John Ioannidis lehrt an einer der besten Universitäten der Welt, an der Stanford University School, als Medicine Professor. Sein Fachgebiet ist Medizin, Epidemiologie, Bevölkerungsgesundheit sowie biomedizinische Datenwissenschaft und Statistik. Nebenbei ist er Co-Direktor des Innovationszentrums für Meta-Forschung. Laut Berliner Einstein-Stiftung gehört er aktuell zu den zehn meistzitierten Wissenschaftlern der Welt. Jemanden wie Ioannidis kann man nicht einfach als „Corona-Leugner“ abtun. Das heißt, man kann es, und wird es wohl auch. Aber bei einem wie ihm fällt diese Diffamierungs-Taktik in sich zusammen wie ein missglücktes Soufflé. Ioannidis publizierte im Oktober im „Bulletin of the World Health Organization“ eine geprüfte Metastudie mit dem Titel: „Infection fatality rate of COVID-19 inferred from seroprevalence data“. Darin berechnete er „eine durchschnittliche Infektionssterblichkeit“ durch Covid-19 „über 51 Standorte hinweg von (…) 0,23 Prozent. Zum Vergleich: RKI-Chef Wieler und Christian Drosten schrieben Corona eine Letalität (Infektionssterblichkeit) von einem Prozent zu. Bei schweren Grippewellen geht man von rund 0,2 Prozent aus.
Schon mit dieser Studie schockierte Ioannidis die Corona-Panikmacher. Und die sogenannten Faktenfinder taten sich mit ihren unausweichlichen „Widerlegungen“ besonders schwer, weil die Studie eben im WHO-Bulletin publiziert wurde – das man nicht ganz so leicht als „Verschwörungs-Plattform“ abtun kann wie andere Quellen.
Und jetzt das! Ioannidis legt nach. Mit Co-Autoren hat er nun im Januar eine neue Arbeit vorgelegt – die das Narrativ vom Nutzen des Lockdowns im Fundament erschüttert. Das Fazit, das auch schon führende WHO-Spezialisten zogen, was man aber in Deutschland nicht hören wollte und will: Die Lockdowns haben versagt. Die Studie hat den Titel „Bewertung der Auswirkungen der Quarantäne und der Schließung von Unternehmen auf die Verbreitung von COVID-19“ (siehe hier). Sie wurde bereits einer vollen „Peer-Review-Prüfung“ unterzogen und ist damit wissenschaftlich aussagekräftig.
Untersucht haben die Autoren die Daten aus zehn Ländern: England, Frankreich, Deutschland, Iran, Italien, Niederlande, Spanien, Südkorea, Schweden und die USA. In Schweden und in Südkorea gab es nie einen „Lockdown“, während die USA, Frankreich, Deutschland, England, Italien und Spanien zu diesem Mittel griffen. Ja teilweise zu besonders harten Einsperrmaßnahmen gegen die eigene Bevölkerung. Das Ergebnis der Studie: In den Staaten mit den härteten Maßnahmen war die Zahl der Toten oft höher als in den Staaten mit weniger harten Einschnitten.
Mehr Risiken für Ältere?
Besonders heikel ist das Ergebnis der Untersuchung im Hinblick auf ältere Menschen, mit deren Wohlergehen ja in Deutschland der Lockdown insbesondere begründet wird. Hier heißt es in der Arbeit: „Die empirischen Daten zu den Merkmalen der Todesfällen in der späteren Welle vor der Einführung von noch strengeren NPI (nicht-pharmakologischen Maßnahmen) im Vergleich zur ersten Welle (wenn dort strengere Maßnahmen ergriffen wurden) zeigen, dass der Anteil der COVID-19-Todesfälle in Pflegeheimen unter strengeren Maßnahmen häufig höher war als unter weniger restriktiven Maßnahmen. Dies deutet ferner darauf hin, dass restriktive Maßnahmen den Schutz schutzbedürftiger Bevölkerungsgruppen nicht eindeutig gewährleisten. Einige Hinweise deuten auch darauf hin, dass Infektionen manchmal unter restriktiveren Maßnahmen häufiger auftreten können, wenn gefährdete Bevölkerungsgruppen in Nähe zur allgemeinen Bevölkerung sind“.
