Mücken-Impfung: Durchbruch oder dystopischer Blick in die Zukunft? Versuch an Menschen mit Malaria-Erregern

Von Kai Rebmann

Befürworter bezeichnen die Vorstellung als „faszinierend“, Kritiker warnen vor einem Experiment, das unabsehbare Folgen haben könnte: Forscher von der London School of Hygiene and Tropical Medicine wollen einen revolutionären Durchbruch im Kampf gegen Malaria erzielt haben. Klassische Impfungen gegen den Erreger sollen damit eines Tages überflüssig werden – stattdessen soll der Impfstoff per Mückenstich unter der Bevölkerung verteilt werden.

Das Prinzip ist einfach und beängstigend zugleich, da es zumindest in sehr groben Zügen an die hochumstrittene Gain-of-Function-Forschung erinnert, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Ausgangspunkt der Corona-Krise war: Weibliche Moskitos der Gattung Anopheles sollen – wie bisher schon – den Parasiten Plasmodium falciparum auf den Menschen übertragen.

Doch anders als in der Natur soll es sich dabei um einen modifizierten Typ handeln, der anstatt Malaria auszulösen, entsprechende Antigene produziert, die das menschliche Immunsystem stärken und bei einer tatsächlichen Infektion mit dem nicht modifizierten Erreger eine Immunreaktion hervorrufen sollen.

Erreger produziert Antigene statt sekundärer Parasiten

Bei einer natürlichen Infektion werden mit einem Mückenstich rund 200 dieser einzelligen Erreger freigesetzt. Diese nisten sich innerhalb weniger Tage in der Leber ein und reproduzieren sich dort in 100.000-facher Menge. Die modifizierten Plasmodium falciparum verhalten sich gemäß den Forschern auf eben diese Weise, nur setzen sie in der Blutbahn anstatt der sekundären Parasiten eine Reihe von Antigenen frei. Es werden also nicht die Moskitos selbst gentechnisch verändert, sondern „nur“ der von ihnen übertragene Parasit.

Die Effizienz dieser Methode wird von den Autoren nach einem ersten Probelauf mit einer vergleichsweise kleinen Gruppe von Probanden mit bis zu 89 Prozent angegeben und damit höher als bei den bisherigen Impfstoffen gegen Malaria, die rund 75 Prozent erreichen.

An dem Versuch beteiligten sich den Angaben zufolge 43 Freiwillige, von denen sich in der ersten Phase 20 von Moskitos stechen ließen, die die modifizierten Impfstoffe in sich trugen. Anschließend ließen sich weitere 20 Probanden in drei Etappen im Abstand von jeweils 28 Tagen 50-mal von solchen Moskitos stechen, drei Probanden ließen sich von „normalen“ Moskitos stechen.

Während die drei Freiwilligen aus der nicht-modifizierten Vergleichsgruppe allesamt an Malaria erkrankten, lag die Erfolgsquote in der anderen Gruppe laut der Forscher bei 89 Prozent. Als einzige Nebenwirkung wurde den Freiwilligen lediglich „leichter Juckreiz“ beschrieben. Auf Basis der in diesem Probelauf gewonnenen Erkenntnisse soll als nächster Schritt eine größer angelegte Studie durchgeführt werden.

Mücken-Impfung gegen Malaria nur der Anfang?

Malaria gilt in bestimmten Regionen nach wie vor als eine der häufigsten Todesursachen, insbesondere bei Kindern unter 6 Jahren. Im Jahr 2022 ist es offiziellen Angaben zufolge weltweit zu knapp 250 Millionen Infektionen gekommen, rund 608.000 dieser Fälle verliefen tödlich.

Mit der „Mücken-Impfung“ gegen Malaria verfolgen die Forscher in London das Ziel, Infektionen ganz zu verhindern oder zumindest den Verlauf der Krankheit deutlich abzumildern. Zu den klassischen Symptomen gehören hohes Fieber, Schüttelfrost, Durchfall und Erbrechen.

Auch wenn bis zur endgültigen Markteinführung dieser Form der Massen-Impfung, falls es überhaupt jemals dazu kommt, noch etliche Jahre vergehen dürften, zeigen sich manche schon jetzt beängstigend euphorisch. So schreibt etwa der Blog „Trends der Zukunft“ ¨über die in London durchgeführten Versuche am Menschen: „Es müsste zudem auch noch erforscht werden, ob die Methode auch für andere Impfstoffe funktionieren würde.“ Diese Idee sei „faszinierend“, und zwar in einem solchen Maße, dass es gerechtfertigt sei, „weitere Forschung auf dem Gebiet“ zu betreiben.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: nitpicker/Shutterstock

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