Von reitschuster.de
Viel war in den vergangenen Tagen und Wochen von angeblich dramatischen Zuständen in den Krankenhäusern zu lesen und zu hören. Allenfalls am Rande wurde dabei erwähnt, dass diese weniger einem erhöhten Patientenaufkommen geschuldet waren, als vielmehr einem hausgemachten Personalnotstand. In einzelnen Krankenhäusern fielen bis zu 50 Prozent der Belegschaft aus, weil sie einen positiven Corona-Test hatten und deshalb – nicht selten völlig symptomfrei – zu Hause bleiben mussten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird ohnehin nicht müde, vor einer dramatischen Herbstwelle zu warnen, und das Robert-Koch-Institut meldete zuletzt eine „deutlich über den Werten der Vorsaisons“ liegende Anzahl der Atemwegserkrankungen. Der WDR fabuliert gar von einer „Twindemie“ und will damit offenbar die Angst vor einer Doppelwelle aus Corona und der Grippe schüren. Aber: Von einer Überlastung der Krankenhäuser oder gar des Gesundheitssystems als solches ist Deutschland nach Einschätzung zahlreicher Experten meilenweit entfernt.
Egal, wen der WDR im Rahmen seiner Berichterstattung zur angeblichen „Twindemie“ auch befragte, überall gab es entwarnende Reaktionen. Dr. Viola Priesemann, Forscherin am Max-Planck-Institut in Göttingen und Mitglied des Expertenrats der Bundesregierung, gab sich „relativ optimistisch“ und sieht die Doppelwelle nicht als eine Gefahr für das Gesundheitssystem an. Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Alexander Kuhlmann aus Halle/Saale verweist auf die hohe Immunität in der Bevölkerung, weshalb er von einem „relativ guten Schutz gegen einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion mit den aktuell in Deutschland verbreiteten Varianten“ ausgeht. Diese Einschätzung wurde inzwischen auch von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger bestätigt. „95 Prozent der Bevölkerung besitzen bereits Antikörper gegen das Coronavirus“, erklärte die FDP-Politikerin Mitte dieser Woche. Früher nannte man so etwas Herdenimmunität.
Hausärzte sehen veränderte Pandemielage
Auch beim Hausärzteverband Nordrhein will man von einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems offenbar nichts wissen. Dessen Sprecherin Monika Baaken sieht in den Praxen ihrer Kollegen zwar ein „deutlich erhöhtes Patientenaufkommen“. Aber erstens war dies in Vor-Corona-Zeiten für die alljährlich im Herbst beginnende Erkältungszeit ein durch und durch erwartbares „Phänomen“ und zweitens – und viel wichtiger – sieht es dafür in den Kliniken „relativ entspannt“ aus. Die Pandemielage habe sich im Vergleich zu den Vorjahren also verändert, wie schließlich auch der WDR einräumen muss.
Bemerkenswert ist aber vor allem, weshalb es nach Einschätzung von Monika Baaken in diesem Herbst zu etwas volleren Arztpraxen kommt. Viele Menschen wüssten nicht, ob sie Corona haben oder eine klassische Erkältung und würden deshalb ihren Hausarzt aufsuchen. Die ersten Experten scheinen also dazu überzugehen, Corona nicht mehr mit der Grippe zu vergleichen, sondern stattdessen nur noch mit einer „klassischen Erkältung“. Nachdem Baaken mit dieser Aussage also deutlich aus dem Lauterbachschen Narrativ ausgeschert ist, hören sich die folgenden Einlassungen der Ärztin wie eine Abbitte beim Gesundheitsminister an. „Was man zwei Jahre für seinen persönlichen Schutz getan hat, sollte man aufrechterhalten“, so Baaken. Mit Masken und Reduzierung der Kontakte könne sich jeder selbst schützen, findet die Sprecherin des Hausärzteverbands Nordrhein.
Die wahren Ursachen der „Twindemie“ werden ignoriert
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass der WDR mit seinem Bericht nicht blindlings dem Panik-Kurs von Karl Lauterbach und dem ihm unterstellten RKI folgt. Um eine wichtige Tatsache wird dennoch ein großer Bogen geschlagen. Mit den immer wieder eingestreuten Hinweisen auf vermeintliche „Schutzmaßnahmen“ wie die Masken oder das Abstandhalten wird suggeriert, dass diese die „Twindemie“ verhindern oder eindämmen könnten. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, zumindest wenn man einen mittel- bis langfristigen Blick auf die Dinge hat.
Bereits im Sommer wurde ein ungewöhnlich starker Anstieg bei den RSV-Erkrankungen verzeichnet. Damals wie heute hat das natürlich mit dem Fallen der Masken zu tun. Die von den jeweiligen Bundesregierungen in den vergangenen Jahren verhängten Maßnahmen haben erwartungsgemäß nicht dafür gesorgt, dass Corona verschwunden ist. Stattdessen haben Masken und Co. dem menschlichen Immunsystem einen Bärendienst erwiesen und uns anfälliger für alle möglichen Arten von Viren und Bakterien gemacht. Das RKI hat gewiss nicht ganz unrecht, wenn es betont: „Die Corona-Maßnahmen der vergangenen beiden Jahre haben also auch die Grippe in Schach gehalten.“ Im Umkehrschluss darf das aber nicht bedeuten, dass Masken, eingeschränkte Sozialkontakte und weitere Maßnahmen bis in alle Ewigkeit beibehalten werden müssen, nur um Wellen zu verhindern, die seit Menschengedenken schon immer zum Leben und – in einigen wenigen Fällen – leider auch zum Sterben dazugehört haben.
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