Von Ekaterina Quehl
Kennen Sie das Gefühl, dass Sie mit Ihrer Meinung von Ihrer Familie und Ihren Freunden nicht akzeptiert werden? Und dass Menschen zunehmend Abstand von Ihnen nehmen, weil Sie nicht gegen Corona geimpft sind und offen Ihre Bedenken über die Sicherheit der Impfstoffe geäußert haben? Oder weil Sie sich mal über das Kinderbuch By2Girl – eine Lehrer-Empfehlung für Ihr Kind – empört haben? Haben Sie sich schon mal böse Blicke in einer Warteschlange an einer Edeka-Kasse eingefangen, weil Sie zusammen mit Ihren Lebensmitteln ein, zwei Plastiktüten gekauft haben? Oder weil Sie mal nach einer heftigen Verspätung zu einem wichtigen Termin wegen der Klimakleber kräftig über diese geschimpft haben?
Das ist ein sehr seltsames Gefühl und das werden viele kennen: Entweder kommt man sich als einziger Mensch in diesem Land vor, der noch bei gesundem Verstand geblieben ist. Oder genau umgekehrt – vor lauter Widersprüchen, die sonst keiner sieht, fragt man sich, ob man den Verstand verloren hat. Oder – wie Russen sagen – „das Dach ist abgefahren“. Wenn Sie dieses Gefühl kennen, dann habe ich eine schlechte und eine gute Nachricht für Sie.
Die schlechte ist – Sie sind höchstwahrscheinlich ein „Verschwörungserzähler“ und man kann Ihnen nicht mehr helfen. Die gute ist – Ihre Verwandten und Freunde, die mit Ihnen nicht mehr klar kommen, können noch gerettet werden.
Beratung zu Verschwörungsmythen im persönlichen Umfeld
„Verschwörungserzähler“ sind ein Massenphänomen der heutigen Gesellschaft, das Politik und Medien eifrig versuchen, unter Kontrolle zu bekommen, um dessen Folgeschäden zu begrenzen. Zum einen geht es darum, Sie und Ihresgleichen in die konformen Zellen unserer Gesellschaft zurückzuholen – das ist aber sehr schwierig. Denn das einmal „abgefahrene Dach“ kehrt nicht so schnell wieder zurück. Zum anderen – sollten Sie sich mit Ihrer „anderen“ Meinung als ein hoffnungsloser Fall erweisen – wenigstens Ihren Verwandten zu helfen, die es mit Ihnen nicht leicht haben und selbst unter psychischen Folgen leiden. Einige der wirksamsten Lösungen sind Projekte, die zielgerichtete Maßnahmen zur Minimierung des Schadens entwickeln, den Sie mit Ihrer „anderen“ Meinung in der Gesellschaft anrichten. Solche Projekte sind in der Regel vom Staat oder staatsnahen Stiftungen gefördert. Üblicherweise mit mehreren Millionen Euro – denn der Kampf mit Verschwörungserzählern ist eine Wissenschaft und deshalb sehr teuer.
Ein Musterbeispiel für eine solche Expertenleistung ist die Initiative „entschwört“, die „Beratung zu Verschwörungsmythen im persönlichen Umfeld“ anbietet. Sie soll Ihren Verwandten und Freunden helfen, trotz Ihrer von der Allgemeinheit abweichenden Ansichten mit Ihnen zurecht zu kommen und Ihnen klare Grenzen aufzuzeigen. Das Projekt ist eine Beratungs-Initiative, die im Rahmen des Landes-Demokratiezentrums Berlin entstanden ist. In den letzten 4 Jahren wurde dieses „Engagement von Bürgerinnen und Bürgern für eine freiheitliche und offene Gesellschaft“ vom Bundesfamilienministerium mit knapp 6 Millionen Euro gefördert.
