DDR-Déjà-vu in Berlin: Zwangsnachbarn im Restaurant Wenn aus Kunden Bittsteller werden – und sie das gar nicht merken

Zu den prägendsten Erlebnissen meiner Kindheit gehörte eine Fahrt durch die DDR und ein Besuch in Ostberlin. Bestens kann ich mich erinnern, wie mir mein Vater die Nachteile des Sozialismus anhand der Restaurant-Besuche dort erklärte: Dass man sich nicht einfach hinsetzen konnte, wo man wollte, sondern einem der Platz zugewiesen wurde, sei ein klassisches Beispiel für unfreie Systeme, so mein Vater. Das mag nicht ganz korrekt gewesen sein, denn auch in freien Systemen gibt es, etwa in den USA oder Italien, solch eine „Zuweisung“, aber zumindest in Westdeutschland kannte man sie damals offenbar nicht. Oder zumindest nicht in Restaurants der Preisklasse, die meine Eltern kannten.

Noch einprägsamer wurde die Lehre, als man uns plötzlich, ohne zu fragen, andere Besucher mit an den Tisch platzierte. Spätestens da prägte sich bei mir ein: Irgendetwas ist da faul. Einmal schaffte es mein Vater in einem Autobahn-Lokal an einer der Transit-Autobahnen ein Gespräch auf die Politik zu lenken. Bei den „zwangsplatzierten“ DDR-Bürgern löste das betretenes (Fast-)Schweigen aus. Nachdem sie eilig fertig gegessen und hastig gegangen waren, wurde uns niemand mehr an den Tisch „platziert“ – obwohl am Eingang eine Warteschlange stand. Ideologie ging vor.

All diese Kindheitserinnerungen kamen bei mir schlagartig hoch, als ich diese Woche bei einem Besuch in Berlin mit meinem guten Bekannten, einem pensionierten hochrangigen Beamten mit besten Kontakten, in ein Restaurant in Nähe des Lietzensees ging. Die Ortswahl war spontan und der Bekannte meinte schon, „vielleicht haben wir Glück“. Das hatten wir – wenn man es so sehen möchte. Obwohl auf kaum einem Tisch ein „Reserviert“-Schild stand und das Lokal fast leer war, ging mein Bekannter zuerst zu einem der Ober und bat darum, „platziert“ zu werden. Diese Sitte hat sich längst eingebürgert im „neuen Deutschland“. Und auch wenn sie mir jedes Mal bitter aufstößt, habe ich mich daran gewöhnt und beruhige mich damit, dass es in den USA auch nicht anders ist.

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'Das schaffen wir, versprochen'

„Wenn Sie schnell essen und kurz vor 19 Uhr fertig sind, habe ich was für Sie“, meinte der Ober mit strengem Blick. Mein Bekannter versicherte artig, wir würden rechtzeitig fertig sein. Weil der Ober weiter skeptisch schaute, stimmte auch ich in den Chor mit ein: „Das schaffen wir, versprochen“. Als ich zum Händewaschen ging, hörte ich einen Gesprächsfetzen zwischen einem Paar, das gerade das Lokal betreten hatte, und dem Ober. Der Mann zu diesem: „Ganz vielen Dank, dass sie so lieb waren, uns bis sieben Uhr dazwischen zu quetschen“. Ja, er sprach von „dazwischenquetschen“. Und es klang so, wie man einem Polizisten dankt, der ausnahmsweise von einer Bestrafung absieht, obwohl man sich etwas hat zuschulden kommen lassen.

Kaum hatten wir mit dem Essen begonnen, traute ich meinen Augen und Ohren nicht mehr: Obwohl immer noch das halbe Lokal leer war, „platzierte“ der Ober zwei weitere Gäste an unseren Tisch. Ohne auch nur zu fragen. Das wäre in meinen Augen das Mindeste gewesen. Die Platzierten dankten dem Ober artig, dass sie einen Platz bekommen hatten.

