WDR schmettert Programmbeschwerde wegen „Kölner Treff“ ab Tom Buhrow schreitet zur Selbstentlarvung

Von Kai Rebmann

Am 17. Oktober 2022 mussten wir auf unserer Seite über eine unfassbare Entgleisung von Heidelinde Weis berichten. Die österreichische Schauspielerin hatte im WDR-Talk „Kölner Treff“ zu Gewalt gegen Mitbürger aufgerufen, die auf die Straße gehen, um größtenteils friedlich gegen die Impfung und ähnliche Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. „Sie sind wirklich zu prügeln, sind diese Menschen“, so die unmissverständliche Forderung der 82-jährigen. Mindestens ebenso schlimm wie dieser verbale Fehltritt war jedoch die Reaktion bzw. Nicht-Reaktion von Moderatorin Bettina Böttinger, die die unsägliche Äußerung ihres Gastes ebenso unkommentiert ließ wie den dafür vom Publikum geernteten Applaus. Eine Leserin nahm diesen Skandal zum Anlass, um sich mit einer Programmbeschwerde an den WDR zu richten und auf den eigentlich offensichtlichen Verstoß gegen die Grundsätze des ÖRR-Senders hinzuweisen.

Die Zwangsgebührenzahlerin sah in den von Heidelinde Weis getätigten Aussagen insbesondere eine „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ sowie eine Verletzung der Menschenrechte als gegeben an. In den Programmgrundsätzen der Anstalt heißt es unter anderem: „Neben der Ausgewogenheit der Berichterstattung sehen die im Gesetz vorgesehen Programmgrundsätze des WDR vor, dass er in seinen Sendungen die Würde des Menschen zu achten und zu schützen hat. Auch soll er dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit vor Glauben und Meinung anderer zu stärken. Die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung sind zu achten. Weiterhin soll der WDR die internationale Verständigung fördern, zum Frieden und zur sozialen Gerechtigkeit mahnen, die demokratischen Freiheiten verteidigen, zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen beitragen und der Wahrheit verpflichtet sein.“

Diese Selbstbeschreibung des WDR passt so gut zum Ist-Zustand des Senders wie ein Eskimo (oder im politisch korrekten Neudeutsch: „Mitglied eines indigenen Volkes im nördlichen Polargebiet“) in die Sahara. Das verdeutlich nicht zuletzt auch die Antwort, die die Leserin rund zweieinhalb Monate nach Eingang ihrer Programmbeschwerde von Tom Buhrow erhalten hat. Der WDR-Intendant benötigte nicht weniger als vier DIN A4-Seiten, um das Verhalten der Moderatorin und den Umgang seines Senders mit der Angelegenheit irgendwie schönzureden. Das von Tom Buhrow unterzeichnete Schreiben liegt reitschuster.de vor.

Angeblich nur ‚missverständliche Meinungsäußerung‘

Zunächst weist der Intendant inhaltlich völlig zutreffend darauf hin, dass die von der Leserin gerügte Aussage von einem Gast der besagten Sendung getätigt worden ist, und nicht vom WDR oder einem seiner Mitarbeiter. Dieser Satz („zu prügeln sind diese Menschen“) sei in einer „quasi Livesituation“ gefallen. Da die Sendung „aus technischen Gründen“ erst kurz vor der Ausstrahlung aufgezeichnet werde, bestehe „in der Regel“ keine Zeit mehr für Bearbeitungen. Das mag so sein, erklärt aber nicht, weshalb Bettina Böttinger nicht sofort eingegriffen hat. Stattdessen ließ die eigentlich für solche Situationen ausgebildete Moderatorin auch den nächsten Gast noch in eben diese Kerbe hauen und ließ auch den darauf folgenden Applaus des Publikums unkommentiert. Die Redaktion habe inzwischen aber eingeräumt, „dass es rückschauend betrachtet besser gewesen wäre, die emotionale und möglicherweise missverständliche Meinungsäußerung von Frau Weis einzuordnen“, schreibt Buhrow in seiner Antwort.

