Ein Gastbeitrag von Thilo Schneider
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie stehen vor einem Zwinger, in dem etwa 10 ausgehungerte Pitbulls leben. Der Eigentümer des Zwingers hat sie nie erzogen, sie sind komplett verwahrlost, laut und aggressiv. Lediglich in der Ecke kauert eine offensichtlich schwangere Hündin und Sie wissen, wenn diese ihre Welpen zur Welt bringt, dann werden diese – und die Hündin – nicht sehr lange leben. Sie bedauern das Tier und denken sich, mit etwas Pflege und Erziehung wird die Hündin Sie lieben. Eines Tages.
Sie bezahlen einen recht geringen Preis und nehmen die Hündin mit nach Hause. Das Tier ist anfangs verängstigt und versucht, sich mit seiner neuen Gegend vertraut zu machen. Sie stellen die Hündin ihren Kindern vor, vorsichtig schnüffelt das Tier, um dann wieder Abstand zu nehmen. Sie wissen, wenn die Lady zubeißt, dann bringt sie siebzehn Kilopond an Kraft auf die Zähne. Und sie fragen sich, ob es sinnvoll war, die Hündin mit nach Hause zu nehmen. Andererseits wissen sie, dass ein Hund nicht per se böse ist, sondern lediglich Liebe und Fürsorge braucht, um ein treuer Begleiter zu werden und Sie wollen ja auch keine Vorurteile gegenüber bestimmten Hundearten haben.
Sie führen Ihren neuen Begleiter gelegentlich Gassi und zeigen ihm seine neue Umgebung, aber, oh weh, das andere Ende Ihrer Hundeleine verhält sich zunehmend aggressiv gegenüber anderen Hunden. Besonders bei Rüden rastet Ihre Lady vollkommen aus und Sie können sie nur mit Mühe am Halsband festhalten. Sie tadeln die Dame zwar, aber das scheint diese nicht sonderlich zu interessieren. Sie bleibt garstig und unleidlich. Und eines Tages wirft sie. Sechs Welpen. Sehr niedlich. Kleines Problem: Die Hündin lässt Sie nicht in die Nähe ihres Nachwuchses. Sie knurrt Sie an, fletscht die Zähne und Sie und Ihre Kinder gewinnen die Erkenntnis, dass es vielleicht besser ist, Mama Pitbull einfach in Ruhe zu lassen. Wird schon werden.
Es wird auch: Weil Mama Hund Sie nicht in die Nähe der Welpen lässt, was gleichbedeutend damit ist, dass sie auch Sie nicht in ihre Nähe lässt, fällt das Gassigehen flach: Ihre Wohnung wird vollgeschissen und stinkt wie Hulle. Anfangs haben Sie die Haufen noch schulterzuckend aufgewischt, mittlerweile tun Sie es widerwillig und mit wachsendem Zorn. Nach einigen Tagen, die Jungen haben die Augen offen, marschiert Mama Hund aus der Wurfkiste. In Begleitung ihrer Jungen. Sie erkunden die Wohnung und öffnen alle Türen. Und verhalten sich Ihnen gegenüber unnahbar und feindselig, so viel Futter Sie der lustigen Bande auch hinstellen. Viel wird gegessen, einiges in der Wohnung achtlos verteilt. Auf Kommandos reagieren Mutter und Kinder überhaupt nicht und stellen sich taub.