„Entschwört unterstützt dich bei Problemen mit Verschwörungserzählungen. Du hörst zu Hause viel über Echsenmenschen, QAnon oder die geheimen Pläne der Regierung? Du bist überfordert, weil dein Vater dir krude Videos schickt und rassistische Verschwörungserzählungen im Familien-Chat teilt? Du hast das Gefühl, dass deine Argumente nicht zählen und deine Grenzen immer wieder überschritten werden? Damit bist du nicht alleine. Entschwört ist eine kostenlose Beratungsstelle in Berlin. Wir unterstützen dich im Umgang mit deiner Familie oder Freund*innen, wenn die nur noch über Verschwörungen reden“, wird im Präsentationsvideo des Projekts erzählt.
Wenn Sie also in Ihrem Familien-Chat auf Whatsapp „Videos über die geheimen Pläne der Regierung“ und „rassistische Verschwörungserzählungen“ verschicken, dann kann das Ihr Kind, beim Versuch mit Ihnen klarzukommen, natürlich überfordern und es könnte auf Hilfe Dritter angewiesen sein. Und genau da setzt „entschwört“ an. Denn die Berater „zeigen dir auch, wie du dich demokratisch positionieren und Haltung gegen Hetze zeigen kannst“.
Im Video wird auch erklärt, wie es dazu kommen konnte, dass Sie auf den rutschigen und unsicheren Weg eines Verschwörungserzählers abgebogen sind: „Gefühle wie Ohnmacht und Kontrollverlust, wie beispielsweise während der Corona-Pandemie, können dazu führen, dass Menschen anfangen an Verschwörungserzählungen zu glauben. Menschen, die Verschwörungserzählungen verbreiten, denken oft als Einzige, den Durchblick zu haben.“
Gefühle wie Ohnmacht und Kontroll-Verlust sind extrem schwer und können laut „Entschwört-Experten“ dazu führen, dass Sie Verantwortung abgeben und sich auf dem holprigen Weg eines Verschwörungserzählers von Ihrem Kind so weit entfernen, dass es nicht mehr zu Ihnen finden kann und auf „Entschwört-Beratung“ angewiesen sein wird.
Misstrauen gegenüber staatlicher Politik
Doch was ist es, was Sie überhaupt zu einem Verschwörungserzähler macht? Was sind es für „krude Videos“ und „rassistische Verschwörungserzählungen“? Auch auf diese Fragen gibt das Projekt eine Antwort:
„Sie glauben, dass die Politik und Medien die Strippen ziehen“ und haben „Ressentiments, Demokratiefeindlichkeit und nicht zuletzt Misstrauen gegenüber staatlicher Politik und ihren Institutionen“. Mit anderen Worten: Wenn Sie davon ausgehen, dass Medien häufig regierungs-konform berichten, weil sie von der Politik oder Regierung beeinflusst werden und wenn Sie nicht zufrieden sind mit dem, was sie für ihre Bürger machen, dann sind Sie ein Verschwörungserzähler.
Das nenne ich eine qualifizierte Meinung.
Sicher ist sie mehrere Millionen Steuergelder wert, die der Staat fürsorglich und vernünftig investiert hat – für Ihre Kinder, Familie und „Freund:innen“, damit sie mit Ihnen klar kommen und vor Ihrem Misstrauen gegenüber der staatlichen Politik geschützt sind.
Und bestimmt ist diese qualifizierte Beratung, in die die Regierung Millionen investiert, für Ihre Mitmenschen aber kostenlos anbietet, so qualifiziert, dass sie jeden Cent wert ist. Einige der wertvollen Empfehlungen gibt es sogar direkt auf der Projekt-Seite:
„Das Diskutieren mit verschwörungsgläubigen Familienmitgliedern oder Freund:innen hinterlässt dich oft ratlos und verunsichert, weil wissenschaftliche Tatsachen einfach geleugnet werden? – entschwört rät:“
Die Experten-Ratschläge, die hinter den „E-N-T-S-C-H-W-Ö-R-T“-Buchstaben stehen, sind goldwert und deuten darauf hin, dass sich Ihre Familienmitglieder oder „Freund:innen“ im belastenden Umgang mit Ihnen als Verschwörungsgläubiger hier gut aufgehoben fühlen werden. Denn hinter den millionenschweren Buchstaben stecken echte Perlen einer gehobenen Beratungskompetenz in diesem komplexen Themenbereich, dem viele in unserer Gesellschaft nicht gewachsen sind.
