Führt zu viel Wokeness zu Depressionen und Angstzuständen? Studie aus Finnland liefert überraschende Ergebnisse

Von Kai Rebmann

Es ist eine Studie, die auf den ersten Blick womöglich – und in einem bestimmten Lager sogar ganz sicher – für Stirnrunzeln sorgen wird. Andererseits schaffte es der finnische Autor Oskari Lahtinen mit seiner Arbeit immerhin zu einer Veröffentlichung im renommierten „Scandinavian Journal of Psychology“. Dabei könnte der Tenor der Studie politisch unkorrekter kaum sein, und dieser lässt sich so zusammenfassen:

Berichte über Angstzustände und Depressionen treten umso häufiger auf, je höher die Zustimmung zur so bezeichneten „kritischen sozialen Gerechtigkeit“ (CSJA = critical social justice attitudes) – oder kurz: Wokeness – ist. Lahtinen geht sogar noch weiter und glaubt, dass die Zugehörigkeit bzw. Selbstverortung zur politischen Linken ein Indikator für ein geringeres psychisches Wohlbefinden sein könnte als die CSJA.

Wo Thomas Gottschalk seine Kandidaten früher gefragt hat, wie man auf so eine Wette kommt, erklärt Lahtinen die Motivation für seine sicher nicht ganz alltägliche Fragestellung so: „Ich habe die Entwicklung an Universitäten in den USA beobachtet, wo in den 2010er-Jahren die Diskussion über soziale Gerechtigkeit entstand.“ Diese neu entdeckte Wokeness habe ihre Wurzeln zunächst in einer vielschichtigen Dynamik innerhalb der US-Gesellschaft gehabt, sei danach aber auch in immer mehr westlichen Ländern aufgetaucht, unter anderem auch in Finnland.

Diese Debatten seien aber weitestgehend ohne belastbares Datenmaterial geführt worden, wie Lahtinen bei einer Recherche festgestellt hat. Es war also weder klar, wie verbreitet solche Einstellungen tatsächlich sind, und wie sie sich gegebenenfalls auf den Alltag der Betroffenen auswirken. Er habe seine Aufgabe also darin gesehen, ein zuverlässiges und belastbares Instrument zu entwickeln, um das Ausmaß und die Prävalenz woker Einstellungen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu messen.

In einem ersten Schritt entwickelte Lahtinen eine „Pilotskala“ zur Bewertung der Einstellung zur kritischen sozialen Gerechtigkeit. Als Grundlage diente dem Psychologen dabei die Literatur aus einschlägigen Disziplinen der Wokeness wie Anti-Rassismus, Feminismus oder der queeren Geschlechterlehre.

Anschließend wurden 851 Probanden, überwiegend Professoren und Studenten der Universität Turku, mit klassischen Aussagen aus dem woken Spektrum konfrontiert, die diese auf einer Skala von 1 bis 5 (volle Ablehnung bis volle Zustimmung) bewerten sollten. Parallel dazu wurden Fragen zur Einschätzung der persönlichen Gesamtsituation entwickelt.

Um die so gewonnenen Erkenntnisse zu bestätigen – oder auch zu verwerfen – wurde der Kreis der Probanden in einer Validierungsstudie auf 5.030 Teilnehmer aus allen Schichten der finnischen Bevölkerung erweitert. Denn auch Oskari Lahtinen weiß natürlich, dass eine nur an einer Universität durchgeführte Studie – insbesondere zu diesem Thema – alles andere als repräsentativ ist. Hier beispielhaft einige Fragestellungen, die es in den endgültigen Katalog geschafft haben:

„Wenn Weiße ein höheres Durchschnitteinkommen haben als Schwarze, dann ist das mit Rassismus zu begründen.“

„Trans-Frauen im Frauensport erweisen den Frauenrechten einen Bärendienst.“

„Jede Handlung ist entweder rassistisch oder anti-rassistisch, dazwischen gibt es keine Alternative.“

„Es gibt keine biologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern.“

Den Angaben des Studienautors zufolge zeigte diese endgültige Skala eine hohe Zuverlässigkeit in Bezug sowohl auf die konvergente als auch divergente Validität. Dies deute darauf hin, dass sie ein wirksames Instrument zur Messung der CSJA-Items darstellt.

Gleichzeitig stellte Lahtinen fest, dass sich die Probanden, die mehr dem woken und/oder linken Spektrum zuzuordnen sind, sich tendenziell zwar in einer besseren sozioökonomischen Lage befinden, dafür aber eher unter Angstzuständen und Depressionen leiden. Zudem sei dieser Trend bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern und bei jungen Menschen stärker als bei älteren: „Drei von fünf Frauen stehen woken Ideen aufgeschlossen gegenüber, aber nur einer von sieben Männern. So war es zumindest in Finnland.“

Eine weitere Erkenntnis, die Lahtinen im hohen Norden Europas gewonnen hat, kommt uns auch hierzulande bekannt vor. Die Debatten rund um Wokeness würden seit Jahren insbesondere auch in den finnischen Medien sehr intensiv geführt, so Lahtinen. Im Laufe seiner Studie habe er aber festgestellt, dass die Zustimmung zu den CSJA-Items gar nicht so weit verbreitet ist, wie es das Ausmaß der medialen Berichterstattung vermuten ließe. Vielmehr sei die Einstellung der Finnen zu diesem Themenkomplex eher „zurückhaltend“.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind allerdings noch mit Vorsicht zu genießen und sollten nicht verallgemeinert werden, worauf auch der Autor ausdrücklich hinweist. Lahtinen bezeichnet die Basis von mehr als 5.000 Probanden zwar als „recht robust“, sieht aber noch weiteren Optimierungsbedarf: „Die Skala sollte noch in nordamerikanischen Stichproben validiert werden, um zu sehen, ob sich die (hiesigen) Einstellungen auch dort manifestieren lassen. Ich ermutige Kollegen in den USA, die Verbreitung dieser Einstellungen auch in ihrem Land zu untersuchen.“

Fun-Fakt zum Abschluss: Die Teilnehmer der Studie waren – laut Eigendefinition der Probanden – zu 52,4 Prozent männlich, zu 42,0 Prozent weiblich, zu 2,4 Prozent „mit anderem Geschlecht“ und zu 3,3 Prozent „ohne Geschlecht“!

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