in der Wertschöpfung arbeiten, muss eine immer größere Gruppe von Menschen finanzieren, die selbst an dieser Wertschöpfung nicht mitwirken. In Deutschland sind inzwischen wohl mehr Menschen im unproduktiven Teil des Öffentlichen Dienstes tätig als in der Privatwirtschaft: in der Politik, in der Verwaltung, bei Staatsbetrieben, bei staatlich finanzierten und daher politisch abhängigen Stiftungen, Instituten oder sogenannten NGOs sowie im öffentlich-rechtlichen Medienbetrieb.

Diese Leute lassen sich von anderen alimentieren, denen sie dann auch noch vorzuschreiben versuchen, wie man zu denken, zu reden, zu glauben und überhaupt zu leben hat. Und dann wundern sie sich, dass die so Ausgepressten und Bevormundeten irgendwann aufbegehren.

Das gilt noch mehr kulturell

Sie können im Deutschland des Jahres 2021 tatsächlich Ihre Meinung nur noch dann wirklich frei sagen, wenn Sie weit genug oben in der Nahrungskette sitzen – wie Springer-Chef Mathias Döpfner, der es sich ohne Verlustängste leisten kann, ab und zu einen Kommentar gegen den Mainstream zu schreiben. Oder wenn Sie weit genug unten in der Nahrungskette sitzen und gar nichts mehr haben, vor dessen Verlust Sie sich fürchten müssten. Oder wenn Sie Ihre Meinung anonym verbreiten.

Wenn Sie es aber nicht anonym tun und auch nicht Mathias Döpfner heißen: Dann riskieren Sie mediale Ächtung (fragen Sie Xavier Naidoo). Mindestens. Manchmal riskieren Sie auch Ihren Job (fragen Sie Hans Joachim Mendig). Und zwar nicht etwa, weil Sie zu Straftaten aufgerufen hätten – sondern einfach nur, weil Sie eine Meinung haben, die dem polit-medialen Komplex nicht gefällt. Oder weil Sie mit einem demokratisch gewählten Europaabgeordneten beim Mittagessen waren. Kein Scherz: Das reicht heute, um von einer grünen Landesministerin (sekundiert von einem öffentlich-rechtlichen Medienhaus) gefeuert zu werden.

Dabei ist die Argumentationskette (wenn man sie denn überhaupt so nennen will, ohne sich zu schämen) denkbar einfach: Wer Kritik am Mainstream übt, ist rechts. Rechts ist Nazi. Nazi ist verboten und muss unerbittlich bekämpft werden.

Wer also den Mainstream kritisiert, muss unerbittlich bekämpft werden

Wahrscheinlich würde das noch nicht einmal so sehr auffallen, wenn alle Minderheiten gleich schlecht behandelt würden. Werden sie aber nicht – im Gegenteil: Bestimmten Minderheiten werden Privilegien zugestanden, selbst wenn sie dem Mainstream inhaltlich gar nicht nahestehen. Aus Gründen, die man wohl nur noch sozialpsychologisch verstehen kann, hat das Mehrheitskartell diese Gruppen aber quasi adoptiert und gewährt ihnen eine Vorzugsbehandlung:

  • In Sachsen werden Sonntagsspaziergänger auf Rodelpisten von der Polizei verfolgt. In Berlin fragt man sich derweil, weshalb die Corona-Abstandsregeln nicht auch in den hunderten Hinterhofmoscheen kontrolliert werden. Mag es damit zu tun haben, dass man das Recht vorzugsweise dort durchsetzt, wo es absehbar einfach ist?
  • Bundesweit soll die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Ebenfalls bundesweit fragt man sich, weshalb die SED/PDS/Linke, die verfassungsfeindliche Ziele in ihr Parteiprogramm geschrieben hat, nicht beobachtet wird. Mag es damit zu tun haben, dass selbst die CDU mittlerweile mit der SED/PDS/Linken politische Geschäfte macht?
  • Bundesweit werden friedliche Demonstranten gegen die Corona-Beschränkungen von der Polizei teilweise regelrecht gejagt. Im Dannenröder Forst fragt man sich derweil, woher bloß die Nachsicht der Staatsmacht mit gewaltbereiten illegalen Besetzern eines Privatgeländes kommt. Mag es damit zu haben, dass die sich „Umweltaktivisten“ nennen?
  • Im Bundestag beschweren sich die Grünen, weil die AfD auch ganz normale Bürger ins Gebäude einlädt. Im selben Bundestag loben die Grünen klimabewegte Eindringlinge, die das Podium (!) besetzen. Mag es damit zu tun haben, dass man einfach nur keine Kritiker mehr im Haus haben möchte?

Und dann wundert man sich, wenn sich Menschen radikalisieren?

Wer in Deutschland nicht zum Mehrheitskartell gehören will, kann inzwischen kaum noch Respekt erwarten. Beschimpfung ist der neue Standard im Umgang mit Kritik.

  • Man wird als „Covidiot“ beschimpft – obwohl man nur auch all jene Experten ernst nimmt, die die Regierungsmaßnahmen kritisieren.
  • Man wird als „Corona-Leugner“ beschimpft – obwohl man lediglich mehr Sorge um die Grundrechte hat als Angst vor einem Virus.
  • Man wird als „Europa-Feind“ (wahlweise als „Impf-Nationalist“) beschimpft – obwohl man nur die EU-Bürokratie kritisiert. Das ist ungefähr so sinnvoll, als würde man einem Lehrer, der einem Schüler für eine miserable Arbeit eine „5“ gibt, hinterher dann vorwerfen, er sei kinderfeindlich.

Die fortschreitende Ausgrenzung und Verächtlichmachung, ja Demütigung von vielen Millionen Menschen durch ein selbstgerechtes Kartell, das Mehrheit mit Wahrheit verwechselt, Bildung mit Charakter und Ideologie mit Moral:

Das führt bei der Minderheit zum Gefühl der Ausweglosigkeit und Angst

Und letztlich zu Gewalt. In den USA gibt es mehr Schusswaffen als Einwohner, da ist diese Entwicklung einstweilen noch ungemütlicher als bei uns. Und Deutschland hat keinen Trump, der die Ausgegrenzten und Gedemütigten und Abgehängten hinter sich versammelt. Noch nicht. Aber so oder so:

Die Steinmeiers und Merkels, die Habecks und von der Leyens, die Böhmermänner und Klebers: Mit ihrer selbstherrlichen, intoleranten und autoritären Attitüde gegenüber Andersdenkenden höhlen sie unsere Demokratie nachhaltiger aus, als ein paar Wütende auf den Stufen eines Parlaments es jemals könnten.


 

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Alexander Fritsch, Jahrgang 1966, studierte Volkswirtschaft und Philosophie in Frankreich und Deutschland und arbeitet seit 25 Jahren als Journalist. Außerdem berät er als Business Coach Unternehmen und Verbände, vorrangig bei den Themen Kommunikation und Strategie.

 


Bild: Alfred Nesswetha/Shutterstock
Text: Gast

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