So sollten Ihre Nächsten „selbst eigene Gefühle mitteilen statt (sich) wiederholt in vermeintliche Faktendiskussionen verwickeln zu lassen“ und klarstellen, dass sie „keine menschenfeindlichen Argumentationen hören“ wollen und “daher z.B. mit der Äußerung von Antisemitismus und Rassismus rote Linien“ überschritten werden. Auch sollen sie Haltung zeigen und sich nicht alles anhören und über sich ergehen lassen.
Wenn Sie aber „noch nicht lange an Verschwörungstheorien glauben“, dann können Sie gemeinsam „Quellen von Falschbehauptungen“ überprüfen oder „zusammen Faktencheck-Reportagen“ ansehen. So können Ihre Mitmenschen, Ihren Wunsch, kritisch zu denken, ernst nehmen und Ihnen gleichzeitig dabei helfen, die Fähigkeiten dafür auszubauen.
In der Praxis könnte es dann so aussehen.
Anleitung für den Doppeldenk
Angenommen, bis zu Corona-Zeiten waren Sie stets regierungskonform, haben beim Frühstück Tagesspiegel gelesen und waren überhaupt ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft. Doch dann haben Sie den Eindruck gewonnen, dass unsere Medien unter Einfluss der Politik stehen könnten, weil sie immer nur sehr einseitig berichten. Und weil das, was sie berichten, häufig von dem abweicht, was im Leben um Sie herum passiert. Sie diskutieren darüber mit einem Freund und er sagt Ihnen, dass wir in einer Demokratie leben, was bedeutet, dass Medien unabhängig und zensurfrei sind und stets neutral berichten.
Sie sagen aber, dass Sie selbst in einem der großen Nachrichten-Portale gelesen haben, dass Medien nicht neutral seien und Nähe zu Politik haben. Ihr Freund schlägt Ihnen daraufhin vor, nach Informationen zu suchen, die diese „Nähe“ widerlegen. Und findet einen Beitrag vom „MDR“ unter dem Titel: „Wie staatsnah ist unser Rundfunk“. Der Beitrag widerlegt jegliche Nähe der Medien zur Politik schwarz auf weiß. Darin wird sogar eine Medienkritikerin zitiert: „Alle Redakteure, alle Journalisten, mit denen ich zu tun hatte, arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen. Alle Folgen medienethischen, journalistischen Standards und Statuten. Sie befolgen den Pressekodex und machen ihre Arbeit als gute Journalisten, gute Unterhalter, gute Moderatoren und gute Abbilder der Wirklichkeit.“ Da haben Sie es! Damit entpuppt sich Ihre Vermutung, die Medien seien nicht neutral, als das, was in den wertvollen „Entschwört-Tipps“ über „die da oben“ wie folgt entlarvt wird: als „charakteristischer Code eines Verschwörungsnarrativs“.
Sie geben aber nicht auf. Sie entgegnen Ihrem Freund, dass auch Sie schwarz auf weiß in einem großen Medium gelesen haben, dass „im politischen Hauptstadt-Journalismus Kontakte entscheidend sind“ und dass „je näher Medien Politikern sind, um so exklusiver die Geschichten“ sind. Auch in diesem Beitrag wird ein Journalist zitiert: „Bei bestimmten Ereignissen“, sagt er, werden „Sachen vorher durchgesteckt“, „um die Öffentlichkeit vorab zu informieren“. Sie fügen dann noch hinzu, dass Sie das nicht irgendwo gelesen haben, sondern in einem so bekannten Medium wie dem „Deutschlandfunk„. Damit bringen Sie Ihren Freund diskurstechnisch in eine schwierige Lage.
Und spätestens jetzt – da Sie ja Ihrem Freund auf einen gravierenden Widerspruch hingewiesen haben und er sich möglicherweise überfordert fühlt – kommt der, in meinen Augen, beste Tipp der „Entschwört-Beratung“. Der so einzigartig ist und der allein bestimmt das ganze investierte Steuergeld wert ist. Denn er erklärt, dass das, was Sie da an den Tag legen, ein „stereotypes Feindbild“ ist. Dass Widersprüche zwischen dem, was Sie im Leben sehen, und dem, was im Fernsehen und in der Zeitung berichtet wird, etwas ganz Normales sind. Und mit Ihnen etwas nicht stimmt.
