Gelbe Abzeichen für Geimpfte: US-Filmstar James Woods entsetzt Man wollte ja nur helfen – Ein Moerser Apotheker ohne Geschichtsbewusstsein

Von Alexander Wallasch

Woran liegt das eigentlich, dass gestandene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens intellektuell immer öfter massiv überfordert scheinen? In der niedersächsischen Stadt Braunschweig beispielsweise brachte die CDU nicht einmal mehr einen Bürgermeisterkandidaten aus den eigenen Reihen zustande, da musste ein parteiloser Kandidat die Lücke füllen, aber trotz Aufspeckung durch eine örtliche Werbeagentur erwies sich der Kandidat als Rohrkrepierer.

Aber man kann alles noch toppen: Was gerade ein paar verdienten Geschäftsleuten aus Moers um die Ohren geflogen ist, da fragt man sich wirklich, wie so etwas einem Apotheker mit Doktortitel, einem Seniorenbeiratsvorsitzenden, der zudem Vertreter eines Sozialverbandes ist, und dem Vorstand eines Initiativkreises-Moers passieren kann, was schnell vom regionalen zum überregionalen Aufreger wurde:

Die Genannten wollten sich und ggf. ihre Stadt dadurch in den Fokus des öffentlichen Interesses stellen, dass sie Geimpften einen gelben Anstecker an die Jacke pinnen wollten als Zeichen, dass der Träger gegen Corona geimpft sei.

Warum das überhaupt keine gute Idee sein kann, erfuhren die drei Impfplakettenbauer – zweitausend Stück wurden schon in Auftrag gegeben – vom weltbekannten Hollywood-Superstar James Woods höchstpersönlich. Der nämlich hörte wohl über irgendwelche Kanäle von den Plänen aus Nordrhein-Westfalen und fragte via Twitter:

„Yellow badges in Germany… Is history no longer taught there?” (Gelbe Abzeichen in Deutschland. Wird Geschichte hier nicht mehr gelehrt?).

James Woods ist übrigens, neben exzellenten Rollen in Hollywoodblockbustern, in Deutschland vor allem in einer Rolle bekannt geworden: Als Karl Weiss in der Serie “Holocaust: Die Geschichte der Familie Weiss”. Für viele Deutsche wurde die Serie Ende der 1970er Jahre zum Initial, überhaupt zum ersten Mal darüber nachzudenken, was Deutsche Juden angetan haben, als sie ihren Mitbürgern gelbe Sterne mit der Aufschrift “Jude” verpflichtend an die Jacken hefteten und sie anschließend millionenfach ins Gas schickten.

Gerade standen die drei Moerser noch gemeinsam im Sakko auf der Straße und hielten der örtlichen Presse den gelben Button in die Kameras, jetzt der Rückzieher: „Dass die Assoziation jetzt entsteht, verstehe ich”, sagt einer von ihnen. „Das ist mir sehr unangenehm und ich bedauere es.“

Erschreckend ist hier die – drücken wir es versuchsweise höflich aus – Naivität, gepaart mit einem provinziellen Sendungsbewusstsein und dem Wunsch, irgendeine Sau durchs Dorf zu treiben – wohl einfach, weil man sich dazu berufen fühlte, beispielsweise als Spross einer angesehenen Apothekerfamilie.

Und damit wurde noch nicht einmal darauf geschaut, dass besagte Apotheke im Nebenerwerb auch ein “Corona-Schnelltestzentrum” betreibt und als Apotheke auch an der Verteilung der Impfstoffe entsprechend mitverdient. So wie dem Einzelhandel prinzipiell an einer maximalen Durchimpfung gelegen ist, um jedwede geschäftsschädigenden Corona-Maßnahmen zu verhindern.

So typisch neu-deutsch, so beflissentlich, so daneben

Nur ein gedanklicher Unfall oder eine grassierende Dummheit unserer Zeit? Auf jeden Fall wohl ein Defizit an Geschichtsbewusstsein, welches man noch dazu bei Akademikern nicht erwartet hätte – mindestens einer der Macher trägt einen Doktor-Titel. Der allerdings war hier augenscheinlich alles andere als ein Garant für Allgemeinwissen und schon gar nicht für Geschichtsbewusstsein.

An dem Anti-Atomkraft-Sticker wollte man sich orientiert haben, lautet anschließend eine Entschuldigung: Auf den Buttons ist eine rote Spritze zu sehen, drumherum steht: “Impfen? Ja bitte! Ich bin geimpft.”
Wer sich also mittlerweile an die “Impfen ist Liebe”-Botschaften der Antifa gewöhnt haben mag, der bekommt jetzt aus der Apotheke in Moers noch einen Aufschrei obendrauf, der so schrill ist, dass erst ein Weltstar aus Hollywood auf den Plan gerufen werden musste, diese Moerser Aktion ernsthaft zu rügen.

Die Macher haben jetzt zurückgezogen. Ihre 2.000 noch nicht verteilten Buttons werden entsorgt. Aber was kann die Lehre daraus sein?

Vielleicht erschreckender als die Aktion selbst ist die Kette der vorgeschobenen Unschuld und ein Denkverweigerungsdomino bis hinauf in die Funke-Mediengruppe, wo die Neue Ruhr Zeitung von der Aktion berichtet hatte, ohne auch nur in einem einzigen Satz an der Idee der drei Moerser zu zweifeln – Journalismus seiner Handwerkszeuge beraubt.

Die Zeitung schreibt brav zu einem Foto der drei Herren, auf dem diese ihre gelben “Haltungs-Buttons” in die Kameras halten: “Sie erinnern ein wenig an die Atomkraft? Nein, danke!-Buttons, die Mitte der 1970er Jahre in den Umlauf kamen.”

Wirklich nur daran? Nein, wenn Denkverweigerung zu einem kollektiven Geschehen wird, dann wird daraus schnell eine gefährliche Dummheit, wenigstens die Redakteure hätten die Moerser Impf-Aktivisten rund um den Inhaber von Apotheken im Örtchen auf den drohenden Gau hinweisen können. Aber die Zeitung sah es wohl selbst nicht, reagierte erst nach den Protesten mit einer kritischen Berichterstattung.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

Bild: Screenshot NRZ, 11.10.2021
Text: wal

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