Ein Gastbeitrag von Thomas Paulwitz
Wird der Mundschutz doch zum Maulkorb? In manchen Regionen Spaniens gilt bereits eine Schweigepflicht. Nun soll auch in Deutschland das Sprechverbot für Reisende in Bus und Bahn kommen. Dafür spricht (!) sich zumindest Ingo Wortmann aus. Er ist nicht irgend jemand, sondern der Direktor der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und Vorsitzende des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen. Dem Deutschlandfunk sagte Wortmann jetzt, ein Schweigegebot könne dabei helfen, die Ausbreitung potentiell infektiöser Aerosole in Bussen und Bahnen zu begrenzen.
Vorbild sind die spanischen Inseln Mallorca und Ibiza. Die dortige Regierung hat vor kurzem eine dringende Schweigeempfehlung für den öffentlichen Nahverkehr verordnet. Die Behörden begründen das mit den hohen Infektionszahlen. Auch in Deutschland gibt es bereits erste Bemühungen, das Sprechen in Bus und Bahnen zu unterbinden. Schon jetzt bittet die MVG, die Gespräche auf ein Minimum zu reduzieren. Wortmann persönlich hat seine Fahrgäste heimlich dabei beobachtet, wie sie zum Telefonieren die Maske abziehen.
Das Sprachverbot wäre zutiefst entmenschlichend
Wären diese weiteren sprachlichen Einschränkungen wirklich schlimm? Beschwichtiger könnten nun sagen, man dürfe ja dann immerhin noch zu Hause sprechen. Es werde schon nicht so schlimm werden. In der Pandemie müßten wir eben Opfer bringen, auch bei der Sprache. Außerdem bleibe das Denken ja auch noch erlaubt. Doch wer so denkt, verkennt dabei die existentielle Bedeutung der Sprache für den Menschen.
Denn ein Sprachverbot gäbe nicht nur den schlimmsten Befürchtungen der Masken-Gegner recht, es wäre auch entmenschlichend: „Der Mensch ist nur Mensch durch die Sprache“, erkannte der preußische Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt. Ein Sprachverbot wäre daher ein Angriff auf die Menschenwürde und ein Verstoß gegen den ersten Artikel des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Wer die Sprache verbietet, verbietet das Denken
Vor Humboldt hat bereits der Schriftsteller und große Denker Johann Gottfried von Herder auf den engen Zusammenhang von Sprache und Denken aufmerksam gemacht: „Ohne Sprache hat der Mensch keine Vernunft und ohne Vernunft keine Sprache.“ So betont auch Humboldt „die Untrennbarkeit des menschlichen Bewußtseins und der menschlichen Sprache.“ Die Sprache sei ein notwendiges Erfordernis zur ersten Erzeugung des Gedankens und zur fortschreitenden Ausbildung des Geistes. Kurz gesagt: „Der Mensch denkt nur vermittels der Sprache.“
Wer daher die Sprache verbietet, der verbietet also letztlich auch das Denken. Wer die Sprache aufgibt, der kann nicht einmal mehr singen: „Die Gedanken sind frei.“
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Außerdem ist er Vorstandsvorsitzender der in Düsseldorf ansässigen Theo-Münch-Stiftung für die Deutsche Sprache sowie Vorstandsmitglied und Mitbegründer der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen/Anhalt. 2006 erhielt er den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten „in Anerkennung seiner herausragenden Verdienste für einen engagierten unabhängigen Journalismus“. Die Sprachpflegezeitschrift DEUTSCHE SPRACHWELT erscheint vierteljährlich in gedruckter Form und dient den Bürgern, die sich um die deutsche Sprache sorgen, als Sprachrohr. Der Bezug der spendenfinanzierten Zeitschrift ist kostenlos: Postfach 1449, 91004 Erlangen, [email protected]
Text: Gast