Dass die Opposition klare Vorbehalte gegen den Haushalts-Kompromiss der Ampel haben würde, war vorhersehbar und ist keine wirkliche Überraschung. CDU-Chef Friedrich Merz polterte denn auch, dass wieder nur ein „klempnernder Kanzler“ am Werk sei. „Es ist eine vorhersehbare Notlage, die Sie spätestens Mitte des Jahres in Anspruch nehmen müssen“, rief er heute im Bundestag ins Plenum, wo die Aufregung bei den Regierungs-Abgeordneten zeigte, wie blank die Nerven liegen. Die Planung der Ampel würde fast zwangsläufig zu einem Aussetzen der Schuldenbremse führen – also genau zu dem, was die Ampel angeblich nicht tun will. „Diesen Trick lassen wir Ihnen nicht durchgehen“, so Merz.
Ausgerechnet aus den Reihen der Regierung selbst bekommt der Oppositionsführer nun aber Unterstützung für seine Kritik. Die Auslagerung von Milliarden-Zahlungen an Flutopfer sei verfassungsrechtlich heikel, die Einigung stehe auf verfassungsrechtlich dünnem Eis, sagte der FDP-Haushälter Frank Schäffler der „Bild“.
Der Hintergrund: Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Ampel haben erneut Milliarden Euro außerhalb des regulären Bundeshaushaltes in Sondervermögen gepackt. Und umfahren damit erneut großräumig die grundgesetzlich vorgeschriebene Schuldenbremse. Im Detail: Die Hilfsgelder des Bundes für den Wiederaufbau in der Flutregion in Rheinland-Pfalz und NRW („Ahrtal-Hilfe“) wurden als „Notfall“ deklariert und in ein Sondervermögen gepackt, wie die „Bild“ erklärt.“
Dabei sind diese seit zwei Jahren geplanten Hilfszahlungen für die Folgen der Flut vom Sommer 2021 im Jahr 2024 eben kein akuter Notfall mehr, findet der Liberale Schäffler: „Die Ahrtal-Katastrophe rechtfertigt eine Aussetzung der Schuldenbremse nicht. Ich glaube nicht, dass das rechtlich und politisch durchsetzbar ist.“
Die Opposition und der FDP-Politiker stehen mit ihrer Kritik nicht alleine. Der Jura-Professor und Haushaltsexperte Hanno Kube von der Uni Heidelberg sagte dem Bericht zufolge: „Ein Notlagenbeschluss wegen der Ahrtal-Flut würde ohne Not ein verfassungsrechtliches Risiko begründen. Denn die Ahrtal-Ausgaben des Bundes sind 2024 nicht erheblich, wie es die Notlagenklausel verlangt. Zudem sind sie vorhersehbar und planbar.“
Auch Jan Klement, Jura-Professor an der Uni Freiburg, stößt in der „Bild“ ins gleiche Horn: „Im Verhältnis zum Gesamthaushalt von mehr als 400 Milliarden Euro nehmen sich die 2,7 Milliarden Euro für die Bewältigung der Ahrtal-Krise eher bescheiden aus. Da sind schon Zweifel angebracht, ob der katastrophenbedingte Finanzbedarf wirklich den Gesamthaushalt spürbar belastet.“
Der Hintergrund: Die Regelung im Grundgesetz soll vermeiden, dass Regierung und Parlament alle möglichen Notlagen und Katastrophen zusammenkratzen, um damit dann die Schuldenbremse auszuhebeln. Der Verfassung zufolge darf die Schuldenbremse nur dann angetastet werden, wenn eine Notlage den Staat grundlegend finanziell ins Wanken bringt.
Das ist bei den 2,7 Milliarden für die Ahrtal-Hilfe nach Ansicht der Kritiker und Experten aber nicht der Fall. Die Folge: Auch dieser Haushalt wäre dann verfassungswidrig – genauso wie der vorherige, den das Bundesverfassungsgericht Scholz und Lindner wegen ähnlicher Tricksereien um die Ohren gehauen hat.
Alte Kader = altes Spiel?
Besonders pikant: Bei den Verhandlungen war Werner Gatzer anwesend. Er war schon unter Scholz Finanzstaatssekretär und hat dann unter Lindner die Tricksereien ausgeheckt, die von Karlsruhe abgestraft wurden. Nach dem Karlsruher Urteil entließ Lindner den Trick-Staatssekretär. Aber durfte er jetzt schon wieder tricksen?
„Wie dünn das Eis ist beim Ahrtal-Trick für 2024, scheinen auch die Ampelmänner selbst zu wissen“, findet die „Bild“: „Kanzler Scholz hatte vor der Presse an die Union appelliert, dies mitzutragen.“
Zu dem offenbar faulen Kompromiss gehört auch die Ukraineformel zur Schuldenbremse. Danach wollen sich die Koalitionäre ermächtigen lassen, diese auszuhebeln, wenn eine besondere Notsituation in Sachen Ukrainekrieg eintrete. Das werde fast zwangsläufig der Fall sein, unkte Merz im Bundestag.
Die Lage bei der Kompromissfindung bis morgens um fünf Uhr war offenbar so chaotisch, dass die Koalitionäre auch Stunden nach der Einigung noch nicht in der Lage waren, ihre Beschlüsse schriftlich vorzuweisen.
Es bleibt das, was man in Schwaben ein „Gschmäckle“ nennt: Der ungeheuerliche Verdacht, dass die Koalitionspartner, kaum auf frischer Tat von den Karlsruher Richtern beim Tricksen überführt, weiter tricksen.
Warum bloß würde einen das bei Scholz nicht im Geringsten wundern?
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