Hausdurchsuchung wegen „Schwachkopf“, Nichtstun bei Morddrohungen Amoklauf in Esslingen: „Mein Sohn könnte noch leben“

Von Kai Rebmann

Bereits im August hat der Bewohner einer Mietwohnung in der Esslinger Innenstadt angekündigt, den Sohn des Vermieters und dessen Verlobte umzubringen. Anschließend werde er das ganze Haus abbrennen, so die unverhohlene Drohung gegenüber einem Mitbewohner der Immobilie. Vor kurzem setzte der Mann seinen Plan schließlich in die Tat um. Der Sohn (31) wurde bei dem Angriff getötet, die Verlobte konnte sich durch einen Sprung aus dem Fenster retten und liegt mit schweren Brandverletzungen im Krankenhaus.

Jetzt hat sich der Hausbesitzer und Vater des Opfers zu Wort gemeldet. Der 76-jährige erhebt schwere Vorwürfe gegen die Justiz. Der Täter sei polizeibekannt gewesen, sagt er. Und er habe die Behörden schon vor Wochen gewarnt, dass der Mann gefährlich sei, und konkrete Drohungen gegen ihn und seine Familie ausgesprochen habe. Passiert sei jedoch nichts, beklagt Rolf S. gegenüber dem SWR.

Die Aussagen des Vaters im Wortlaut (in Auszügen): „Nicht nur wir, sondern auch Freunde, die zu uns kamen, wurden massivst bedroht. Es wurden Todesdrohungen, Morddrohungen ausgerufen. Vor allem in der Zeit natürlich, wo es klar war, dass er ausziehen musste. Das Ganze ist nicht nur ein paar Monate her, sondern ein paar Jahre, das ging über Jahre. Die Polizei war ständig im Haus.“

Jahrelange Drohungen ließen Polizei völlig kalt

Hintergrund: Bereits im Spätjahr 2023 hat das Amtsgericht Esslingen die Zwangsräumung der Wohnung angeordnet, in der der 61-jährige Täter lebte. Jetzt sollte diese vollstreckt werden, so dass der Amok-Mieter seine Drohungen in die Tat umsetzte und sich anschließend selbst richtete.

Der Vater berichtet weiter: „Er hat gedroht und geprahlt, wenn er ausziehen müsste, würde er zuerst meinen Sohn umbringen, dann seine Freundin und dann das Haus anzünden, hochbomben.“ Das habe ihm ein Mieter erzählt, der im August dieses Jahres ausgezogen sei. Der Täter habe dem Mann auch selbst gebastelte Waffen gezeigt, unter anderem eine Pistole „oder so etwas Ähnliches“ sowie Feuer- und Brandsätze.

Dann schildert Rolf S. den eigentlichen Skandal: „Ich bin daraufhin zur Polizei in Esslingen gegangen und habe das dort gemeldet. […] Daraufhin fragte ich: Leute, die Bedrohungslage ist extrem. Könnt ihr nichts tun? Ihr müsst da reingehen und gucken, was da Sache ist, ob da tatsächlich Waffen sind.“

Daraufhin habe der Vermieter folgende Antwort bekommen: „Ne, wir kriegen keinen Durchsuchungsbeschluss in diesem Fall von der Staatsanwaltschaft. […] Weil diese Aussagen schon vor vier oder fünf Monaten getätigt wurden.“

Trotz dieser auch aus objektiver Sicht sehr eindeutigen Drohungen wurde bei der Polizei bzw. im übergeordneten Justizapparat kein Handlungsbedarf gesehen – angeblich, weil sie schon zu lange zurücklagen. Oder hatte man gerade bloß keine Kapazitäten frei, weil Polizei und Staatsanwaltschaft überlastet waren? Diese zugespitzte Fragestellung muss erlaubt sein, wenn im Deutschland anno 2024 offene Mord- und Gewaltdrohungen ignoriert werden, gleichzeitig aber umfangreiche Hausdurchsuchungen stattfinden, weil Politiker wegen Allerwelts-Frotzeleien wie „Schwachkopf“ ihr Ego angekratzt sehen.

Haben sich Polizei oder Staatsanwaltschaft strafbar gemacht?

Immerhin jetzt scheint die Justiz zum Handeln gewillt. Nach Informationen der dpa hat die Staatsanwaltschaft Heilbronn die Ermittlungen zu den Vorwürfen des Vaters übernommen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart musste das betreffende Verfahren abgeben, um etwaige Interessenskonflikte zu vermeiden. Geprüft werde, ob der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung vorliege und in der Folge gegebenenfalls ein Ermittlungsverfahren gegen Beamte der Polizei in Esslingen einzuleiten sei.

Für Rolf S. und dessen Sohn kommt das alles freilich viel zu spät. Eine Ahnung davon, wie es dem Vater geht, bekommt man, als dieser die Minuten nach der Tat schildert: „Wenn Sie ihr Kind finden auf dem Treppenabsatz – tot – und Sie sagen: Luca, steh auf, Luca, steh auf! Und er kann nicht mehr aufstehen, weil er tot ist. Ich habe die Schreie von Luca und seiner Freundin noch im Kopf – ich konnte nicht helfen.“

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Screenshot Video SWR

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