Ich war konsterniert. Mit dem Bekannten wollte ich ja auch Dinge besprechen, die nicht für jedermanns Ohr bestimmt sind. Stellen Sie sich einmal vor, der „Zwangsnachbar“ hätte sich – wie es der Zufall so will – als Mitarbeiter der Amadeu Antonio Stiftung entpuppt. Dann hätten Sie den Gesprächsinhalt vielleicht später online finden können.

Wir sprachen im halben Flüsterton weiter. Meine Verwunderung über die „Zwangsplatzierung“ konnte mein Bekannter nicht nachvollziehen. „Das ist hier so“, sagte er: „Aber es ist nicht in allen Lokalen so!“ Warum er dann dennoch weiter hierher gehe, fragte ich ihn. Die Frage schien ihn zu verwundern. „Es schmeckt doch gut hier“, meinte er.

Ich weiß nicht, was mich mehr schockiert hat: Die Zuweisung von Zwangs-Tischnachbarn oder die Tatsache, dass mein Bekannter, ein alter Westdeutscher, das als die normalste Sache der Welt hinnahm. Immerhin handelt es sich nicht um eine Kneipe, sondern ein Restaurant mit gesalzenen Preisen, das sich als „gehoben“ präsentiert.

Wie im Sozialismus

Ich kam danach ins Grübeln: Bin ich es, der da etwas falsch sieht? Bin ich zu altmodisch geworden? Oder ist meine Ansicht, dass es sich hier um ein Revival von Unsitten handelt, die man aus dem Sozialismus kennt, zutreffend?

Eins ist klar: In Moskau wäre so etwas in einem guten Restaurant ebenso undenkbar wie in der Ukraine oder in Montenegro. In all diesen Ländern haben große Teile der Bevölkerung eine Art „Impfung“ – gegen fast alles, was sozialistisch daherkommt.

Nicht so bei uns. Eher im Gegenteil. Ich musste unvermittelt an die Artikelserie „Die DDR hat gewonnen – Sozialismus statt Freiheit“ von Alexander Fritsch auf meiner Seite denken – die ich Ihnen wärmstens ans Herz lege (Sie finden Sie hier). Nach dem Motto „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“ haben Sozialismus-Freunde in Ost und West 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR wieder Oberwasser. Frei nach dem Motto, das Margot Honecker im chilenischen Exil ausgab: „Wir haben ein Korn in die Erde gelegt, der Samen wird noch aufgehen.“ Wie Recht sie hatte! Dank Merkel & Co.

Am nächsten Tag erkannten mich zwei Mitarbeiter am Berliner Flughafen. Ich erzählte ihnen von der Geschichte. Und auch sie als gelernte DDR-Bürger waren verwundert. Ich stellte die folgende These auf: „Wir bekommen die Unsitten aus der DDR zurück, nur diesmal verbunden mit den Unsitten des Westens, wie hohen Preisen“. Die beiden stimmten mir zu.

Mich interessiert Ihre Meinung, liebe Leser! Ich bin gespannt auf Ihre Einschätzung und Ihre Erlebnisse. Und werde in Kürze noch von weiteren einschneidenden Erlebnissen in der Hauptstadt berichten.

Ausschreibung zur Fahndung durch die Polizei, Kontenkündigungen, Ausschluss aus der Bundespressekonferenz: Wer in Deutschland kritisch berichtet, sieht sich Psychoterror ausgesetzt. Und braucht für den Spott der rot-grünen Kultur-Krieger nicht zu sorgen. Ich mache trotzdem weiter. Auch, weil ich glaube, dass ich Ihnen das schuldig bin. Entscheidend fürs Weitermachen ist Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, trotz der ganzen Schikanen weiterzumachen! Ganz, ganz herzlichen Dank im Voraus für Ihre Unterstützung, und sei es nur eine symbolische!

Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

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