ZDF-Mann Böhmermann gibt den NS-Exorzisten Er will, dass das Apotheken-Fraktur-A als Nazi-Symbol verschwindet

Ein Gastbeitrag von Josef Kraus

Das ZDF-Allzweck-Irrlicht Jan Böhmermann, hochstaplerisch „Satiriker“ genannt, sucht seinen Platz in der Zeit- und Sprachgeschichte, vor allem aber in der anti-faschistischen Volkspädagogik. In einer Folge von „Fest & Flauschig“ mit dem Titel „Gesund durch die Schwangerschaft“ geht Böhmermann auf das rote A-Apotheker-Logo mit Schlange (Äskulapnatter) und Kelch los. Ende August meinte er, dieses rote Fraktur-„A“ stamme aus dem Jahr 1936, es sehe „völlig scheiße“ aus, und er verstehe nicht, weshalb Apotheken heute noch eine „alte Nazi-Schrift“ im Logo verwendeten. Weiter meint Böhmermann, der Alternativentwurf aus dem Jahre 1929 (Arzneiflasche mit drei Löffeln, Abbildung) gefalle ihm viel besser als diese „Scheiß-Fraktur“. An die Apotheker in Deutschland gerichtet regt er an, sich „out of the box“ ein neues Logo auszudenken (siehe hier).

Oje, Böhmermann, gehen ihm die Themen aus? Oder was hat der öffentlich-rechtlich vermutlich recht fürstlich vom ZDF alimentierte Böhmermann sonst noch auf Lager? Wie wäre es mal mit der Forderung, die Aufzucht von Schäferhunden zu verbieten, waren diese doch Hitlers Lieblingshunde? Oder Leberknödel zu verbieten, waren diese doch die Lieblingsspeise des halbvegetarischen „Führers“? Oder die „Frankfurter Allgemeine“ mit ihrem in Fraktur gesetzten Namen vor den Kadi zu ziehen? Oder mindestens vor die hyper-antifaschistische Antonio-Amadeu-Stiftung? Sind wir wieder so weit!?

Fraktur übrigens – ein wenig Nachhilfe: Sprachgeschichtlich kommt „Fraktur“ vom lateinischen „fractura“, es bedeutet „Bruch“ analog zum Zeitwort „frangere, fregi, fractum – brechen“. Mit dem beginnenden 16. Jahrhundert bezeichnete es die „gebrochene“ Spätform der gotischen Minuskel (Kleinbuchstabe), die als Fraktur in Deutschland über rund vier Jahrhunderte hinweg, also lange vor dem NS-Regime, zur vorherrschenden Type wurde. „Gebrochen“ übrigens deshalb, weil Schreiber und Kalligraphen mit ihrer Feder abrupte Richtungswechsel vollzogen, so dass die Lettern wie abgehackt, eben gebrochen wirkten.

Was Sprach-„Experte“ Böhmermann obendrein wohl nicht weiß oder nicht wissen will: Die Nazis waren keine Befürworter der Frakturschrift, ihre Verwendung in einem Rundschreiben der Reichskanzlei war im „Auftrage des Führers“ vom 3. Januar 1941 sogar verboten. Die „Antiqua-Schrift“ sollte „künfitig als Normal-Schrift“ bezeichnet werden. Begründet wurde dieser Beschluss mit der Herkunft der „gotischen Schrift“ (Fraktur) von den sogenannten „Schwabacher Judenlettern“. Was aber wiederum nicht stimmt. Der „Duden“ wurde denn auch 1941 ein letztes Mal in Fraktur gedruckt. Der eigentliche Grund für das Verbot der „Fraktur“ war, dass für das Ausland bestimmte Schriften dort nur schwer oder gar nicht lesbar waren. All das scheinen Neo-Rechte, die gerne „Fraktur“ schreiben, um eine bestimmte Gesinnung anzudeuten, nicht zu wissen.

Nehmen wir die wirre Idee des übermotivierten NS-Exorzisten mal für ein paar Minuten ernst. Ja, das Apotheken-A-Logo entstand im Jahr 1936. Die Entstehung des Apotheken-Logos wird auf der Website der „Deutsche Apotheken Museum-Stiftung“ ausführlich beschrieben. Gestalter war Ernst Paul Weise (1890-1981).

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Konkret und im internationalen Vergleich: In vielen anderen Ländern nutzen Apotheken ein grünes Kreuz als Logo. Drogerien übrigens auch. In Italien, Spanien und Polen sind die Schilder blau und zeigen ein Bus-Symbol. In England hingegen ist die Farbe der Schilder rot/weiß bzw. rot/schwarz. Selbst die Kennzeichnung von Krankenhäusern ist europaweit uneinheitlich.

Will sagen: Böhmermanns Attacke war einmal mehr ein laues Lüftchen eines selbsternannten Satirikers, den als ZDF-Hofnarren zu bezeichnen eine Beleidigung für jeden echten mittelalterlichen Hofnarren wäre.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)

Bild: Cineberg/Shutterstock

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