Gericht erlaubt Gendern an Berliner Schulen: „Ein ideologisches Urteil“ Linguist spricht Klartext

Von Kai Rebmann

Ein Vater ist in Berlin vor Gericht gezogen und wollte erreichen, dass an den Schulen seiner beiden Kinder nicht mehr gegendert werden darf, zumindest nicht im Unterricht und dienstlichen Schriftverkehr. Die Chancen schienen nicht schlecht zu stehen, denn der deutsche Rechtschreibrat spricht sich ausdrücklich gegen das Gendern aus.

Und in dessen Statut heißt es unmissverständlich, dass die Vorschläge des Gremiums „durch Beschluss der zuständigen staatlichen Organe Bindung für Schule und Verwaltung“ erhalten. Untermauert wird das durch den wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags, der dazu festgestellt hat: „Die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung ist die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen.“

Doch es kam anders. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und sich damit sehenden Auges über die beiden vorgenannten Grundsätze gestellt. Der Linguist Peter Eisenberg spricht im Interview mit der „Berliner Zeitung“ nicht nur von einem „Fehlurteil“, sondern bezeichnet dieses ausdrücklich auch als „ideologisch“ und „rechtswidrig“.

Ein klarer Fall von Willkür also? So weit sollte man im Eifer des Gefechts nicht gehen. Dennoch werden unweigerlich Erinnerungen an Christian Dettmar wach. Dem Familienrichter aus Weimar wird unter anderem Rechtsbeugung und Willkür vorgeworfen, weil er ein nicht mainstreamkonformes Urteil zu den Corona-Maßnahmen an Schulen gefällt hatte. Hausdurchsuchungen, Berufsverbot und ein Strafverfahren waren die Folge. Droht Ähnliches nun auch seinen Berliner Kollegen?

Gender-Verbot im Unterricht, aber nicht auf Arbeitsblättern

Eisenberg macht den ganzen Irrsinn des Urteils an einem einfachen Beispiel deutlich. Das Gericht sei zu dem Schluss gekommen, dass sehr vieles, was an Berliner Schulen geschrieben wird, weder zum Unterricht noch zum amtlichen Schriftverkehr gehöre, so etwa Arbeitsblätter, Lehrmaterialien oder auch Elternbriefe. Daraus werde dann die These, „eine Mail, die sich an Elternvertreter*innen richtet, sei nicht zu beanstanden“, wundert sich wohl nicht nur der Sprachforscher.

Zumindest indirekt wirft Eisenberg dem Direktor eines der beiden beklagten Gymnasien vor, sich nicht an Recht und Gesetz, sprich die Vorgaben des deutschen Rechtschreibrats zu halten. Dieser habe den Lehrern der betreffenden Schule freigestellt, zu gendern, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass „im Übrigen die amtliche Rechtschreibung“ gelte. In ähnlicher Weise wollte sich der Präsident der Freien Universität aus der Verantwortung stehlen, indem er sich nach mehrfachen Beschwerden damit zufriedengab, lediglich auf die „Geltung der amtlichen Regelung“ in seinem Haus zu verweisen.

Damit machen es sich die beiden Rektoren nach Ansicht von Peter Eisenberg aber zu einfach. Ihre Aufgabe sei es nicht nur, sich selbst an amtliche Regelungen zu halten, sondern diese in ihren Einrichtungen auch durchzusetzen. Ansonsten müsse man sich fragen, welchen Sinn solche Vorgaben dann überhaupt noch hätten. Er sehe darüber hinaus „keine Möglichkeit, den dienstlichen Schriftverkehr in der Schule von der amtlichen Rechtschreibung zu entfernen, wie das hier (im vorliegenden Fall) vom Gericht akzeptiert wird.“

Kläger ein Kämpfer für alle ‚Sprecher des Deutschen‘

Der Linguist erteilt auch der von ihren Befürwortern immer wieder hervorgebrachten These eine Absage, bei der Einführung der Gendersprache handele es sich lediglich um eine „Weiterentwicklung“ der deutschen Sprache, wie es sie immer schon gegeben habe. Stattdessen bezeichnet Eisenberg die Gendersprache als „Bruch in der Sprachentwicklung“, worin sich auch alle Sprachforscher einig seien, jedenfalls die, die „nicht ideologisch eingemauert sind.“

Dem Gericht wirft der Experte vor, „eine tausendjährige Sprachgeschichte“ infrage zu stellen, die dazu geführt habe, dass das Deutsche heute eine Allgemeinsprache sei und zu „den großen Sprachen der Erde“ gehöre. Den Befürwortern der Gendersprache spricht er die Legitimation, über die Festschreibung des allgemeinen Sprachgebrauchs zu befinden, schon allein deshalb ab, „weil eine erdrückende Mehrheit der Sprecher gegenderte Sprache ablehnt.“

Der vor dem Gericht in erster Instanz gescheiterte Vater ist für Eisenberg ein Kämpfer „für alle Sprecher des Deutschen“ – und solche, die es noch werden wollen. Das Argument des Gerichts, die genderneutrale Sprache sei ohne Weiteres für alle verständlich, lässt der Linguist nicht gelten und verweist auf „schwache Leser und Schreiber“ sowie Migranten und ähnliche Lerner der ohnehin schon nicht einfachen deutschen Sprache.

Peter Eisenberg illustriert das mittels eines einfachen Beispiels: „Nehmen wir eine Form wie Lehrer*innen, also eine Pluralform. Ihr Singular ist Lehrer*in. Und nun setzen Sie mal im Singular einen Artikel davor. Sie erhalten etwas wie der/die Lehrer*in – damit wird alles unklar und kompliziert, denken Sie nur einmal an den Genitiv des Lehrers/der Lehrer*in.“

Trotz allem scheint der Sprachforscher (Jahrgang 1940) seinen Humor noch nicht ganz verloren zu haben und fragt sich abschließend, was künftig aus seiner eigenen Selbstbeschreibung werden soll. Bisher sei er als „alter Knacker“ durch die Welt gezogen, woraus zukünftig – sollte die Gendersprache irgendwann doch noch zur Norm werden – dann womöglich „alter Knackender“ werden könne.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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