Geld aus Deutschland: Wehe, wenn es ausbleibt! In Brüssel machen sich Auflösungserscheinungen bemerkbar, die bemerkenswert sind.

Von Sönke Paulsen

Wer Michel Barnier kennt, weiß, dass es sich um einen „Friend of Europe“ handelt, einen Befürworter der europäischen Integration bis hin zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ mit der Hauptstadt Brüssel.

So weit, so gut.

Aber auch der ehemalige französische Außenminister, EU-Kommissar und Chefunterhändler der EU gegenüber dem scheidenden Großbritannien scheint jetzt kleinere Brötchen zu backen. Vielleicht sogar Brötchen mit einem ganz anderen Geschmack.

Denn Barnier ist gerade dabei, seine konservative Hauspartei Les Républicains (LR) in Frankreich nach rechts zu schieben! Er will Präsident werden.

In der Migrationsfrage klingt das für uns beeindruckend, weil Barnier einen kompletten Zuwanderungs-Stopp aus Drittländern will, bis die Abschiebepraxis für diejenigen, die kein Bleiberecht haben, effektiver geworden ist. Er denkt an drei bis fünf Jahre als Moratorium.

Bei uns wäre das ein Paukenschlag. In Frankreich ist es derzeit das Mindeste, was diskutiert wird.

Ähnliche Pläne wie Barnier von den Konservativen hat auch Marine Le Pen vom „Rassemblement National“ (RN), was in Frankreich nicht so anstößig zu sein scheint, wie es inhaltliche Überschneidungen in der Migrationspolitik zwischen Union und AfD in Deutschland sind. Zumindest dann, wenn sie öffentlich geäußert werden.

Frankreich muss seine rechtliche Souveränität zurückgewinnen und soll, so Barnier, nicht mehr den Urteilen des Gerichtshofs der EU und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unterworfen sein. Diese Äußerung würde bei uns helle Hysterie in den Medien verursachen und Barnier wäre auf linken deutschen Twitter-Kanälen längst ein Nazi.

Zumal der Franzose mit Ambitionen auf die französische Präsidentschaft klar sagt: „Es gibt viel zu viele Menschen, die kein Bleiberecht haben, aber nicht ausgewiesen werden.“

„Gerade weil ich Patriot und Europäer bin, will ich eine gewisse Zahl an Dingen ändern, die in der EU nicht funktionieren“.

Er ist also Patriot und Europäer. In Deutschland würde das nicht gehen. Bei uns wäre er Nationalist und den Europäer würde man ihm absprechen.

Aber gerade weil Barnier einer der glühenden Europäer ist und als „Friend of Europe“ langjähriges Mitglied der obersten Europalobby, die eng mit George Soros zusammenarbeitet, gerade deshalb sind diese Aussagen so bemerkenswert.

Von Soros hört man nicht mehr viel, seit er in Ungarn seine politischen Zelte abbrechen musste, weil das Klima unter Orbán und seiner Fidesz-Partei für ihn zu national wurde. Barnier dagegen wirkt irgendwie gewandelt.

Ist das symptomatisch für die aktuelle Situation in Brüssel?

Im abgelaufenen Bundestagswahlkampf war Europa kein Thema. In Brüssel aber war unser Wahlkampf das Thema Nr. 1.

Man fürchtet dort einen Gewichtsverlust nach der Ära Merkel und der Europäische Rat wartet fast verzweifelt auf eine schnelle Regierungsbildung in Berlin. Denn die EU ist international im Hintertreffen wie zu keinem Zeitpunkt ihrer Geschichte. Der AUKUS-Pakt, ein Verteidigungs- und Sicherheitsbündnis zwischen den USA und Australien sowie dem UK hat besonders Frankreich eiskalt erwischt. Aber auch die EU wird zunehmend von den USA ausgebremst, wenn es um den weltwichtigsten pazifischen Wirtschaftsraum geht. Eigentlich hat Brüssel dort nur noch einen Partner, der äußerst zweifelhaft ist: China.

Die Zeit der großen Freihandelsabkommen ist vorbei und die neue „grüne Identität“ der EU muss von großen und angepassten Handelsverträgen begleitet werden, wenn wir in Europa unseren „Green New Deal“ nicht mit uns selber machen wollen. Genau diese Gefahr besteht und es ist völlig unklar, wer die europäische ökologische Transformationen mit ihren Produkten in die Welt tragen soll.

Ursula von der Leyen vielleicht? Emmanuel Macron? Vielleicht. Olaf Scholz? Eher nicht.

Am Ende ist die grün gefärbte Hauptstadt der EU ohne Merkel vermutlich hilflos. Wer übernimmt die kalte Akquise in Asien, dem wichtigsten Markt für die ökologische Erneuerung? Denn die USA haben ihre eigenen Unternehmen und drängen selbst in den pazifischen Wirtschaftsraum.
Der Eindruck der weltweiten Abgeschlagenheit der EU drängt sich auf und die Blütenträume der „Vereinigten Staaten von Europa“ sind längst ausgeträumt. Stattdessen polnische Überlegungen für einen Austritt aus der EU, innere Emigration und Abwendung der östlichen EU-Staaten von Brüssel und die physisch spürbare Angst der südeuropäischen Länder vor einem Finanzminister Lindner, der den Geldhahn für Brüssel abdrehen könnte, wenn er tatsächlich auf der Schuldenbremse besteht.

Das alles nach der Pandemie, in der Brüssel auf ein großzügiges deutsch-französisches Programm zum Wiederaufbau der angeschlagenen europäischen Wirtschaft hofft.

Man bekommt den Eindruck, dass Brüssel mit dem Rücken zur Wand steht. Michel Barnier ist nur ein Meinungsführer, der jetzt in das nationale französische Lager wechselt. Wer wird ihm noch folgen?

Die Krise in Brüssel ist mit Händen zu greifen. Denn für alle großartigen Ankündigungen der letzten zwei Jahre braucht es vor allem eines:
Viel Geld, vor allem aus Deutschland.

Die Liberalen sind in Brüssel schon recht unbeliebt. Denn sie pochen auf die Selbstheilungskräfte der angeschlagenen Mitgliedsstaaten. Der Markt soll es richten.

Das hört man in Brüssel mit großem Schrecken.

Denn die Hauptstadt ist zu einem Sammeltopf von Ideologen und grünen Wirrköpfen geworden, die selbst keinen einzigen Euro generieren können, aber der Wirtschaft das komplexeste Bedingungsgefüge überhelfen wollen, das die europäische Ökonomie seit Ende des Zweiten Weltkrieges jemals schultern musste. CO2-Rechte, Nachhaltigkeitsverpflichtungen und Klimaneutralität. Merkels Erbe und die Ideologie der – in Brüssel recht dominanten – Grünen.

Alle hoffen sie dringend auf Geld aus Deutschland!

Wehe, wenn es ausbleibt, aber genau danach sieht es im Augenblick aus. 

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.

Bild: Shutterstock
Text: Gast

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