„Ordner“ auf Querdenken-Demo war linker Aktivist Eklat war offenbar gezielte Aktion

Die Szene sorgte bundesweit für Schlagzeilen und ließ in den sozialen Netzwerken die Gemüter hochkochen: Ein „Ordner“ verließ am Samstag bei einer Anti-Corona-Maßnahmen-Kundgebung auf dem Opernplatz in Hannover empört die Szene, als eine Rednerin sagte, sie fühle sich wie das Nazi-Opfer Sophie Scholl. Der Mann unterbrach die Rednerin, warf ihr vor, sie verharmlose den Holocaust und zog demonstrativ seine Weste aus: „Für so einen Schwachsinn mache ich keinen Ordner mehr. Das ist mehr als peinlich.“ Jetzt stellt sich heraus: Der angebliche Ordner hatte sich offenbar eingeschleust und stammt aus der linksradikalen Szene.

„Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten hier aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde“, sagte die 22-jährige Rednerin Jana aus Kassel auf der Querdenken-Demo (anzusehen hier). Die großen Medien machten aus dieser Aussage verkürzend, dass sich die junge Frau mit der Widerstandskämpferin verglichen habe. Die Parallelen zu Sophie Scholl seien verantwortungslos, die Gleichsetzung mit der Vertreterin der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ in der NS-Zeit beschämend, so die Reaktion in den sozialen Netzwerken. Außenminister Maas (SPD) schrieb, solche Vergleiche zeigten „eine unerträgliche Geschichtsvergessenheit“.

Ich persönlich finde jede Gleichsetzung aktueller Ereignisse mit der Nazi-Zeit unpassend und lehne sie ab. Genauso lehne ich allerdings die Doppelmoral ab, die heute so weit verbreitet ist und für die auch Heiko Maas steht: Viele haben kein Problem damit, selbst den Nationalsozialismus zu instrumentalisieren und Menschen, die den Regierungskurs kritisieren, als Nazis zu bezeichnen – hyperventilieren dann aber, wenn ihre Widersacher umgekehrt das Gleiche tun. Allen Seiten täte da eine verbale Abrüstung sehr gut. Man kann den Corona-Maßnahmen durchaus sehr kritisch gegenüberstehen, ohne sie mit den Aktionen der Nationalsozialisten gleichzusetzen. Völlig legitim ist es dagegen, auf gewisse erschreckende Ähnlichkeiten bei gewissen Entwicklungen und Mechanismen hinzuweisen. Darauf, dass auch in Diktaturen die verheerenden Prozesse meist schleichend stattfanden, dass man deshalb den Anfängen wehren und wachsam sein muss als Lehre aus der Geschichte, dass auch heute keine Garantie dafür besteht, dass besorgniserregende Entwicklungen in Sachen Demokratie und Grundrechten nicht zu neuen Abgründen führen können. Dies ist aber etwas anderes als eine leichtfertige Gleichsetzung, die letztendlich kontraproduktiv ist, wenn es darum geht, Menschen auf aktuelle Probleme aufmerksam zu machen.

Bei Querdenker-Veranstaltungen kann oft jeder auf der Bühne zu Wort kommen, der das wünscht. Auch deshalb ist es in meinen Augen höchst manipulativ, wenn die großen Medien unisono wie beim Hundekommando „Fass!“ einen Ausrutscher einer jungen Frau auf einer Demonstration in der Provinz zur Staatsaffäre hochschrauben. Und so tun, als sei dies weitaus gefährlicher für unsere Demokratie als die bisher beispiellose Einschränkung von Grundrechten im Zuge der Corona-Maßnahmen und das neue Corona-Gesetz. Hier sind völlig die Maßstäbe verrutscht, hier werden Journalisten zu Agitatoren der Regierung. Dies wiegt umso schwerer, wenn die Medien-Kampagnen Hand in Hand gehen mit Aktionen linker Aktivisten.

Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), zu dessen Miteigentümern die SPD gehört, hatten sich in Hannover Mitglieder der linken Szene unerkannt unter die „Querdenken“-Demo gemischt: „Einer dieser falschen Ordner soll der Mann gewesen sein, welcher der Rednerin sein Leibchen gab. Er soll auch bei vielen anderen Demonstrationen in Erscheinung getreten sein. Die Inszenierung habe offenbar vorführen sollen, dass die ‘Querdenker‘-Bewegung gespalten ist.“ Die Polizei Hannover hatte dem Bericht des RND zufolge vorerst keine Hinweise auf eine Manipulation: “‘Das war auch kein Sachverhalt, der eine Maßnahme erfordert hätte.‘ Die Registrierung der Ordner sei Sache der Versammlungsleitung.“

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Bild: Screenshot Youtube
Text: br
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