Von Kai Rebmann
Haben Politiker einen Bildungsauftrag? Eine Frage, die zu anderen Zeiten überhaupt nicht hätte gestellt werden müssen, weil sie sich von selbst verneint, ist heute omnipräsent. Spätestens seit dem Auftauchen von Corona treten die Volksvertreter, insbesondere in Deutschland, gerne im Gewand des Dorfschulmeisters auf. Die hausgemachte Energiekrise hat nun dafür gesorgt, dass Karl Lauterbach (SPD) interne Konkurrenz bekommen hat, wenn es darum geht, das Volk von den eigenen Überzeugungen zu begeistern. Und weil es dafür offensichtlich keine sachlichen Argumente mehr gibt oder nie gab, werden auf Kosten des Steuerzahlers millionenschwere Kampagnen gefahren. Wenn Kollege Lauterbach für bis zu 50 Millionen Euro irreführende Impfbriefe verschickt, dann kann ich das schon lange, mag sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gedacht haben. Ergebnis: Ein einminütiges Video, in dem Schauspieler das Volk zum allgemeinen Verzicht in praktisch jeder Lebenslage aufrufen.
Der Streifen ist Teil einer rund 15 Millionen Euro teuren Werbekampagne, die bis ins Jahr 2025 hinein geführt werden soll. Motto: „Jeder Beitrag zählt. Damit wir gut durch den Winter kommen.“ Ziel: Wohlfühltemperaturen im Wohnzimmer oder Duschen mit warmem Wasser sollen verächtlich gemacht werden. Gegen Ende des Videos dann die vermeintlich wichtigste Forderung: „Lasst uns alle zusammenhalten! Damit wir gut durch den Winter kommen.“ Plötzlich, jetzt wo die Corona-Pandemie auch von immer mehr deutschen Politikern für beendet erklärt worden ist, gibt es für die Bundesregierung also wieder so etwas wie ein „Wir“ und „Zusammenhalt“?
Wehret den Anfängen!
Das ist an Heuchlerei zwar nicht zu überbieten, wäre im Grunde aber verzeihlich. Man ist ja nicht nachtragend. Ganz so einfach ist es dann aber leider doch nicht. Denn: Wir erinnern uns noch allzu gut daran, dass auch Kampagnen wie „Zusammen gegen Corona“ mit ganz ähnlichen Filmchen begonnen haben. Am Ende dieses Weges standen und stehen bis heute Diffamierung und Ausgrenzung Andersdenkender. Wer kann also garantieren, dass die aktuelle Kampagne des Robert Habeck nicht dieselbe verhängnisvolle Richtung einschlägt? Was, wenn am Ende nicht ein Mehr an Zusammenhalt steht, sondern nur noch mehr Spaltung einer ohnehin schon zerrütteten Gesellschaft? Denn die Botschaft, die das vorliegende Video zumindest unterschwellig vermittelt, ist klar: Wer nicht mitmacht, ist ein Außenseiter. Es scheint längst nicht mehr die Frage zu sein, ob es in Sachen Energiesparen zu einem ähnlichen Denunziantentum kommen wird, wie wir es bei Corona gesehen haben, sondern nur noch, wann dies der Fall sein wird. Wird man noch bedenkenlos Freunde zu sich nach Hause einladen können, ohne schiefe Blicke seiner Gäste zu riskieren, weil das Thermometer im Wohnzimmer auf 20 Grad eingestellt ist?
Die grundsätzlich nicht nur legitime, sondern absolut notwendige Debatte über die Energiepolitik hat die Sachebene spätestens mit den Empfehlungen von Winfried Kretschmann (Grüne) verlassen. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg legte den Bürgern nahe, öfter mal aufs Duschen zu verzichten und stattdessen mit einem Waschlappen zu hantieren. Kurz darauf legte die grün-schwarze Landesregierung mit einem ganzen Katalog ähnlich hanebüchener Vorschläge nach. Aber was steckt hinter derartigen Kampagnen, wie wir sie damals aus Stuttgart und jetzt aus Berlin aufgetischt bekommen? Will die Politik vom eigenen Versagen ablenken?
Dieser Verdacht drängt sich vor allem im Fall von Robert Habeck auf. Es wird immer klarer, dass es dem Wirtschaftsminister etwa bei der AKW-Frage nie um sachliche Argumente ging, sondern seine Entscheidung schon von Anfang an feststand. Und dies ist nur eines von unzähligen Beispielen, nach welchen Kriterien in der Ampel-Koalition Politik betrieben wird. Ideologie schlägt Verstand und Evidenz! Und vor diesem Hintergrund erscheint es nur logisch, wenn Habeck 80 Millionen Bundesbürger zum Verzicht aufruft. Denn der Wirtschaftsminister weiß nur zu gut, dass der in Deutschland über Jahrzehnte hinweg aufgebaute Wohlstand und die ideologiebasierte (Energie-)Politik der Grünen im krassen Widerspruch zueinander stehen. Die geradezu demonstrativ verwendete infantile Sprache des Videos wirft zwar die Frage auf, an welche Zielgruppe sich dieses wenden soll, beseitigt aber gleichzeitig auch die letzten Zweifel daran, wie die Bundesregierung über ihre Wähler denkt.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Screenshot YouTube Bundesministerium für Wirtschaft und KlimaschutzMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de