Mit anderen Worten bedeutet das: Ihre kritische Meinung ist schlicht und einfach nichts anderes als ein primitives Feindbild. Und zwar deshalb, weil Sie eben den „Widersprüchen und Ambiguitäten unserer komplexen, globalisierten Welt nicht gerecht“ werden. Und weil Sie die „Ambivalenz nicht aushalten können“. Kurzum: Wegen Ihrer Zweifel an der Unabhängigkeit der Medien von der Politik, sind Sie eben ein Verschwörungserzähler.
Und das ist, liebe Leserinnen und Leser, eine Anleitung für den Doppeldenk nach Orwell. In seiner Dystopie 1984 erklärt er die Doppeldenk-Technik so: Es ist nicht nur „die loyale Bereitschaft zu sagen, Schwarz sei Weiß“, sondern auch die „Angewohnheit, im Widerspruch zu den offenkundigen Tatsachen impertinent“, also frech, zu „behaupten, Schwarz sei Weiß und zu vergessen, dass man jemals das Gegenteil geglaubt hat“.
Dass „Entschwört“ ein Teil der, bis jetzt mit knapp 6 Millionen, geförderten Initiative ist und dass es darüber hinaus unzählige millionenschwere Projekte mit ähnlicher Ausrichtung gibt, stellt einen vor die Frage, ob das Wohl unserer Gesellschaft und ihre demokratischen Werte weniger wichtig sind als Bildung einer „richtigen Meinung“ zu dem, was die Politik macht und auch dann, wenn sie eben dem Wohl unserer Gesellschaft schadet und gegen den Erhalt der demokratischen Werte handelt.
Sollten Sie nach dem Lesen dieses Beitrags das Gefühl haben, „misstrauisch gegenüber staatlicher Politik“ geworden zu sein, dann können zumindest Ihre Nächsten vor schädlicher Kommunikation mit Ihnen gerettet werden – mit einer qualifizierten Beratung von „entschwört – kostenlos, vertraulich und persönlich“.
Unter Beschuss – aber umso wichtiger ist Ihre Unterstützung!
„Verschwörungsideologe“, „Nazi“ oder „rechter Hetzer“: Als kritischer Journalist muss man sich heute ständig mit Schmutz bewerfen lassen. Besonders aktive dabei: die öffentlich-rechtlichen Sender. Der ARD-Chef-Faktenfinder Gensing verklagte mich schon 2019, der Böhmermann-Sender ZDF verleumdete mich erst kürzlich als „Verbreiter von Verschwörungserzählungen“ – ohne einen einzigen Beleg zu benennen, und in einem Beitrag voller Lügen. Springer-Journalist Gabor Steingardt verleumdete mich im „Focus“, für den ich 16 Jahre lang arbeitete, als „Mitglied einer Armee von Zinnsoldaten“ und einer „medialen Kampfmaschine“ der AfD. Auf Initiative des „Westdeutschen Rundfunks“ wurde ich sogar zur Fahndung ausgeschrieben. Wehrt man sich juristisch, bleibt man auf den Kosten in der Regel selbst sitzen. Umso wichtiger ist Ihre Unterstützung. Auch moralisch. Sie spornt an, weiter zu machen, und nicht aufzugeben. Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass Sie mir mit Ihrem Beitrag meine Arbeit ermöglichen – ohne Zwangsgebühren und Steuergelder.
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Ekaterina Quehl ist gebürtige St. Petersburgerin, russische Jüdin und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Pioniergruß, Schuluniform und Samisdat-Bücher gehörten zu ihrem Leben wie Perestroika und Lebensmittelmarken. Ihre Affinität zur deutschen Sprache hat sie bereits als Schulkind entwickelt. Aus dieser heraus weigert sie sich hartnäckig, zu gendern. Sie arbeitet für reitschuster.de.
Bild: Screenshot Youtube-Video entschwört.deMehr von Ekaterina Quehl auf reitschuster.de