Von Kai Rebmann
Joe Biden und Donald Trump haben eines gemeinsam: Sowohl der amtierende US-Präsident als auch sein Vorgänger sind selten um ein Fettnäpfchen verlegen und liefern ihren jeweiligen politischen Gegnern immer wieder Steilvorlagen. Der wichtige Unterschied: Während bei Trump jede Maus zu einem Elefanten aufgeblasen wurde, apportieren die Medien dem aktuellen Bewohner des Weißen Hauses nach Kräften.
Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Peinlichkeiten und Aussetzer, die regelmäßig Zweifel an Joe Bidens Fähigkeit zur Amtsführung aufkommen lassen. Auch die brisanten Geschäfte der Bidens in China, der Ukraine und anderswo in der Welt werden in der medialen Berichterstattung auf erstaunlich kleiner Flamme gekocht. Im Zentrum dieser vermeintlichen oder tatsächlichen Skandale steht dabei immer wieder Hunter Biden.
Und auch ganz aktuell beschäftigt sich die US-Justiz mit dem umtriebigen Sohn des Präsidenten. Oder besser gesagt, sie sollte es eigentlich. Denn: Jetzt hat sich ein Whistleblower zu Wort gemeldet, der von Beweisen für Steuerhinterziehung in einer Größenordnung spricht, die Hunter Biden durchaus hinter Gitter hätte bringen können. Um das zu verhindern, so der Verdacht, sollen Staatsanwaltschaft und Biden Jr. einen Kuhhandel geschlossen haben.
Verbrechen werden zu Vergehen herabgestuft
Bei dem Informanten handelt es sich um Joseph Ziegler, der seit 13 Jahren als Special Agent beim Internal Revenue Service (IRS) tätig ist und eigenen Angaben zufolge „95 Prozent der Beweise“ in der Steueraffäre um Hunter Biden aufgedeckt hat. Er habe sich im Laufe seiner fünfjährigen Ermittlungen, die er zusammen mit seinem Vorgesetzten Gary Shapley geführt hat, wie „in Handschellen gefesselt“ gefühlt. Gegenüber dem US-Sender „CBS News“ erklärte Ziegler, dass er daran gehindert worden sei, Hinweisen nachzugehen, von denen er glaubte, dass sie auch Joe Biden hätten belasten können.
Den oben beschriebenen Deal, der in der kommenden Woche von einem Bundesrichter in Delaware abgesegnet werden soll, sieht der IRS-Agent sehr kritisch. Ziegler ist überzeugt, dass die bundesstaatlichen Steuerermittlungen schwerwiegendere Erkenntnisse erbracht haben als die Delikte, derer sich Hunter Biden in der kommenden Woche schuldig bekennen will.
Mit anderen Worten: Der Präsidentensohn räumt geringfügige Steuervergehen ein, im Gegensatz werden die weiteren, im Range eines Verbrechens stehenden Vorwürfe abgemildert oder ganz fallen gelassen. Neben Steuerhinterziehung soll es dabei zum Beispiel auch um Verstöße gegen das Waffenrecht gehen.
Ziegler, der sich in dem Interview als Mitglied der Demokraten outet, führt das in einen ganz grundsätzlichen Monolog aus: „Letztlich geht es darum, ob wir alle gleichbehandeln. Behandeln wir alle Steuerzahler gleich? Und in diesem Fall: Nein, das glaube ich nicht!“
Wurden die Ermittler unter Druck gesetzt?
Die Ermittlungen wurden bereits vor fünf Jahren aufgenommen. Im Jahr 2021 hat Ziegler eigenen Angaben zufolge schließlich ein Memorandum verfasst, in dem er vier Staatsanwälten – unter anderem in Kalifornien und Washington D.C. – empfahl, Hunter Biden wegen mehrerer Verbrechen und Vergehen anzuklagen. Biden Jr. soll unter anderem Studiengebühren seiner Kinder oder Rechnungen von Luxus-Hotels in Hollywood rechtswidrig von der Steuer abgesetzt haben. Im August 2022 sei diese Einschätzung dann von allen vier Staatsanwälten bestätigt worden.
Daraufhin soll David Weiss, ein noch von Donald Trump in Delaware eingesetzter Staatsanwalt, Ziegler gegenüber erklärt haben, dass er „mit bestimmten Anklagen“ zwar einverstanden sei, er (Weiss) aber mit „Widerstand von anderen Beamten im Justizministerium“ rechne. Nicht ganz unwichtig: Zu diesem Zeitpunkt amtierte dort bereits der von Joe Biden berufene Justizminister Merrick Garland. Wurde Weiss also zurückgepfiffen?
