Eine Frage der Faulheit Seibert zu den umstrittenen Corona-Videos

Gestern habe ich hier noch über die neue Video-Reklame-Kampagne der Bundesregierung unter dem Titel „Besondere Helden“ geschrieben (unter dem Titel „Wie die Regierung die Bürger verhöhnt“, siehe hier). Heute habe ich Merkels Sprecher Steffen Seibert dazu in der Bundespressekonferenz befragt. Zum einen wollte ich wissen, wie er die Kritik an dem Streifen bzw. der Werbeaktion sieht, in welcher Faulheit gepriesen wurde. Und wie viel sie gekostet hat und wie die Ausschreibungen gelaufen seien. Seibert, der als Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung selbst die Verantwortung für die Aktion trägt, antwortete, zu den Kosten lägen ihm momentan noch keine konkreten Zahlen vor. Die Video-Reihe sei auf Grundlage eines Rahmenvertrages mit der Hirschen Group entstanden und von der Agentur „Florida Reklame“ produziert worden. Der Auftrag für die „Hirschen Group“ sei wiederum seinerzeit nach allen Regeln ausgeschrieben worden. Haupteigentümer von „Florida Reklame“ sind laut Wikipedia die beiden Entertainer Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt, die unter anderem durch Sendungen bei Pro Sieben bekannt sind.

Die beiden TV-Stars und Geschäftsmänner sind auch politisch aktiv, unter anderem haben sie im September in 15 Minuten gewonnener Sendezeit auf Pro Sieben mit erschütternden Bildern auf die Zustände im Flüchtlingslager Moria aufmerksam gemacht (siehe hier und hier). Sie hatten auch 2015 öffentlichkeitswirksam gegen Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung bzw. nach anderer Sichtweise gegen Fremdenfeindlichkeit Position bezogen: „Jeder, der sich in den vergangenen Wochen und Monaten mal auf Facebook oder Twitter gewagt hat, wird mit mehr oder weniger offenem Hass gegen Flüchtlinge konfrontiert“ (anzusehen ist der ganze Clip hier). Die Bundeszentrale für politische Bildung förderte mehrere TV-Formate von Heufer-Umlauf und Winterscheidt finanziell.

Firma mit Ideologie?

Einer der Gründer und Chefs der „Hirschen Group“ wiederum ist Bernd Heusinger. Er ist Journalist und war unter anderem für den Bayerischen Rundfunk, SAT.1 und RTL tätig. 2018 veröffentlichte er das Buch „Kreativiert Euch“. Darin legt der dar, warum seiner Ansicht nach eine kreative Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Digitalisierung und Roboterisierung notwendig ist. Heusinger beklagte unter anderem „die Unredlichkeit der Rechten in der Debatte um die Meinungsfreiheit.“ Eine weitere Führungsfigur in der Hirschen Group ist Hans-Hermann Langguth, der früher Pressesprecher des Vorstandes der Grünen und der Schröder-Regierung war. Der parteilose Bundestagsabgeordnete Mario Mieruch hat eine sehr interessante kritische Analyse der Hirschen Group veröffentlicht, in der er sich auch mit deren Ideologie auseinandersetzt (anzusehen hier).

„Ich freue mich, dass diese Spots so große Aufmerksamkeit hervorrufen, dass sie in den sozialen Medien so millionenfach abgerufen, geliked, geteilt und auch kommentiert wurden, sie wurden auch im Ausland sehr stark und vielfach positiv wahrgenommen“, sagte Seibert. Die Zielsetzung der Regierung bei der Kampagne sei klar gewesen – jungen Menschen die Botschaft zu vermitteln: „Kontakte zu reduzieren ist derzeit das wichtigste, das wirksamste Mittel, um die Pandemie einzudämmen. Deswegen ist zu Hause zu bleiben zur Zeit richtiges, gemeinschaftsdienliches Verhalten … Diesen Appell wollen wir mit diesen Videos an möglichst viele Jugendliche und junge Menschen herantragen, und das scheint zu gelingen, wenn ich mir die extrem hohen Abrufzahlen in den sozialen Medien, den vielen Zuspruch und die vielen Diskussionen ansehe.“ Da sei viel Aufmerksamkeit gelenkt worden auf die zentrale Botschaft, die der Regierung wichtig war.

