Der politische Irrsinn schlägt derartige Volten, dass man als Journalist und Chronist gar nicht mehr hinterherkommt. Zumindest, wenn man nicht, wie manche Kollegen, einfach unsortiert jeden noch so nichtigen Auswuchs dieses ideologischen Wirrwarrs wiedergeben möchte, sondern versucht, die Vorgänge etwas zu werten und zu sortieren – auch um die Nerven der Leser zu schonen.
Im vorliegenden Fall komme ich aber nicht umhin, ihn aufzugreifen. Weil er einen neuen Tiefpunkt setzt in Sachen politischer Verfolgung. Und ja: Ich benutze diesen Ausdruck nicht leichtfertig. Denn meine feste Überzeugung ist inzwischen: Menschen mit der „falschen“ politischen Meinung, die diese öffentlich äußern, müssen in der Bundesrepublik damit rechnen, durch eine politisierte Justiz, die teilweise außer Rand und Band ist, verfolgt zu werden. Noch vor zehn Jahren hätte ich mir das in meinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können – und die meisten von Ihnen sicher auch nicht.
Im konkreten Fall hat ein Kollege eine satirische Bild-Montage veröffentlicht, die in der alten Bundesrepublik vor ihrer DDR-isierung in der Ära Merkel kaum jemandem einen müden Seufzer entlockt hätte. Der Publizist David Bendels postet bei X ein Foto, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigt, wie sie ein Schild vor sich trägt, auf dem steht: „Ich hasse die Meinungsfreiheit!“ Dazu schrieb er „Faeser HASST Meinungsfreiheit!“ Im Originalfoto aus dem Jahr 2023 ist auf dem Schild der Spruch „We remember“ zu lesen – im Hinblick auf den Nationalsozialismus. Warum eine deutsche Ministerin dabei die englische Sprache nutzt, sei hier dahingestellt.
Jeder halbwegs politisch denkende Mensch erkennt das Bild, das Bendels ins Netz stellte, als Montage und Satire. Nicht so aber offenbar die Polizei und die Justiz in Deutschland. Während sie etwa Aufrufe zum Töten von AfD-lern und eine Beschimpfung von AfD-Chefin Alice Weidel als „Satire“ durchgehen lassen und nicht mal ermittelt, „verpetzte“ im vorliegenden Fall die Polizei in Bamberg den Journalisten bei Faeser. Die prompt Strafantrag stellte. Und das sogar persönlich. Offenbar ist sie durch ihre Amtspflichten nicht ausgelastet. Die Anzeigeritis ist der neue Volkssport von rot-grünen Politikern. Sie agieren damit im Geiste des Kaiserreichs – als es noch den Majestätsbeleidigungsparagraphen gab. Wobei der letzte Kaiser bzw. seine Justiz oft deutlich mehr durchgehen ließen als heute viele rot-grüne Politiker.
Bendels, der Chefredakteur des „Deutschland-Kuriers“, wurde nun per Strafbefehl für die Fotomontage zu sage und schreibe zu 210 Tagessätzen verurteilt. Damit wäre er vorbestraft – sollte das Urteil Bestand haben. Doch Bendels legt gegen die Verurteilung Rechtsmittel ein.
Der Chefredakteur des AfD-nahen Deutschland-Kurier, David Bendels, wurde aufgrund mehrerer Posts auf X zu insgesamt 480 Tagessätzen Strafe verurteilt.
Die Strafanträge hatte Innenministerin Nancy Faeser persönlich gestellt, wie aus Dokumenten hervorgeht, die NIUS vorliegen.… pic.twitter.com/k1Xp5bEkRA— NIUS (@niusde_) November 21, 2024
Die Strafe erscheint nicht nur absurd hoch, sie steht auch in auffälligem Kontrast zu Urteilen in Fällen schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte. Beispielsweise wurde ein HNO-Arzt in Hamburg wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt, nachdem ein neunjähriger Patient nach einer Operation verstarb. In einem anderen Fall erhielt ein Chefarzt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen sexueller Belästigung einer Assistenzärztin. Besonders brisant: Ein Vorsitzender Richter am Landgericht Augsburg, bei dem kinderpornografische Inhalte gefunden wurden, kam mit 150 Tagessätzen zu einem geradezu lächerlich anmutenden Tagessatz von 30 Euro davon.
Diese Vergleiche machen die Absurdität der Verurteilung Bendels‘ auf fast schon unerträgliche Weise deutlich: Ein Journalist, der eine satirische Fotomontage veröffentlicht, wird mit 210 Tagessätzen härter bestraft als ein Richter, bei dem 4.000 kinderpornografische Darstellungen gefunden wurden – Inhalte, die einen schwerwiegenden Angriff auf die Würde und Unversehrtheit von Kindern darstellen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird hier mit Füßen getreten. Es zeigt, dass politisch missliebige Meinungen inzwischen fast schon systematisch kriminalisiert werden. Wie soll man noch den Begriff „Rechtsstaat“ verwenden, wenn der Besitz von Kinderpornografie weniger hart geahndet wird als eine Satire über eine Ministerin?