Der Jurist verneint diesen Verdacht und betont, er habe die absolute Autorität „in diesen Angelegenheiten“ und es sei ihm „nie die Befugnis verweigert worden, in irgendeiner Sache Anklage zu erheben“. Und auch Garland selbst will von einer persönlichen Einflussnahme nichts wissen. Er habe Weiss gestattet, seine Ermittlungen fortzusetzen und gegebenenfalls „auf jede Art und Weise und in jedem Bezirk, in dem er wollte, Strafverfolgung zu betreiben“. Das für Delaware zuständige Büro der US-Staatsanwaltschaft wollte sich gegenüber „CBS News“ nicht zu den Vorgängen äußern.
Doch Ziegler bleibt bei seiner Version und bekräftigte diese in der vergangenen Woche auch vor einem Kommissionsausschuss des Kongresses. Demnach seien Staatsanwälte in Delaware und anderswo daran gehindert worden, Anklage zu erheben oder auch nur weiter in bestimmte Richtungen zu ermitteln. Shapely berichtete zudem von einem Gespräch mit Weiss, in dem ihm dieser davon berichtete, dass sich das Justizministerium geweigert habe, ihn in den Status eines Sonderermittlers zu versetzen.
Aus Washington habe Weiss mitgeteilt: „Nein, wir werden Sie nicht bei der Erhebung von Anklagen in unserem Bezirk unterstützen. Und wir glauben auch nicht, dass Sie diese Anklagen in unserem Bezirk vorbringen sollten.“
Joe Biden und der Geschäftsmann aus China
Um seine Ausführungen über die mutmaßliche Behinderung seiner Arbeit durch das Justizministerium, schildert Ziegler zwei konkrete Beispiele. So habe er Staatsanwälte in Virginia gebeten, sich um einen Durchsuchungsbefehl für eine dort befindliche Lagereinheit von Hunter Biden zu bemühen. Ziel sei es gewesen, Geschäftsunterlagen als potenzielle Beweismittel zu sichern. Ebenso sei es von den Staatsanwälten abgelehnt worden, Hunter Bidens erwachsene Kinder zu der Sache zu befragen. Zur Begründung sei ihm gesagt worden, dass uns solche Anfragen „in Teufels Küche“ (wörtlich: „into hot water“) bringen könnten.
Im zweiten Fall habe Ziegler versucht, an Handydaten zu gelangen, um darüber den Aufenthaltsort von Joe Biden zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr 2017 zu ermitteln. Damals habe Hunter Biden einen chinesischen Geschäftspartner per WhatsApp zur Begleichung einer Zahlung bewegen und diesen mit der Anwesenheit seines Vaters beeindrucken wollen.
Laut Protokoll hatte die Nachricht folgenden Inhalt: „Ich sitze hier mit meinem Vater (und) wir würden gerne verstehen, weshalb die eingegangene Verpflichtung nicht erfüllt wurde.“ Und weiter: „Ich möchte das Problem jetzt lösen, bevor es außer Kontrolle gerät und ‚Jetzt‘ heißt heute Abend.“
Ziegler hat diese Nachricht auf dem iCloud-Konto von Hunter Biden sichergestellt. Unklar blieb allerdings, ob Joe Biden zum Zeitpunkt, als die Nachricht verschickt worden war, sich tatsächlich in dem Raum befunden hat. Der heutige US-Präsident bestritt im Oktober 2020, von den China-Geschäften seines Sohnes gewusst, geschweige denn daran partizipiert zu haben: „Ich habe noch nie in meinem Leben einen Cent von einer ausländischen Quelle genommen.“
Seinen Kampf gegen die Windmühlen der US-Justiz beschreibt Ziegler so: „Jedes Mal, wenn wir Fragen stellen wollten, die möglicherweise den Präsidenten hätten betreffen können, hieß es: ‚Das erfordert zu viele Genehmigungen. Wir können diese Fragen nicht stellen.‘“
Und so seien die Dinge immer wieder auf die lange Bank geschoben und Ermittlungen gegen Joe Biden schon im Ansatz behindert worden, beklagt der IRS-Agent. Während seiner fünfjährigen Tätigkeit als Ermittler für die Steuerbehörde habe er sich daher wie „in Handschellen gefesselt“ gefühlt, so das resignierende Fazit von Joseph Ziegler.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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