Seibert: ‘Es tut mir leid'

Seibert führte weiter aus: „Zu Ihrer Frage mit der Faulheit, ich muss sagen, das sind doch nicht Videos mit einer ernsthaften Anleitung für das ganze Leben. Das ist ein Appell, der in der Sache sehr ernst gemeint ist, und in der Form doch augenzwinkernd. Es gibt Kritik, das ist nicht vollkommen überraschend. Ich nehme Kritik natürlich ernst und ich respektiere, wenn einzelne Menschen sich unwohl fühlen mit so einem Spot. Diesen Menschen sage ich: Es tut mir leid, dass sie da einen negativen Eindruck haben. Ich kann aus tiefer Überzeugung sagen: Diese Videos wollen auf keinen Fall negative Emotionen erzeugen.“ (die komplette Frage und Antwort ist hier anzusehen).

Den Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Hanno Kautz, fragte ich nach den Warnungen vor Alltagsmasken durch den Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr in München, Christian J. Kähler (siehe hier). In diesem Zusammenhang wollte ich auch wissen, wie das Ministerium die Verwirrung um verschiedene Arten des Mundschutzes beseitigen wolle. So gebe es etwa über die Wirksamkeit von Schals Wirrwarr – der Berliner Senat drückt sich hier um eine klare Antwort auf meine Presseauskunft. Ob hier nicht in einem Land, in dem alles durch DIN-Normen geregelt sei, eine Vereinheitlichung sinnvoll und/oder geplant wäre, wollte ich von Kautz wissen. Sowohl er als auch Seibert antworteten auf meine Frage, es gebe keine Verwirrung bzw. keine große Verwirrung. Kautz bestritt zudem die Angaben des Leiters des Bundeswehr-Instituts. Auf Nachfrage, ob die Bundesregierung auf eine Vereinheitlichung hinwirken werde, antwortete Kautz: „Ich weiß nicht, wie Sie das vereinheitlichen wollen, das ist im Zweifel jedem selbst überlassen“. (anzusehen hier).

Befriedete Bezirke

Seibert lobte heute wieder in höchsten Tönen, dass die Menschen in Weißrussland für Demokratie und Freiheit auf die Straße gehen und massenhaft demonstrieren. Ich sehe das genauso. Dennoch hatte ich Seibert schon bei einer der letzten Pressekonferenzen gefragt, wie er dazu stehe, dass dabei die Maskenpflicht von sehr vielen Demonstranten ignoriert wurde (siehe hier). Heute fragte ich den Regierungssprecher, ob er nicht die Gefahr sehe, dass die Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit, die es bei uns schon gibt und die noch ausgebaut werden sollen, eine Steilvorlage für Lukaschenko und sein System wären. Motto: Na, wenn die Deutschen das machen, warum dann nicht auch wir? Seiberts Antwort: „Ich kann hier nicht für das Lukaschenko-Regime sprechen. Aber die grundgesetzliche Lage, die jedem deutschen Bürger garantierten Freiheiten, sind doch etwas völlig anderes, als dass wir sie in irgend einem Atemzug mit Belarus und der Situation dort nennen könnten.“ Da sei ich völlig bei ihm, hakte ich nach, aber die Frage sei damit nicht beantwortet. Bereits das Netzwerkdurchsetzungsgesetz „made in Germany“ habe in der russischen Duma als Vorlage für ein ähnliches Gesetz und Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Russland gedient. Seibert sagte: „Es bleibt bei meiner Antwort.“ (die Passage finden Sie hier)

Zu guter Letzt befragte ich noch den Sprecher des Innenministeriums nach den geplanten Demonstrationen gegen die Lesung des sogenannten „Dritten Corona-Gesetzes“ am Mittwoch im Bundestag. Da die Versammlungen direkt vor dem Reichstag geplant sind und damit unter das Gesetz für „befriedete Bezirke“ fallen, sind solche Demonstrationen nur mit Erlaubnis des Bundesinnenministeriums zulässig. Auf die Frage, ob es dazu Anträge gebe und ob das Ministerium diese Genehmigung erteilen werde, sagte Alter, ihm liege dazu noch keine Erkenntnis vor. Er werde das prüfen und nachreichen (anzusehen hier).

Etwas später kommt heute mein Wochenbriefing für die Abonnenten mit weiteren Hintergründen (kostenlos zu abonnieren hier).

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Bild: Boris Reitschuster
Text: br
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