Log Ministerpräsident Woidke im Corona-Untersuchungsausschuss? Schwere Vorwürfe

Von Kai Rebmann

Früher oder später kommt die Wahrheit immer ans Licht, so zumindest glaubt es der Volksmund zu wissen. Dass dieser Prozess aber mitunter ein sehr langwieriger sein kann, zeigen die zähen Bemühungen um die Aufarbeitung der während der vergangenen drei Jahre betriebenen Corona-Politik. Weder der Expertenrat der Bundesregierung noch die auf verschiedenen politischen Ebenen eingesetzten Untersuchungsausschüsse konnten bisher viel Erhellendes beitragen. Ersterer hat aus nachvollziehbaren Gründen kein großes Interesse daran, Letztere erweisen sich nur allzu oft als zahnlose Tiger.

Dieses Schicksal teilt auch der von der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg eingesetzte Corona-Untersuchungsausschuss. Auch dort übten sich die geladenen Zeugen und/oder für die strikten Maßnahmen Verantwortlichen meisterhaft darin, um den heißen Brei herumzureden, ganz zu schweigen – oder sogar zu lügen. Letzteres soll Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) getan haben – zumindest wirft die AfD ihm das vor.

Die Abgeordneten Christoph Berndt, Lars Hünich und Lars Günther haben Strafanzeige wegen des Verdachts der falschen uneidlichen Aussage gemäß Paragraf 153 StGB gestellt. Grund: Woidke soll bei seiner Aussage vor dem Corona-Untersuchungsausschuss im Jahr 2021 wichtige Details wissentlich verschwiegen haben.

Schweigen im Ausschuss, Klartext beim Bürgerdialog?

Am 16. Mai 2023 trat der Ministerpräsident bei einem Bürgerdialog in Falkensee auf. Dabei soll er, so der Vorwurf, das Gegenteil von dem gesagt haben, was er vor zwei Jahren im Untersuchungsausschuss zu Protokoll gegeben hat.

Lars Hünich, der mit seiner Fraktionskollegin Lena Kotré als Ohrenzeuge vor Ort war, beschreibt Woidkes Einlassungen in Falkensee im Podcast „Die Blaue Runde“ so: Er (Woidke) könne sich noch ganz genau daran erinnern, dass es die Ministerpräsidenten-Konferenz am 12. März 2020 gewesen sei, auf der die Corona-Maßnahmen beschlossen worden seien. Er habe am Morgen dieses Tages noch nicht gewusst, dass er abends die Schließung von Schulen und Kindergärten sowie den Lockdown beschließen würde. Weitere Teilnehmer dieser demokratisch durch nichts legitimierten Runde waren unter anderem die Regierungsexperten Lothar Wieler und Christian Drosten.

Im U-Ausschuss im Jahr 2021 hatte Woidke aber noch behauptet, die folgenschweren Maßnahmen seien unter dem Eindruck der Bilder aus Bergamo beschlossen worden. Problem: Eben diese Bilder – die im Übrigen wohl auch nicht das zeigen, was sie angeblich zeigen sollen – begannen in den hiesigen Medien erst in den Tagen nach dem 12. März 2020 die Runde zu machen. Demnach können sie also nicht die Grundlage für die Entscheidung zu Lockdown und Schulschließungen gewesen sein. Oder anders ausgedrückt: Entweder hat Woidke die Mitglieder des Untersuchungsausschusses belogen oder die Bürger in Falkensee. Ersteres wäre unter Umständen strafbar, letzteres „nur“ moralisch verwerflich.

Dummheit oder ‚Arroganz der Macht‘?

Hünich wirft dem Ministerpräsidenten vor, im Untersuchungsausschuss kein Wort über die Ministerpräsidenten-Konferenz und deren Bedeutung für den Erlass der Corona-Maßnahmen verloren zu haben. Selbst dann nicht, als er ausdrücklich danach gefragt wurde, ob es außer den „Bildern von Bergamo“ noch andere Gründe für diese Entscheidung gegeben habe.

Dabei seien sowohl Woidke als auch alle anderen Zeugen zu Beginn ihrer jeweiligen Vernehmung darüber belehrt worden, dass eine Falschaussage gemäß Paragraf 153 StGB („Falsche uneidliche Aussage“) mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden kann. Die Belehrung beinhaltete den Angaben zufolge unter anderem den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass auch das Weglassen bzw. Verschweigen wichtiger Informationen eine Falschaussage darstellen kann.

Überhaupt sei diese ominöse Ministerpräsidenten-Konferenz im Untersuchungsausschuss nie zur Sprache gekommen. Dies habe sich erst geändert, so Hünich, als am 12. November 2021 die damalige Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) vernommen worden ist. Die Ehefrau von Kanzler Olaf Scholz sei die erste und bis zuletzt einzige gewesen, die freimütig ausgesagt habe, dass es die MP-Konferenz am 12. März 2020 gewesen sei, auf der alles beschlossen worden sei, inklusive der Schulschließungen. Letzteres ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil es sich dabei eigentlich um eine ureigene Angelegenheit der Länder handelt.

Zu diesem Zeitpunkt, also im November 2020, habe es den Untersuchungsausschuss schon ein Jahr lang gegeben, ohne dass der 12. März 2020 auch nur ein einziges Mal von irgendjemandem erwähnt worden sei, echauffiert sich Hünich. Nachdem Ernst den Sachverhalt gänzlich anders dargestellt hatte als Woidke und alle anderen ihrer Vorredner, wollte die AfD den Ministerpräsidenten erneut vor den Ausschuss laden, um ihn zu genau dieser Sache nochmal befragen zu können. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt und auch vor Gericht scheiterten die Alternativen mit diesem Ansinnen.

