Von Josef Kraus
Die Methode „Haltet den Dieb!“ kennt man zur Genüge aus dem Alltagsleben und aus der Realpolitik: Man baut Mist, und um davon abzulenken, zeigt man auf andere und schiebt diesen die Schuld zu.
Jüngst hat diese Methode der anerkanntermaßen schwächste deutsche Außenminister seit 1949, Heiko Maas (SPD), praktiziert. Statt endlich die Verantwortung für das Desaster bei der Evakuierung Deutscher und deutscher Hilfskräfte aus Afghanistan zu übernehmen, klagt er den Bundesnachrichtendienst an, weil dieser die Lage falsch eingeschätzt habe. Eines aber dürfte ihm der BND wohl nicht eingeflüstert haben: Im Juni 2021 hatte Maas noch gemeint, gegen eine Machtübernahme durch die Taliban „steht eine selbstbewusste afghanische Zivilgesellschaft“. Merkel ließ gleichwohl lancieren, sie wolle BND-Chef Bruno Kahl durch den Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Helge Braun, schassen lassen. So etwas hatte sie bereits 2016 inszeniert, als sie einen Hörsturz des damaligen BND-Chefs August Hanning nutzte, um diesen vorzeitig loszuwerden.
Maas, die gesamte Bundesregierung und all die jetzt überschlauen linken Parteien wollen mit ihrem Poltern gegen den BND davon ablenken, dass ihnen alle drei „Dienste“ (BND, MAD, BfV) schnurzegal sind, sie am liebsten damit nichts zu tun hätten oder – im Falle linker Parteien – diese „Dienste“ am liebsten längst abgeschafft haben wollten.
Hinzu kam, dass das Bundesverfassungsgericht jede nicht bis ins Detail begründete Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) im Ausland für rechtswidrig erklärte. Der BND müsse das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit auch im Ausland wahren, entschied das Gericht am 19. Mai 2020. Das heißt: Die Grundrechte laut Grundgesetz gelten auch für Ausländer und nicht allein auf deutschem Boden. Das 2016 novellierte BND-Gesetz („Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes“) wurde für verfassungswidrig erklärt, sagte der damals noch designierte Gerichtspräsident Stephan Harbath (vormals stellvertretender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender). Harbarth war zu diesem Zeitpunkt noch Vizepräsident des Gerichts. Sein Amt als Gerichtspräsident trat er am 22. Juni 2020 an. Der Bundestag hat denn auch das Gesetz bzw. die einschlägigen Passagen mit Wirkung vom 19. April 2021 neu gefasst.
Hintergrund des „Karlsruher“ Urteils: Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ und die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ sowie vor allem ausländische Journalisten hatten gegen das 2017 in Kraft getretene Gesetz geklagt, da es dem Nachrichtendienst ermöglichte, im Ausland Daten zu erheben, auszuwerten und zu speichern sowie mit ausländischen Geheimdiensten zusammenzuarbeiten. „Es wäre leichtsinnig, einfach darauf zu vertrauen, dass eine Demokratie wie Deutschland immer auf der Seite der Grundrechte steht“, sagte damals eine der Klägerinnen, die aserbaidschanische Journalistin Khadija Ismayilova, der Süddeutschen Zeitung.
Mit der Vorschrift zur „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ war es dem BND erlaubt gewesen, ohne speziellen Verdacht große Datenströme nach einschlägigen Informationen zu durchforsten. Deutsche Staatsbürger sind durch das Grundgesetz davor geschützt, weshalb deren Informationen bei solchen Aktivitäten nach Möglichkeit ausgefiltert werden. Der Deutsche Journalistenverband begrüßte das Urteil als einen „Sieg für die Pressefreiheit auf ganzer Linie“.
Dieses Urteil und die nachfolgende Gesetzesnovelle liefen denn auch auf eine erhebliche Schwächung des BND hinaus. August Hanning (Präsident des BND von 1998 – 2005) sagte der „Bild“ am 24. August: „Diese Funkaufklärung ist erheblich erschwert worden durch das Bundesverfassungsgericht. Wenn ich alle Taliban und alle Terroristen dieser Welt zu Grundrechtsträgern erkläre und ihnen de facto eine ähnliche Rechtsstellung wie Deutschen einräume, dann beschränke ich doch massiv die Aufklärungsmöglichkeiten des Bundesnachrichtendienstes.“ Der BND sei von der Politik quasi an die Kette gelegt worden.
Dass die Merkel-Administration samt rot-grünen Lakaien mit den „Diensten“ mehr als fremdelt und deren Chefs Schachfiguren je nach Laune und Willkür der Kanzlerin sind, haben auch die beiden anderen „Dienste“ erfahren müssen. Wenn Merkel ein Bauernopfer brauchte, mussten die zuständigen Minister handeln und eine Entlassung inszenieren. Vorgeschützt wurden dabei gerne angebliche Versäumnisse der „Dienste“ im „Kampf gegen rechts“.
Das war im November 2018 beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) so. Dessen damaliger Präsident Hans-Georg Maaßen hatte die Kanzlerin widerlegt: Es hatte in Chemnitz anlässlich der Ermordung eines deutschen Staatsangehörigen durch Migranten vom 26. August 2018 eben keine „Hetzjagden“ auf Ausländer gegeben, wie Merkel und ihr Hofstaat noch heute behaupten. Also musste der mit einem eigenen Kopf gesegnete Maaßen einem braven BfV-Präsidenten, Thomas Haldenwang, Platz machen. Letzterer legte sich denn auch sofort übermotiviert ins Zeug im Kampf gegen rechts, hier gegen die AfD, so dass ihm die öffentlich verbreitete Einstufung der AfD als „Verdachtsfall“ durch das Verwaltungsgericht Köln untersagt wurde.
Zwei Jahre später, im September 2020, ging es dem Präsidenten des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christoph Gramm, an den Kragen. Der MAD sollte sich verstärkt im Kampf gegen rechts einbringen. Er war denn auch im Jahr 2019 bereits auf 1255 Dienstposten angewachsen. Für den Kampf gegen rechts aber sollten zusätzliche Hundertschaften zu einem Zielumfang von 1800 Dienstposten führen. Dass zu dessen Kernaufgaben auch andere Bereiche wie Spionage-, Sabotage- und Terrorabwehr gehören, müsste eigentlich klar sein. Aber das schien keine Rolle mehr zu spielen. Jedenfalls höchst merkwürdig war dann die urplötzliche Ablösung des bisherigen MAD-Chefs Gramm vom September 2020. Die Spitze des Ministeriums, Kramp-Karrenbauer, präsentierte ihrer Regierungschefin ein Bauernopfer. Gramm wurde durch die vormalige Bundeswehrdisziplinaranwältin Martina Rosenberg ersetzt.
Das alles ist Methode: „Haltet den Dieb!“ Schuld sind immer andere. Merkel schwebt über allem, und dennoch hält sie alle Fäden in der Hand und betreibt Personalpolitik nach Gutsherrenart. Deshalb pflastern viele politische und administrative Leichen ihren Weg. Die Partei, die sie 18 Jahre lang nach ihrer Pfeife tanzen ließ, wird es noch lange zu büßen haben.
Lesetipp:Die Corona-Maßnahmen haben unzählige Menschen extrem hart getroffen. Sie haben viele Existenzen gefährdet und vernichtet. Ich möchte Menschen, die betroffen sind, helfen – und veröffentliche deshalb auf meiner Seite Reklame von ihnen. Mit der Bitte an meine Leser, sie wohlwollend zu betrachten.
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Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)
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