Auch vor den Kollateralschäden warnen Ioannidis und die anderen Forscher: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir keine eindeutigen Belege für eine Rolle restriktiverer NPI (nicht-pharmakologischen Maßnahmen) bei der Kontrolle von COVID Anfang 2020 finden. Wir stellen nicht die Rolle aller Interventionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit oder der koordinierten Kommunikation über die Epidemie in Frage, aber wir finden keinen zusätzlichen Vorteil bei Anweisungen, Zuhause zu bleiben, oder Geschäftsschließungen. Die Daten können zwar die Möglichkeit einiger Vorteile nicht vollständig ausschließen. Selbst wenn diese Vorteile existieren, wiegen sie aber möglicherweise nicht die zahlreichen Schäden dieser aggressiven Maßnahmen auf. Gezieltere Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, mit denen die Ansteckungen wirksamer reduziert werden, können für die künftige Seuchenbekämpfung wichtig sein, ohne dass sie die negativen Folgen von restriktiven Maßnahmen mit sich bringen.“
Was für eine schallende Ohrfeige für all die Lauterbachs und Söders, die mit ständigen Forderungen nach noch mehr harten Maßnahmen mit den Ängsten und Hoffnungen der Menschen spielen. Und die bis heute nicht einmal ansatzweise nachweisen können, dass sie sich ernsthaft mit den negativen Folgen beschäftigt haben, etwa indem sie Studien dazu in Auftrag gegeben haben. Auf Nachfragen meinerseits dazu in der Bundespressekonferenz kamen nur ausweichende Antworten. Bei der entscheidenden Beratung vor der Lockdown-Konferenz vergangene Woche waren zwei Physiker, ein Pharmakologe, ein Kinderarzt, ein Virologe und ein Tierarzt anwesend – kein einziger Wirtschafts-, Sozial- oder Erziehungswissenschafter, kein Psychologe. Deutschlands Politik und Medien ignorieren die Kollateralschäden kollektiv und konsequent. Das ist sträflich.
Umso mehr, wenn man sich ansieht, was in der Studie offiziell als Resultat angegeben wird: „Die Implementierung von NPI (nicht-pharmakologischen Maßnahmen) führte in neun von zehn Studienländern, einschließlich Südkorea und Schweden ohne harte Maßnahmen, zu einer signifikanten Verringerung des Fallwachstums. Spanien dagegen mit seinem extrem harten Lockdown hat keinen signifikanten Effekt zu verzeichnen. Nach Abzug der epidemischen und lrNPI-Effekte“ (also sanfte Maßnahmen wie in Schweden und Südkorea) finden die Forscher „in keinem Land einen klaren, signifikanten positiven Effekt von mrNPIs (harten Maßnahmen) auf das Fallwachstum: „In Frankreich etwa betrug demnach der Effekt der harten Maßnahmen im Vergleich zu Schweden plus sieben Prozent und im Vergleich zu Südkorea plus 13 Prozent – wobei positive Prozentzahlen für mehr Ansteckung stehen.“
Keine signifikanten Vorteile
Das Resümee der Forscher: „Man könne zwar kleine Vorteile nicht ausschließen, es ließen sich aber keine signifikanten Vorteile für das Fallwachstum durch besonders harte Maßnahmen feststellen. Ähnliche Reduzierungen des Fallwachstums können mit weniger restriktiven Interventionen erreicht werden.“
Allein diese Studie müsste für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eigentlich ein Anlass sein, die massiven Einschränkungen der Grundrechte und der Freiheit der Bürger unverzüglich für verfassungswidrig zu erklären. Und die Justiz müsste dann die Frage klären, ob hier nicht sogar strafbares Handeln vorlag. Bislang wird die Studie aber in den großen Medien schlicht und einfach ignoriert. Und wenig spricht dafür, dass sich dies ändert. Man stelle sich einmal vor, in Tagesschau und Heute, in Spiegel, Süddeutscher und FAZ wäre die Hauptnachricht: „Stanford-Forscher – Lockdown bringt nichts, kann sogar Risiken erhöhen“. Die Stimmung in Deutschland würde schneller kippen als Christian Lindner seine Ansichten wechseln kann.