Das Amtsgericht Bamberg behauptet in seinem Strafbefehl, Bendels habe bewusst den Eindruck erweckt, das manipulierte Bild sei echt. So als ob nicht genau das gute Satire ausmache. In dem Schreiben heißt es: „Sie zielten dabei auf das Amt der Bundesinnenministerin und wollten die Amtsinhaberin damit diffamieren“, heißt es. Der Beitrag vom 28. Februar 2024 sei mehr als 13.000-mal aufgerufen worden, schreibt die „Welt“.
Bendels wird in dem Strafbefehl vorgeworfen, „gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§11 Absatz 3 StGB) eine Verleumdung (§187 StGB) aus Beweggründen begangen zu haben, die mit der Stellung des Verleumdeten im öffentlichen Leben zusammenhängen, wobei die Tat geeignet ist, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“.
In der Tat: Satire und freie Meinungsäußerung erschweren das öffentliche Wirken von Politikern erheblich. Aber genau das macht eine echte Demokratie aus und unterscheidet sie von autoritären Systemen, in denen Politiker eine solche „erhebliche Erschwerung“ erspart bleibt. Und in Demokratien haben Kriminalpolizeiinspektionen wie die in Bamberg, die das Bild des Journalisten an Faeser meldete, normalerweise andere Aufgaben, als das Internet nach Satire zu durchsuchen.
Sollte die Verurteilung rechtskräftig werden, wäre Bendels vorbestraft. Der Medienrechtler Joachim Nikolaus Steinhöfel kritisiert gegenüber der „Welt“ das Vorgehen der Justiz: „Der jetzt von einer Bamberger Strafrichterin erlassene Strafbefehl wegen einer eindeutig zulässigen Meinungsäußerung kriminalisiert die Wahrnehmung eines Grundrechts. Die dafür erforderliche fachliche Inkompetenz ist so schwer vorstellbar, dass man eine vorsätzlich falsche Anwendung des Rechts nicht mehr ausschließen kann.“
Das ist höflich formuliert.
In meinen Augen ist hier der Verdacht der Rechtsbeugung nicht mehr von der Hand zu weisen. Und man kann nur hoffen, dass eines Tages eine dann wieder unabhängige Justiz diesen Verdacht in diesem und in vielen anderen Fällen rechtsstaatlich untersucht.
„Die ungewöhnlich harte Bestrafung fällt in eine Zeit, in der die öffentliche Debatte um eine Anzeige von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kreist“, schreibt die „Welt“ zur Causa Bendels treffend: „Habeck persönlich hatte einen 64-jährigen Rentner angezeigt, der auf X einen Post geteilt hatte, in dem der Minister ‚Schwachkopf‘ genannt wird. Die Wohnung des Rentners war von der Polizei durchsucht worden.“
Sarkastisch möchte man fast sagen: Bendels hatte noch Glück, dass er nicht wie der Rentner mit seiner behinderten Tochter, die am Down-Syndrom leidet, im Morgengrauen von der Polizei aus dem Bett gerissen wurde.
Es sind beunruhigende Zeiten, in denen wir leben.
Die Fälle Bendels und des Rentners zeigen: Wir bewegen uns in eine Richtung, in der missliebige Meinungsäußerungen nicht mehr nur sozial geächtet werden, was schlimm genug ist, sondern auch noch strafrechtlich verfolgt. Mit einer Härte, die in keinem Verhältnis zu echten Vergehen steht. Wenn Politiker und ihre Behörden zunehmend wie Inquisitoren agieren, während schwerwiegende Straftaten milde geahndet werden, dann ist der Begriff „Rechtsstaat“ nichts weiter als eine leere Hülle. Wer heute schweigt, wird morgen vielleicht selbst betroffen sein. Es ist allerhöchste Zeit, sich diesen unsäglichen Entwicklungen entschieden entgegenzustellen – bevor das Schweigen endgültig zur Regel wird.
„Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“
sagt ein altes chinesisches Sprichwort. Bei uns ist es wohl eher ein guter Anwalt – und der kostet Geld. Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber hat mich gerade angezeigt, weil ich es gewagt habe, ihre Amtsführung zu kritisieren. Es geht um mehr als nur diesen Fall. Es geht um das Recht, Kritik an den Mächtigen zu üben, ohne kriminalisiert zu werden. Helfen Sie mir, dieses wichtige Recht zu verteidigen! Jeder Beitrag – ob groß oder klein – macht einen Unterschied. Zusammen können wir dafür sorgen, dass unabhängiger Journalismus stark bleibt und nicht verstummt. Unterstützen Sie meine Arbeit:
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