Lauterbachs 7-Punkte-Plan oder wie die Realität die Satire einholt Über die Vollständigkeit der Corona-Impfung

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Rießinger

Ich hatte nicht erwartet, zum Propheten zu werden. Vor Kurzem habe ich eine Umtextung des bekannten Songs „Über sieben Brücken wirst du gehn“ mit dem neuen Titel „Sieben Stiche gibt es, du wirst sehn“ veröffentlicht. Eine musikalische Satire auf die Impfwut des Gesundheitsministers der Herzen, was sollte es wohl sonst sein?

Nun hat die Realität meine Satire eingeholt. „Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) haben unter Beteiligung des Bundeskanzleramtes einen Vorschlag für eine Fortentwicklung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erarbeitet,“ heißt es in schönster Prosa auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums. Und was berichtet uns dort der geistig gesündeste Bundesgesundheitsminister, den es je gab? „Deutschland soll besser als in den vergangenen Jahren auf den nächsten Coronawinter vorbereitet sein. Dafür haben wir einen 7- Punkte-Plan entwickelt.“ Schon wieder die ominöse Zahl „sieben“, an der man allem Anschein nach nicht vorbeikommt, auch wenn die anvisierten Maßnahmen eher an die zehn Plagen erinnern, die Moses über das pharaonische Ägypten gebracht haben soll.

Sehen wir einmal davon ab, dass man zumindest im europäischen Ausland über den Irrsinn der deutschen Politik immer heftiger den Kopf schütteln dürfte; offenbar erfreuen wir uns hierzulande nicht nur der dümmsten Energiepoltik der Welt, sondern bemühen uns, auch im Bereich der Gesundheitspolitik den Zustand maximaler Dummheit zu erreichen. Und das mit Mitteln, die sich nur ein sozialdemokratischer Minister der Herzen – bezieht sich dieser Ehrentitel eigentlich auf die steigende Zahl von Impfnebenwirkungen in Form von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen? – und ein liberaler Justizminister, der Freiheit wohl so interpretiert, dass er sich jederzeit von seinen früheren Äußerungen befreien kann, ausdenken konnten. Erinnert er sich noch an seine Aussage, am 20. März 2022 werde es ein absolutes Ende aller Corona-Maßnahmen geben? Nun gut, er ist Jurist und in Anbetracht seiner beiden Vorgänger im Amt darf man wohl nicht allzu viel erwarten. Vielleicht ist er aber sogar ein guter Jurist, doch ich käme selbstverständlich nie auf die Idee, Ludwigs Thomas Bonmot „Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand“ auf den Justizminister anzuwenden, denn ein Minister ist kein Landgerichtsrat, schon gar kein königlicher.

Schwadronieren über das pure Nichts

Und was hat das mit den sieben Stichen zu tun? Ganz einfach. In ihrer Weisheit haben die beiden Minister, die man vielleicht einmal an ihren Amtseid erinnern sollte, die neue Unterscheidung zwischen vollständiger und frischer Impfung eingeführt. Der Justizminister lässt vernehmen: „Wenn das Pandemiegeschehen dies erfordert, können die Länder daneben für weitere Bereiche des öffentlichen Lebens in Innenräumen eine Maskenpflicht anordnen. In Kultur, Freizeit, Sport und Gastronomie muss es allerdings Ausnahmen für getestete, frischgeimpfte und frischgenesene Personen geben.“ Das könnte man positiv interpretieren, denn Beispiele wie Schweden und Florida zeigen überdeutlich, dass das sogenannte „Pandemiegeschehen“ noch nie irgendeine Form von Maskenpflicht erfordert hat und man hier somit über das pure Nichts schwadroniert. Wir alle wissen, dass es nicht so gemeint ist; wie das Pandemiegeschehen zu bewerten ist, wird der vorausschauende Bundesgesundheitsminister entscheiden, sofern er bis dahin nicht wegen Überarbeitung oder anderer Leiden aus dem Dienst geschieden sein sollte.