Unsere Leserin fühlt sich ob dieser Worte, die offenbar so etwas wie eine wohl nur vermeintliche Einsicht zum Ausdruck bringen sollen, auf den Arm genommen und schreibt uns dazu: „Die Ausrede, dass ja vor der Ausstrahlung keine Zeit für eine eventuelle Bearbeitung gewesen sei, ist wirklich lächerlich. Auch heute – zweieinhalb Monate danach – ist die Sendung genau wie ausgestrahlt in der Mediathek abrufbar.“ Das ist in der Tat bemerkenswert. Denn: In anderen, weitaus harmloseren Zusammenhängen hat der WDR bereits gezeigt, dass der Sender durchaus in der Lage ist, Beiträge in seiner Mediathek mit albernen Warnhinweisen zu versehen – wenn er es denn will. Und so bleiben die Ausführungen von Tom Buhrow nichts weiter als hohle Phrasen. Die Reaktion unserer Leserin zeigt aber auch: Nicht alle Zahler der Zwangsgebühren lassen sich vom WDR und den öffentlich-rechtlichen Konsorten für dumm verkaufen!

Von einer Verletzung der Menschenwürde oder einem Aufruf zu Straftaten will der Intendant dagegen nichts wissen. Ersteres sei überhaupt nur möglich, wenn „einer Person unmittelbar oder mittelbar der Geltungs- und Achtungsanspruch in Abrede gestellt“ werde, so die Auffassung des ARD-Mannes. Tom Buhrow führt dazu wörtlich weiter aus: „Hier ist nicht zu erkennen gewesen, dass Frau Weis mit ihrer Bemerkung konkreten Personen den Kern ihrer Menschenwürde oder andere Grundrechte wie das allgemeine Demonstrationsrecht in Abrede gestellt hat.“ Schon klar, die Schauspielerin hat nicht gesagt, dass Herr Max Mustermann geprügelt gehört. Und womöglich stellen die fragwürdigen Äußerungen formal noch nicht einmal einen Verstoß gegen Paragraf 111 StGB („Öffentliche Aufforderung zu Straftaten“) dar – diese Frage wäre von Juristen zu beantworten. Wie Buhrow gegenüber unserer Leserin aber zu der wohl exklusiven Einschätzung gelangt ist, dass Weis in der Talkshow seines Senders „nicht zu Gewalt- oder anderen Maßnahmen aufgefordert“ habe, wird sein Geheimnis bleiben.

WDR sieht Programmgrundsätze nur als Soll-Vorschriften

Geradezu entlarvend ist es, wenn der Intendant darauf verweist, dass es sich beim sogenannten WDR-Gesetz, in dem unter anderem die Programmgrundsätze der Anstalt geregelt sind, nur um eine Soll-Vorschrift handelt. Dinge wie die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit (Paragraf 5 Absatz 2 Satz 2 WDR-Gesetz) sowie die Mahnung zum Frieden und Verteidigung demokratischer Freiheiten (Paragraf 5 Absatz 4 WDR-Gesetz) werden bei dem Sender und seinem Intendanten demnach nicht als rechtlich verbindliche Grundsätze angesehen. Das ist zwar nichts ganz Neues, aber natürlich umso ehrlicher, wenn es der höchste Mann des Hauses jetzt endlich auch mal offen ausspricht. Tom Buhrow zufolge handelt sich bei diesen allem Anschein nach eher als lästig empfundenen „Soll-Vorschriften“ lediglich um ein „allgemeines auf das Gesamtprogramm bezogenes Programmziel zur Förderung des Wertebewusstseins […], das durch einzelne Sendungen nicht verletzt werden kann.“

Man muss diesen Satz wirklich zweimal lesen. Mit anderen Worten: Wenn in einer einzelnen Sendung, zum Beispiel einer Ausgabe des „Kölner Treff“, zu Hetze gegen Ungeimpfte bzw. Gegner einer Impfpflicht aufgerufen wird, so ist dies mit den Programmgrundsätzen des WDR ohne weiteres vereinbar – solange dies nicht regelmäßig und in allen Formaten des Senders geschieht. Dazu passt, dass Buhrow die Entgleisung von Heidelinde Weis als „spontane Meinungsäußerung“ relativiert, die keinen Hinweis darauf zulasse, dass „eine rechtlich relevante Grenze überschritten“ worden ist. Und moralisch relevante Grenzen, auf deren Einhaltung man gegebenenfalls noch achten könnte, scheint es beim WDR ohnehin nicht zu geben.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shuttserstock

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