Lockdown: Ist Merkel an ihren eigenen Maßstäben gescheitert? Erstaunliche Aussage von Seibert

Sehen Sie hier mein heutiges Video von der Bundespressekonferenz an – mit den oben beschriebenen Dialogen und vielem mehr – etwa der Erkenntnis, dass wegen der Corona-Maßnahmen die Polizei wegen Ordnungswidrigkeiten faktisch in jede Wohnung eindringen kann.

Merkels Sprecher Steffen Seibert kam heute darauf zurück, worauf ich ihn am Dienstag angesprochen hatte: Dass Großbritannien schon weitreichende Öffnungen vollzieht. Ich hatte ihn dazu gefragt, was Großbritannien besser gemacht habe. Ohne von mir darauf angesprochen worden zu sein, griff Seibert das Thema heute noch einmal auf. Er sagte in einer Antwort auf eine andere Frage von mir: „Herr Reitschuster hat mir bzw. uns neulich ja noch einmal Großbritannien als Beispiel vorgehalten. Der britische Premierminister hat vor zwei oder drei Tagen in einem Interview ganz klar gesagt, worauf die Senkungen der Inzidenzen in Großbritannien, die viel geringere Zahl an Menschen, die auf den Intensivstationen behandelt werden müssen, und die geringere Totenzahl zurückgehen, nämlich ganz klar auf die harten, wochenlangen Maßnahmen des Lockdowns. Schauen Sie sich dieses Interview an. Das ist es, was tatsächlich notwendig ist, um, wie es der Kollege aus dem Gesundheitsministerium gesagt hat, von diesen so nicht tragbaren hohen Inzidenzen herunterzukommen.“

Leider hatte ich zu diesem Zeitpunkt keine Nachfrage mehr verfügbar und deshalb konnte ich nur noch mit ausgeschaltetem Mikrofon nachhaken: „Warum haben Sie es dann nicht gemacht wie die Briten?“ Wenn das der erfolgversprechende Weg war. Seibert beantwortete meinen Zwischenruf nicht mehr. Warum, ist nachvollziehbar: Sein Einwurf war eigentlich aus der Logik der Regierung heraus ein Eigentor: Wenn man seinen Gedanken zu Ende denkt, dann wäre die logische Schlussfolgerung, dass die Bundesregierung nach ihren eigenen Maßstäben versagt hat und wir alle jetzt noch im April in einen härteren Lockdown gezwungen werden, weil die Bundes- und Länderregierungen nicht rechtzeitig einen harten Lockdown durchsetzten. Doch solche Logik-Widersprüche scheinen heute nur noch wenigen aufzufallen. Umso interessanter ist der Einblick in die innere Logik des Regierungshandelns, die Seibert damit offen gelegt hat. Sie wirft die Frage auf: Macht man sich im Kanzleramt Vorwürfe, dass man nicht hart genug gehandelt hat und will man das jetzt kompensieren? Und: Warum vergleicht man sich nicht etwa mit Schweden oder Texas, wo auch ohne einen Lockdown keine Katastrophe erfolgte? Auf meine Fragen danach antwortete die Bundesregierung schon früher ausweichend. Und anders als bei meiner Frage nach Großbritannien kam sie darauf auch nicht zurück.

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Ich musste bei den Ausführungen an den Vorwurf der früheren Kieler SPD-Oberbürgermeisterin Susanne Geschke denken, im Kanzleramt regiere „eine ‚No Covid‘-Sekte (siehe hier). Die langjährige Sozialdemokratin fordert: „Der Bundestag muss dem Corona-Wahnsinn des Kanzleramtes Einhalt gebieten.“

Umstrittene Inzidenz

Ein weiteres Thema heute auf der Bundespressekonferenz war der Inzidenzwert. Namhafte Kritiker laufen Sturm dagegen, dass sich die Bundesregierung bei ihrer Politik und bei ihrer Neufassung des Infektionsschutzgesetzes so stark auf diesen umstrittenen Wert stützt. Er gebe „aufgrund der durchaus erwünschten Ausweitung von Testaktivitäten zunehmend weniger die Krankheitslast in der Gesellschaft wieder“, schrieb etwa der frühere Chef-Virologe der Berliner Charité und Drosten-Vorgänger Detlev Krüger in einem Brief an die Kanzlerin: „Zudem unterliegt dieser Wert zunehmend schwankenden Erfassungswahrscheinlichkeiten, die völlig unabhängig vom eigentlichen Infektionsgeschehen sind.“

Ich befragte dazu heute den Sprecher Merkels, Steffen Seibert, auf der Bundespressekonferenz: „Die Bundesregierung sagt ja immer wieder, dass der Inzidenzwert nicht allein entscheidend ist. Warum ist er jetzt im Gesetz als alleiniges oder als wichtigstes Merkmal aufgeführt?“

Seibert antwortete: „Das ist ja eine Frage, die Sie vielfach gestellt haben und die wir vielfach beantwortet haben; ich kann es aber gerne trotzdem noch einmal sagen.“

Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil ich die Frage deshalb wiederhole, weil sie m.E. nie wirklich beantwortet wurde. So erging es mir in meinen Augen auch heute – aber lesen Sie selbst, was Seibert mir weiter antwortete und urteilen Sie selbst:

„Erstens. Wenn Sie in das Gesetz schauen, dann werden Sie sehen, dass da in dem Text vor den eigentlichen Gesetzesklauseln auch andere Indikatoren genannt sind. Die Bundesregierung hat nie nur auf den einen Indikator Inzidenz geschaut. Sie hat das in der Vergangenheit nicht getan und sie tut das auch jetzt nicht. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist aber das zentrale Kriterium, an das sich Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens knüpfen. Die Inzidenz hat eine hohe Aussagekraft für das Infektionsgeschehen und für die Entwicklung in allen Bereichen. Das ist ein Frühindikator. Wenn die Inzidenz steigt, dann werden Sie zeitverzögert erleben, dass auch die Zahl der Erkrankten, die auf den Intensivstationen behandelt werden müssen, steigt. Da gibt es eine ganz klare Korrelation. Deswegen ist es richtig, zuerst, also bevor die komplette Auslastung der Intensivstationen erreicht ist, auf die Inzidenz als Frühindikator zu schauen und dann zu handeln.

Die Inzidenz ist als Schwellenwert im Übrigen für Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz auch in dem noch geltenden, ich sage einmal, alten Infektionsschutzgesetz verankert, und deswegen haben wir darüber hier ja häufig gesprochen.

Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Parlamentsrede heute ja ganz klar auf die Zustände und die bedrängte Situation in vielen Intensivstationen hingewiesen. Natürlich ist das etwas. Aber erst dann zu handeln, wenn die Intensivstationen schon nahezu voll sind, ist sehr spät. Die Inzidenz zeigt uns also an, wohin die Entwicklung auch im Gesundheitswesen und in den Krankenhäusern geht.“

Ich fragte nach: „Sie sagen, da seien auch andere Werte drin. Aber die konkreten Maßnahmen sind ja nur an die Inzidenz gekoppelt und da haben die anderen Werte ja keinen Einfluss. Warum ist das so?“

Seiberts Antwort: „Ich habe Ihnen das gerade so gut ich kann erklärt und ich finde, ganz überzeugend.“

Ich finde nicht, dass es überzeugend war. Aber entscheidend ist das Urteil von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, Sie sind der Souverän und damit auch Seiberts Arbeitgeber.

Hier mein Video zum Text – von der heutigen Bundespressekonferenz:

 

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Bild:  Boris Reitschuster
Text: br


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