Und Sie sind nicht mehr der Herr im Haus: Liegt Mama Pitbull auf dem Sofa, dann liegt Mama Pitbull auf dem Sofa. Und Sie haben keine Chance, Mama Pitbull, die sie knurrend und feindselig anstarrt, vom Sofa zu bekommen. Das Spiel, bei dem Sie der Verlierer sind, geht einige Monate. Sie freuen sich morgens auf die Arbeit, denn dann können Sie Ihre Wohnung verlassen und Sie denken mit Grauen an den Feierabend, denn da wartet die Mutter der Dämonen mit ihrem Nachwuchs. Einmal denken Sie laut darüber nach, die Hündin einfach wieder in den Zwinger zu bringen, zu den anderen Pitbulls, dürfen sich aber von Leuten, die von Ihrer Misere nicht betroffen sind, Vorträge darüber anhören, warum dies grauenhaft, tierfeindlich und falsch sei, den Hund aus seiner Umgebung zu reißen. Sie erklären, dass sich Ihre Familie tagsüber in der Garage verbarrikadiert und abends die Türen abschließt, was Sie früher nie getan haben, aber es nutzt nichts: Die Abschließerei verunsichert die Tiere zusätzlich, sie können so keine soziale Interaktion außer untereinander lernen und da lernen die das, was ihre Mutter im Zwinger erfahren hat: Der Stärkere gewinnt und auch bei den einst niedlichen kleinen Welpen bildet sich langsam ein Rudelführer heraus. Und das sind nicht Sie.
Ihre Wohnung ist zu einem Gefängnis, zu einem Albtraum geworden. Die einzigen Gänge, die Mama Pitbull noch halbwegs zulässt, sind der Gang auf die Toilette und zum Füllen der Futternäpfe. Sie würden ja gerne die Futtermenge verringern, wollen aber ungern riskieren, dass die Tiere sich eine andere Nahrungsquelle, vorzugsweise Ihre Kinder, suchen. Sie bewegen sich auf Zehenspitzen, um die Hunde nicht zu stören oder zu verärgern, Ihre ganze Erfahrung als Hundebesitzer hat Sie nicht auf diese Situation vorbereitet. Sie haben es nur gut gemeint, wollten ein Hundeleben retten und sehen sich jetzt einer Phalanx aus Haaren und Zähnen gegenüber, die Ihre Aufmerksamkeit und Achtsamkeit fordert und einfordert.
Sicher, Sie haben es einmal versucht, Mama Pitbull mit einer Spritzpistole vom Sofa zu jagen, worauf die Hündin das halbe Sofa derart zerlegte, dass Sie sehen konnten, was mit Ihnen passiert, wenn Sie einen derartigen Versuch ein zweites Mal unternehmen. Sie heuern für viel Geld einen Spezialisten an, der die Hunde erziehen soll, der aber nach zehn Minuten gebissen wird und Ihnen entrüstet erklärt, was Sie alles in der Erziehung falsch gemacht haben. Ihre Vorhaltungen, dass das mit der Erziehung im vorliegenden Fall nicht so ganz einfach war und Sie mittlerweile Angst vor dem Tier haben, quittiert der Spezialist mit einem höhnischen Lachen und der Feststellung, dass Sie zur Hundehaltung völlig ungeeignet sind. Das Problem am Ende der Hundeleine geht stets aufrecht auf zwei Beinen. Da haben Sie Pech gehabt. Sie sind schuld! Ihre Frau ist mit den Kindern schon lange ausgezogen und hat Sie mit Ihren halbwilden Tieren alleine gelassen. Sehen Sie selbst zu, wie Sie klarkommen.
Am Ende des Tages sind Sie Sklave ihrer lustigen Hundemeute und siehe da: Da in der Ecke sitzt einer der mittlerweile geschlechtsreifen Welpen und hat einen überraschend dicken Bauch. Am Futter kanns nicht liegen. Und Sie sehen das gar nicht mal so ferne Ende vor sich: Sie, tot am Boden, wie Sie zerrissen werden. Ihr einziger Trost: Wenn Sie das Futter nicht mehr herbeischaffen, wird sich die Meute am Ende des Tages selbst zerfleischen.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Thilo Schneider, Jahrgang 1966, freier Autor und Kabarettist im Nebenberuf, LKR-Mitglied seit 2021, FDP-Flüchtling und Gewinner diverser Poetry-Slams, lebt, liebt und leidet in der Nähe von Aschaffenburg. Weitere Artikel von Thilo Schneider finden Sie hier unter www.politticker.de. In der Achgut-Edition ist folgendes Buch erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.
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