Dass es nur Zufall oder schlicht Dummheit ist, dass Woidke ausgerechnet jetzt – nach dem Gerichtsurteil – mit der Wahrheit herausrückt, glaubt Hünich nicht. Noch im Februar habe der Ministerpräsident bei einem Bürgerdialog in Cottbus behauptet, es seien die „Bilder von Bergamo“ gewesen, die zum Lockdown geführt hätten. Jetzt, nur rund drei Monate, später räumte er in Falkensee überraschend offen ein, dass es doch die Ministerpräsidenten-Konferenz war, die diese Beschlüsse gefasst hat.

Trügerisches Gefühl der Sicherheit?

„Ich habe das Gefühl, der Mann hat abgewartet, bis das Urteil gesprochen wurde, damit wir ihn nicht mehr hören dürfen. Und jetzt ist ihm alles egal, weil er denkt, ja die sind eh doof. Und jetzt hat er den 12. März ins Spiel gebracht, deswegen haben wir ihn angezeigt.“

Oder hat sich Woidke am Ende einfach nur verplappert? Hünich glaubt das nicht, denn der Ministerpräsident habe gewusst, dass er (Hünich) und seine AfD-Kollegin Kotré beim Bürgerdialog in Falkensee im Publikum saßen: „Ich glaube, das ist – wie sagt man doch so schön – die Arroganz der Macht und das meine ich wortwörtlich so, wie ich es sage. Ich rede, seit er in unserem U-Ausschuss war und über die Bilder von Bergamo geredet hat, seit dem rede ich bei jeder Veranstaltung, bei jeder Demo, bei jedem Spaziergang – egal, mit wem ich rede – erzähle ich die Geschichte über Woidke und dass das falsch ist, was er sagt.“

Den Angaben des Abgeordneten zufolge sei der AfD sogar ein Beweisantrag verweigert worden, mit dem man habe erreichen wollen, dass eine Redakteurin des Bayrischen Rundfunks gehört wird. Diese habe eine Sendung über die „Bilder von Bergamo“ gemacht, in der es um die „Geschichte dahinter“ gegangen sei, dass das „alles so nicht hinhaut, was da gelaufen ist.“

Welche Folgen hat die Anzeige für Woidke?

Die kurze Antwort lautet: vermutlich gar keine! Im Regelfall muss die Staatsanwaltschaft jeder Anzeige nachgehen und zunächst prüfen, ob ein Anfangsverdacht vorliegt. Gerade wenn es um die Corona-Maßnahmen und die Frage der Verhältnismäßigkeit ging, haben sich die Ermittlungsbehörden und Gerichte in den vergangenen Jahren in schöner Regelmäßigkeit als sehr regierungstreu erwiesen.

Nun geht es im vorliegenden Fall zwar allenfalls indirekt um eben diese Maßnahmen – im Vordergrund steht der Vorwurf der falschen uneidlichen Aussage gemäß Paragraf 153 StGB – dass dies am Ende aber zu einer Anklage oder gar einer Verurteilung des Ministerpräsidenten führen wird, kann sich auch Hünich nicht vorstellen. An einer echten Unabhängigkeit der Staatsanwälte und Richter hegt der AfD-Politiker nicht zuletzt aufgrund der jüngsten Erfahrungen erhebliche Zweifel, als die Justiz Woidke davor bewahrt hat, nochmal vor den Untersuchungsausschuss treten zu müssen.

Lars Hünich hält zwei Szenarien für denkbar: „Entweder es wird sofort eingestellt, weil die Staatsanwaltschaft ein SPD-Parteibuch hat oder ein Grünen-Parteibuch im Sinne von ‚um Gottes willen, schon gar nicht von der AfD‘. Da müssten wir dann schauen, wie wir das weiterverfolgen. Oder es wird eben nicht eingestellt – und dann wird’s unter Umständen witzig. Jetzt muss man ehrlicherweise sagen: Der Mann hat gelogen; er hat in einem Untersuchungsausschuss, einem Gremium, gelogen. Er hat meiner Ansicht nach versucht, mit seiner SPD das Recht im Untersuchungsausschuss so weit auszuhebeln, um uns zu behindern, damit überhaupt keine Aufklärung funktioniert. Ich glaube, der Mann ist reif dafür, endlich mal zurückzutreten. Ich glaube, dass er kein würdiger Vertreter des Volkes an der Spitze eines Bundeslandes ist. Und jetzt müssen wir mal abwarten.“

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Es wäre tatsächlich nicht das erste Mal, dass vor Gericht einige eben doch gleicher sind als andere. Deshalb hält Hünich abschließend fest: „Jeder normale Bürger hätte jetzt erstmal ein Problem, weil nämlich ermittelt wird. Wir schauen mal, ob die Gewaltenteilung wirklich funktioniert in Deutschland.“

Zur richtigen Einordnung gehört natürlich auch, dass der bloße Eingang einer Strafanzeige und die in diesem Zuge normalerweise aufgenommen Ermittlungen noch lange kein Rücktrittsgrund sind und auch für Ministerpräsident Dietmar Woidke bis zum etwaigen Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung gilt. Auffällig ist aber dennoch, dass sich die großen Medien auch in diesem Fall hartnäckig weigern, über die Strafanzeige gegen einen SPD-Spitzenpolitiker auch nur zu berichten, während in umgekehrten Fällen – zumindest gefühlt – jedes Falschparken eines AfD-Kreisabgeordneten zum Skandal aufgebauscht wird.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: photocosmos1/Shutterstock

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