Ein Gastbeitrag von Josef Kraus
Bis vor kurzem konnte man kalauern: Wenn du eine Gender-Sekte suchst, geh‘ zur Evangelischen Kirche. Oder zum ZDF. Oder zum DLF. Oder zur „tageszeitung“ (taz). Nun, heute bietet sich als Gender-Sekte auch die Katholische Kirche an.
Die Gender-'Evangelen'
Aber der Reihe nach – und bleiben wir bei den Kirchen. Hier bei „reitschuster.de“ haben wir uns dem Thema mit Blick auf die Evangelische Kirche ausführlicher am 11. Juni 2020 gewidmet. Damals hatte die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) einen EKD-Leitfaden mit dem kuriosen Titel „Sie ist unser bester Mann! – Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache“ herausgebracht. Aber es war nicht neu. Dass die EKD genderberauscht ist, konnte man regelmäßig den Programmen ihrer Kirchentage entnehmen. Beispiel 2017: Das Nachtgedicht von Matthias Claudius „Der Mond ist aufgegangen“ wurde gendermäßig vergewaltigt: aus dem Vers „so legt euch denn, ihr Brüder“ wurde „so legt euch Schwestern, Brüder“, aus dem „kranken Nachbarn“ wurden „alle kranken Menschen“. Statt „Lobet den Herren“ wurde „Lobet die Ew’ge“ gesungen.
Einen ersten Hype in Sachen „Gendergerechte Sprache“ hatte die evangelische Kirche mit einer „Bibel in gerechter Sprache“ fabriziert. Zwischen 2001 und 2006 hatten 52 Bibelwissenschaftler (40mal m, 12mal w) dieses „Werk“ erarbeitet. So kam eine Bibel zustande mit Hirtinnen und Hirten, Zöllnerinnen und Zöllnern, Apostelinnen und Aposteln (bzw. kaum noch lesbar: ApostelInnen). „Gott“ war auf einmal tot, denn jetzt hieß er mal der Ewige, mal die Ewige, mal die Lebendige, mal der Lebendige, mal die Eine, mal der Eine. Sogar das wunderbare Wort „Herr“ war dahin. Und „Herrin“ ging ja auch nicht, das wäre ja nur ein suffixgeneriertes Anhängsel des Herrn. Mit dem „Vater unser“ war ebenfalls Schluss, jetzt betete man: „Du bist uns Vater und Mutter im Himmel …“ Und damit ja alle Lebensgemeinschaftsabschnittsformen erfasst wurden und die nicht-ehelichen Gemeinschaften keine Diskriminierung erfuhren, hieß das sechste Gebot nicht mehr „Du sollst nicht ehebrechen“, sondern „Verletze keine Lebenspartnerschaft.“
Im April 2020 veröffentlichte die EKD dann ein zwölfseitiges Faltblatt mit dem Titel „Sie ist unser bester Mann! – Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache“. Propagiert werden sodann „Für Mitdenkende: Substantivierte Partizipien“ – also statt Mitarbeiter Mitarbeitende, statt Spender Spendende usw. Zudem werden „geschlechtsumfassende Begriffe“ empfohlen: statt Ansprechpartner Ansprechpersonen, statt keiner niemand. (Wobei den schlauen EKD-LinguistInnen entgangen ist, dass auch in „niemand“ der Mann steckt.) Auch Wortungetüme wie die folgenden kommen vor: der*die Antragsteller*in, der_die Unterzeichner_in, der:die Mitarbeiter:in.
Damals, am 11. Juni 2020, haben wir unseren Beitrag mit einem Wettangebot abgeschlossen: Es wird nicht lange dauern und die katholische Kirche wird sich in ökumenischer Eintracht solch „avantgardistischem“ Gehabe ebenfalls unterwerfen. Wette gewonnen, hier zwei Beweise!
Die Gender-'Katholen'
Ende April 2021 schwang sich das Zentralkomitee der Deutschen (Laien-)Katholiken (ZdK) mit einer 86:54-Abstimmung ebenfalls zur Gender-Avantgarde auf. Das ZdK will die Vielfalt der Geschlechter sprachlich abbilden. Künftig soll in allen ZdK-Veröffentlichungen das „Gender-Sternchen“ verwendet werden (siehe hier). Es wird angeregt, auch im mündlichen Sprachgebrauch eine inklusive Formulierung „durch eine Pause an der Stelle des Sternchens“ auszudrücken. Im Antragstext betont das ZdK, „dass es Menschen gibt, die sich nicht den Geschlechterkategorien männlich und weiblich zuordnen können oder wollen.“ (Anmerkung am Rande: Es geht um Anteile von Prozent!) Diese Realität anzuerkennen bedeute, „sie als Teil der sehr guten Schöpfung Gottes wertzuschätzen“. Aha, der liebe Gott (oder Gott*) ist mal wieder an allem schuld!?
Und jetzt prescht das Bistum Hildesheim vor. Soeben, am 11. Juni 2021, hat es eine 17-seitige Handreichung „Geschlechtersensible Sprache“ herausgegeben und an alle „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pfarreien und Einrichtungen im Bistum“ verschickt. Man beruft sich dabei auf „Wissenschaftliche Untersuchungen“, die in den letzten 30 Jahren angeblich gezeigt hätten, dass die Verwendung des generisch-maskulinen Plurals („die Mitarbeiter“) dazu führe, dass Frauen in den Vorstellungen nicht vorkämen. Wissenschaftlich? Das hätte uns interessiert. Aber der in der Broschüre genannte Beleg ist dünn: „Vgl. Untersuchungen von Sczesny oder Hannover u. a.“ Was immer damit gemeint ist. Nähere Angaben fehlen. Sczesny ist offenbar eine Genderforscherin aus Bern und Hannover wohl die erste Stadt, die mit diesem Unfug begonnen hat. Dass je nach Umfrage zwischen zwei Dritteln und 87 Prozent der Deutschen den Gender-Unfug ablehnen, hat sich nicht bis Hildesheim herumgesprochen.
Und dann geht es ans Werk: Doppelnennungen gebrauchen (Christinnen und Christen)! Substantivierte Partizipien bilden (Studierende)! Redepult statt Rednerpult! „Du unser Gott“ statt „Gott der Herr“! Wechsel männlicher und weiblicher Formen, zum Beispiel „Team aus Sozialarbeitern, Juristinnen, Erzieher, Seelsorgerinnen …“ Präsidium statt Präsident. (Hier ist den Verfassern wohl nicht einmal aufgefallen, dass das zwei Paar Stiefel sind.) Zudem werden der Genderstern (*) und der Genderdoppelpunkt (:) empfohlen. Weil man bei der Manipulation nicht bei der Sprache bleiben will, wird auch eine geschlechtergerechte Bebilderung von Texten empfohlen. Wörtlich: „Männer dürfen auch mal freundlich und emotional wirken und Frauen ernst schauen.“
Bei so viel Hildesheimer Avantgarde fällt uns wieder ein, dass der Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer (*1961), ja auch klimamäßig Avantgarde ist. Im April 2019 erklärte er die schulschwänzende und solchermaßen weltrettende Schwedin Greta Thunberg zur „jungen Prophetin“, die „hellwach wie Jesus Christus“ sei.
Kein Wunder, wenn immer mehr Gläubige ihre Kirche verlassen. Sie tun es nicht nur wegen der Missbrauchsfälle, sondern weil die Kirchen mehr und mehr zu zeitgeistigen NGOs werden.
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Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)
Text: Gast
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