Wegen Masken-Streit: Schaffner schmeißt Mario Barth raus Trinken im ICE nur noch mit Maske?

Eine der schlimmsten Erfahrungen, die ich als junger Westdeutscher in der Sowjetunion machte, war es, dass man als Gemeinsterblicher ständig anderen ausgeliefert war. Von der Gunst der Verkäuferinnen hing es ab, ob man begehrte Ware wie Nudeln oder Milch bekam, die Tankwartinnen – „Königinnen der Zapfsäule“ genannt – entschieden, ob man an die Mangelware Benzin kam, und vom Schaffer hing es ab, ob er die Gnade hatte, einen in den Zug zu lassen. Meine Grunderfahrung damals: Je weniger Macht die Leute eigentlich hatten, je weiter unten sie in der Hierarchie waren, umso mehr Freude hatten sie oft daran, diese Macht auszuspielen. „Bei uns im Westen“, so erzählte ich damals meinen sowjetischen Freunden, „da ist das nicht so. Im Rechtsstaat hat der einzelne nicht so eine Macht, und die Menschen würden sich das auch nicht gefallen lassen.“

30 Jahre später kam Corona und meine Weisheiten von einst zerplatzten in der Luft wie Karl Lauterbachs Aussagen, wenn man sie auf ihren Sachgehalt prüft. Mit Corona haben Verkäuferinnen, Kellner und auch Schaffner eine neue Macht, die vorher undenkbar war. Und zumindest einige spielen diese aus. Möglicherweise auch der Schaffner, auf den der Comedian Mario Barth in einem ICE gestoßen ist.

Obwohl die Corona-Beschränkungen nach und nach fallen und in zivilisierteren Staaten als Deutschland bereits Vergangenheit sind, haben sie bei uns zumindest den öffentlichen Personenverkehr noch fest in der Hand – in Form der Maskenpflicht. Wer die nicht penibel erfüllt, muss damit rechnen, rausgeschmissen zu werden. So wie jetzt Barth passiert, der mit Begleitung im ICE nach Frankfurt am Main fuhr. Der Schaffner nutzte sein „Hausrecht“ und sorgte dafür, dass der bekannte Fahrgast von Beamten der Bundespolizei aus dem Zug gebracht wurde.

Barth verewigte die Szenen, die auf die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Schaffner folgten, in einem Video und stellte es auf Facebook. „Trotz seiner betont ruhigen und gewohnt pointierten Aussagen wird dabei deutlich, dass ihm die Sache an die Nieren geht“, schreibt FOL: „Wiederholt stellt er fest, dass es [sich] hier um Willkür handele. Auch rechtliche Konsequenzen kündigt Barth bereits vor dem Verlassen des Zuges an.“ Zu dem Vorwurf, er habe keine Maske getragen, sagt Barth: „Die ganze Zeit hatte ich eine an. Aber wenn ich trinke, so hat man mir das gesagt, darf ich die Maske abmachen.“ Sonst sei sie nachher noch nass.

Der Comedian war vorher bereits aus dem Zug live auf Instagram. Dazu hatte er in dem Zug das abgenommen, was Focus Online in dreistem Framing einen „Mund-Nasen-Schutz“ nennt, was aber keiner ist. Eine normale Sache – für einen Video-Aufsager seine Maske abzunehmen. Selbst in der Bundespressekonferenz wurde das, nachdem mich ein junger und naiver Kollege denunziert hatte, später akzeptiert. Nicht so offenbar von dem allmächtigen Schaffner. Barth jedenfalls glaubt, dieses Video war der Auslöser des Einsatzes: „Weil ich das Video gemacht habe ohne Maske. Das hat er dann gesehen, sonst wüsste er ja nicht, dass ich ein Live-Video gemacht habe. Der wird das gesehen haben.“

Die Polizei hält zum Schaffner und setzt das Hausrecht durch: Barth muss raus. Er betont noch einmal: „Halten wir also fest, dass der Zugführer dieses Zuges jetzt das Hausrecht in Anspruch nimmt und mich des Zuges verweist, weil er der Meinung ist, dass ich beim Trinken keine Maske hatte. Sehe ich das richtig?“ Einer der Polizisten bestätigt: „Das sehen Sie richtig.“ Der Streit könnte also in den nächsten Tagen noch die Justiz beschäftigen.

Mich machen solche Szenen rasend. Ich habe es selbst schon erlebt, dass mich eine Zugbegleiterin anschnauzte, weil ich in einem verschlossenen Abteil, in dem ich allein saß, die Maske abgenommen hatte, um zu essen. Sie meinte, zwischen den Bissen müsse ich sie aufsetzen. Diese strikte, absurde Durchsetzung von unsinnigen Regeln im Kadavergehorsam, oft verbunden mit dem genüsslichen Ausspielen eines kleinen Fetzens Macht, ist zutiefst erschreckend. Und einer Demokratie unwürdig.

Germania, quo vadis?

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Bild: Stefan Brending / Lizenz: Creative Commons CC-BY-SA-3.0 de
Text: br

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