Dabei untermauern auch die Zahlen, die wir in Deutschland haben, was Ioannidis und seine Wissenschaftler-Kollegen ausführen: Seit Wiedereinführung des Lockdowns am 1. November ist ein starkes Wachstum der Todesfälle und der Zahl der positiv Getesteten festzustellen.
„Seit Anfang November sind ca. 25.000 Menschen angeblich oder tatsächlich oder womöglich teilweise an Covid-19 in Deutschland gestorben“, moniert der Wissenschafts-Publizist Clemens Heni: „Die Frage stellt sich, ob die nun wegen den andauernden Lockdowns gestorben sind. Dabei behaupten ja Merkel & Co. penetrant und tagtäglich, dass der Lockdown nötig sei, um ‘die Zahlen zu senken‘.“ Und weiter führt er aus: „Die mehr als 20.000 Toten seit Anfang November sind traurig, wie jeder Tote, aber sie stellen nicht den Hauch einer Katastrophe dar. Denn sie sind diejenigen Toten, wie sie im Herbst und Winter zu erwarten sind bei einer womöglich schwereren Grippewelle.“
Der Wissenschafts-Blogger Peter F. Mayer schreibt. „Lockdown ist eine völlig neue Maßnahme, die erstmals von der chinesischen Führung in Wuhan eingesetzt und anschließend massiv im Westen propagiert wurde. Bis dahin wurde die Maßnahme als unwissenschaftlich und schädlich angesehen und auch von der WHO abgelehnt. Es gab bisher schon viele Studien, die den nicht vorhanden Nutzen, aber auch den immensen Schaden aufzeigen. Nun wird dies auch von Top Stanford Wissenschaftlern John A. Ioannidis und Jay Battacharya nachgewiesen“.
Die Ergebnisse von Ioannidis decken sich auch mit Analysen zur Übersterblichkeit auf meiner Seite von Prof. Dr. Thomas Rießinger und von Dr. A. Weber. Diese kommen beide zu dem politisch heutzutage höchst unkorrekten Schluss, dass es 2020 keine Übersterblichkeit in Deutschland gab.
Neben der Ioannidis-Studie gibt es eine Arbeit von Ari Joffe von der University of Alberta, Kanada, einem Kinderarzt, der auf Infektionskrankheiten spezialisiert ist. Diese kommt zu dem Fazit: Während es im Februar und März 2020 noch schwerwiegende Gründe für harte Maßnahmen gab, so liege nun eine ganze Reihe von Nachweisen vor, dass dieser Weg falsch ist. Joffe berichtet von „erheblichen Kollateralschäden aufgrund der Reaktion auf die Pandemie und Informationen“ und präsentiert „eine Kosten-Nutzen-Analyse, bei der er feststellt, dass Lockdowns „für die öffentliche Gesundheit weitaus schädlicher sind als COVID-19.“
Joffes Arbeit (Details hier) ist noch keinem Peer-Review unterzogen und damit wissenschaftlich noch nicht aussagekräftig. Verfechter der harten Corona-Politik können sie deshalb leicht von der Hand weisen. Ganz im Gegensatz zur Ioannidis-Studie. Alle, für die die Gesundheit der Menschen Vorrang hat, müssten sie zumindest zur Kenntnis nehmen und sich damit auseinandersetzen. Drosten und Co. müssten öffentlich dazu Stellung beziehen, ebenso das Robert-Koch-Institut. Die Medien müssten breit berichten. Mit Aufmachern. Es müsste eine große öffentliche Diskussion darüber geben. Die Chance, dass so etwas geschieht, wirkt indes nicht allzu hoch. Es mag durchaus sein, dass Ioannidis, den selbst die WHO publiziert, irrt. Aber warum wird er dann totgeschwiegen? Es müsste dann doch sehr einfach sein für Drosten & Co. sowie unsere Regierung, ihn zu widerlegen.
Ich bitte um Nachsicht für Flüchtigkeits- und Rechtschreibfehler. Aber als ich dieses Material spät nach Mitternacht entdeckte, konnte ich mich nicht bremsen, sofort darüber zu schreiben – bis in den frühen Morgen, als mein Korrektoren-Team schon seinen verdienten Schlaf schlief. Die Korrektur wird umgehend nachgeholt.
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Text: br