Mehrheit der Verbraucher für Zulassung von Laborfleisch! Wirklich? Umfrage in Deutschland und Österreich

Von Kai Rebmann

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast! Getreu diesem Motto fallen die Reaktionen von Kritikern einer Umfrage aus, die jetzt ans Licht gebracht haben will, dass sich in Deutschland und Österreich eine Mehrheit für die Zulassung von Laborfleisch als Lebensmittel ausspricht. Der Zeitpunkt dieser Meinungserhebung ist freilich kein Zufall, da sich die EU-Kommission ganz aktuell sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt.

Österreich steht zusammen mit Italien und Frankreich an der Spitze einer Koalition aus 18 EU-Ländern – Deutschland ist nicht dabei –, die sich vehement gegen die Alternative aus dem Labor wehrt. Agrarminister Norbert Totschnig (ÖVP) sagte dazu im Januar, es gehe letztlich um die Frage, „ob wir uns künftig mit Kunstfleisch aus der Fabrik oder mit natürlichen, regionalen Lebensmitteln ernähren“ wollen.

Verbände und Politik äußern Zweifel

Eben dieser Frage gingen die Meinungsforscher von YouGov nach, und zwar im Auftrag des „Good Food Institute Europe“ (GFI), einem laut Eigenbeschreibung „gemeinnützigen Think-Tank“, sprich einer NGO, die den Verzehr von pflanzenbasierten und/oder kultivierten Lebensmitteln anpreist. Letzteres schließt unter anderem Laborfleisch ein.

Dazu wurden im Februar in Deutschland insgesamt 2.105 Bürgern (in Österreich: 1.005) mehrere Fragen rund um den Themenkomplex kultivierte bzw. fleischlose Lebensmittel gestellt. Mit durchaus überraschendem Ergebnis. Laut der Umfrage sprechen sich 65 Prozent (eher) für die Zulassung von Laborfleisch in der EU aus, sofern es seitens der Behörden als „sicher und nahrhaft“ eingestuft werde. In Österreich sollen sich 63 Prozent (eher) dafür ausgesprochen haben. 47 Prozent (bzw. 42 Prozent) der Befragten würden Laborfleisch zumindest einmal probieren wollen, falls es die Marktzulassung bekäme.

Was die Macher bzw. Auftraggeber dieser Umfrage freuen dürfte, stieß auf der anderen Seite ebenso selbstverständlich auf Kritik. Georg Strasser, Präsident des Bauernbundes in Österreich, attestierte der Umfrage, „nicht repräsentativ“ und von einer NGO lanciert worden zu sein, „die es sich zum Ziel gesetzt hat, die natürliche Lebensmittelproduktion zu verteufeln.“ Durch „tendenziöse Fragestellungen“ sei bewusst ein Ergebnis provoziert worden, das in eine „gewisse Richtung“ zeigen solle: „Das ist eine Kampfansage und wir wollen es nicht zulassen, dass dieser Kampf auf dem Rücken unserer Bäuerinnen und Bauern ausgetragen wird.“

Zum Fairplay gehört an dieser Stelle, dass sowohl GFI Europe als auch YouGov den repräsentativen Charakter der vorliegenden Umfrage betonen. Zweifel scheinen bei genauerer Betrachtung der Ergebnisse aber zumindest nicht gänzlich unberechtigt. So wurden die Teilnehmer mit Bezug auf Laborfleisch unter anderem auch gefragt, ob sie folgender Aussage zustimmen können: „Von dieser neuen Art der Fleischzubereitung habe ich schon einmal gehört.“

In Deutschland ist das offenbar bei 53 Prozent der Befragten der Fall, in Österreich bei 59 Prozent. Diese Zahlen stehen wohlgemerkt im offenen Widerspruch zu den oben genannten 65 bzw. 63 Prozent, die folgender Aussage (eher) zustimmen sollen: „Falls kultiviertes Fleisch [Laborfleisch] von den Lebensmittelsicherheitsbehörden als sicher und nahrhaft eingestuft wird, sollte es zugelassen werden, damit Verbraucher die Wahl haben, ob sie kultiviertes Fleisch essen möchten oder nicht.“

Widersprüchliche Ergebnisse

Es ist zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, klingt aber doch zumindest sehr seltsam, dass sich mehr Menschen (eher) für die Zulassung von Laborfleisch als Lebensmittel aussprechen, als eigenen Angaben zufolge jemals davon gehört haben. Zumindest in ländlichen Regionen, von denen es in Österreich noch bedeutend mehr gibt als in Deutschland, gilt (oder galt?) die Devise: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.“ Glaubt man der YouGov-Umfrage im Auftrag von GFI Europe, dann müssen sich die Zeiten auch in dieser Hinsicht ganz grundlegend geändert haben.

Die einfachste Erklärung – und das meint der Bauernbund-Präsident dann wohl auch mit dem Vorwurf der „tendenziösen Fragestellung“ – liegt im Detail: Es ist in der Tat ein ganz erheblicher Unterschied, ob die Frage einfach nur lautet: „Befürworten Sie die Zulassung von Laborfleisch als Lebensmittel?“ Oder eben so, wie oben zitiert – denn wer will anderen schon die Wahlfreiheit absprechen?

Norbert Totschnig nahm die Umfrage zum Anlass, seiner Meinung zu dem Kunstprodukt abermals Ausdruck zu verleihen. Österreichs Agrarminister sieht hinter der aktuellen Diskussion um Laborfleisch nicht zuletzt die Interessen einer riesigen Lobby: „Industrielles Laborfleisch steht im Widerspruch zu unseren bäuerlichen Familienbetrieben und unserer natürlichen Lebensmittelproduktion. Hier werden Inhaltsstoffe und Methoden eingesetzt, deren Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt noch keiner gänzlich kennt.“

Mit welcher Vorsicht die Ergebnisse der aktuellen Umfrage zu genießen sind, zeigt auch dieser Vergleich: Noch vor wenigen Monaten, im Juli 2023, zeigte sich zumindest in Deutschland ein gänzlich anderes Bild. Eine repräsentative Telefonumfrage für den Digitalverband Bitkom hat damals ergeben, dass sich gerade einmal 20 Prozent vorstellen könnten, kultiviertes Fleisch aus dem 3D-Drucker zu essen. Knapp drei Viertel der Befragten lehnten dies (eher) ab.

Ob es nun an der Art der Fragestellung oder an den Umfragen selbst liegt, sei dahingestellt. Aber dass sich die Zahl derer, die Laborfleisch essen bzw. unter Umständen zumindest einmal probieren würden, innerhalb eines guten halben Jahres von 20 auf jetzt 47 Prozent mehr als verdoppelt haben soll, scheint tatsächlich nur schwer vorstellbar.

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