Aber was sind denn „frischgeimpfte“ Personen? Das sind, wie man auf der bereits erwähnten Website des Bundesgesundheitsminsteriume erfährt, Menschen, „die vollständig geimpft sind und bei denen die letzte Impfung höchstens drei Monate zurückliegt“. Vollständig ist also nicht mehr vollständig, sondern nur noch dann, wenn es auch noch frisch ist. Das mag bei Lebensmitteln vernünftig sein, bei Covid-Impfungen ist es nichts weiter als ein Betrug an den Geimpften – insbesondere an den vierfach Geimpften, an den doppelt Geboosterten, die unser gnadenreicher Gesundheitsminister doch so sehr ins Herz geschlossen hat. Werfen wir einmal einen Blick auf eine Graphik der Impfquoten, erstellt am 4. August 2022.

Wie man der blauen Linie entnehmen kann, waren am 16. Juni 2022 bereits 5,33 Millionen Menschen mit der zweiten Auffrischungsimpfung gesegnet. Sie waren also nicht nur vollständig, sondern sogar übervollständig geimpft, vielleicht weil sie dem Wort des einen oder anderen Ministers vertraut haben – eine Idee, die ihnen hoffentlich nicht mehr in den Sinn kommen wird. Denn selbst ein Minister kann feststellen, dass der 16. Juni vor dem 1. Juli ins Land zog und diese 5,33 Millionen Impflinge somit vor dem 1. Juli übervollständig geimpft wurden. Drei Monate nach dem 1. Juli schreibt man in aller Regel den 1. Oktober, und an diesem 1. Oktober 2022 sollen die neuen Vorschriften in Kraft treten. Mindestens 5,33 Milllionen vertrauensfreudige Menschen müssen sich dann also entweder testen oder eine keineswegs gesundheitsfördernde, sondern gesundheitsschädliche Maske tragen, sofern sie sich in „Kultur, Freizeit, Sport und Gastronomie“ tummeln wollen. Das wird sie freuen.
Und noch größer wird die Freude sein, wenn es auf den Jahreswechsel zugeht, der zufällig genau drei Monate nach dem 1. Oktober stattfindet. Dann ist nämlich die fünfte Impfung, die man sich voller Vorfreude am 1. Oktober abgeholt hat, nicht mehr hinreichend frisch, und die sechste Impfung wird fällig. War das dann genug? Aber weit gefehlt, es wird noch immer Impfdosen geben, die sehnlichst auf Oberarme warten. Wozu hat man denn die neuen Regelungen bis zum 7. April 2023 befristet? Doch sicher nicht, weil man eine 7 im Datum haben wollte. Nein, am 1. April haben all die Impfungen, die zu Beginn des ersten Quartals verabreicht wurden, wieder ihr Verfallsdatum erreicht, und der willige Sechsfachgeimpfte soll der siebten Impfung entgegen eilen und dafür dankbar sein, dass ihm diese großzügige Gabe sinnlose Masken und noch sinnlosere Tests erspart.

„Sieben Stiche gibt es, du wirst sehn,
sieben Spritzen musst du überstehn,“

hieß es in meiner Umdichtung der „Sieben Brücken“. Wie man sieht, ist es nun genau so gekommen. Warum der Bundesjustizminister dem zugestimmt hat, kann man nur vermuten. „Unser Schutzkonzept ist die richtige Antwort auf die jetzige Pandemielage,“ so schreibt er, und: „Ich bin froh, dass wir uns innerhalb der Bundesregierung so zügig darauf verständigt haben.“ Natürlich ist er das, sonst hätte er ja am Ende noch seinen Ministerposten verlieren können, und das darf auf keinen Fall geschehen.

Wollen sich die Deutschen auch das noch gefallen lassen? Wollen sie sich noch immer zum willfährigen Objekt einer Politik machen lassen, die sich in jeder Hinsicht, nicht nur im Hinblick auf Viren aller Art, von jeder realistischen Grundlage befreit hat und nur noch ideologisch motiverte Inkompetenz an den Tag legt? Ich hoffe, nein. Ich fürchte, ja.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: Shutterstock
Text: Gast

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