Ein Gastbeitrag von Josef Kraus
Ein wenig Rechtsgeschichte vorweg: Am 12. Juni 1980 verabschiedete der Bundestag mit der Mehrheit der SPD/FDP-Koalition (ohne namentliche Abstimmung) und mit Zustimmung des Bundesrates das „Transsexuellengesetz“ (TSG) – genauer: „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen.“ Das Gesetz trat in Teilen mit dem Tag der Verkündigung am 10. September 1980 und in Gänze ab 1. Januar 1981 in Kraft (siehe hier). Dem Gesetz war 1978 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorausgegangen. Danach mussten transsexuelle Menschen rechtlich anerkannt werden und es musste ihnen möglich sein, ihr rechtliches Geschlecht und ihren Vornamen ändern zu lassen.
Im Transsexuellen-Gesetz (TSG) wurde bestimmt, unter welchen Bedingungen transsexuelle Menschen (heute: „trans*“-Menschen“) ihren Vornamen und ihren amtlichen Geschlechtseintrag ändern dürfen. Die betreffenden Menschen müssen dafür laut TSG § 4 (3) vor Gericht zwei Gutachten von zwei Sachverständigen vorlegen, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind. Damit soll bescheinigt werden, dass die Antragsteller transgeschlechtlich sind und dass sich dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ändern wird. Betroffene empfanden bzw. empfinden dieses Verfahren als „entwürdigend“ und forderten eine Abschaffung der Begutachtungspflicht. Das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen sogar einige der Vorschriften des TSG für verfassungswidrig erklärt, weil diese Vorschriften gegen Grundrechte verstießen.
Nun will die seit Dezember 2021 regierende „Ampel“ diesem Anliegen folgen. In ihrem Koalitionsvertrag vom 7. Dezember 2021 findet sich unter der Zwischenüberschrift „Queeres Leben“ auf Seite 95 folgender Passus: „Wir werden das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht, ein erweitertes und sanktionsbewährtes Offenbarungsverbot und eine Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote …“ (siehe hier).
Diesem Passus im „Ampel“-Koalitionsvertrag“ waren bereits in der zurückliegenden Legislaturperiode im Juni 2020 Anträge der damaligen Oppositionsfraktionen der „Grünen“ und der FDP vorausgegangen (siehe hier).
Wie war es bislang, was soll anders werden?
Ein konkreter Entwurf für das neue „Selbstbestimmungsgesetz“ ist noch nicht bekannt. Jedenfalls sollen die individuelle Namensänderung und die Änderung des Geschlechts rein durch Selbstauskunft/Sprechakt vor dem Standesamt möglich sein. Bislang waren dafür Amtsgerichte zuständig. Im Jahr 1995 hatten es dort rund 400 Verfahren, im Jahr 2020 insgesamt 2.687 entsprechende Verfahren gegeben.
Die Zahlen decken sich in etwa mit der Zahl medizinisch eingeleiteter Geschlechtsumwandlungen (Transitionen) (siehe hier).
Zurück zum geplanten „Selbstbestimmungsgesetz“: Auf jeden Fall dürfte das „Offenbarungsverbot“ fortgeführt (bislang TSG § 5) und vermutlich verschärft werden. Jetzt schon galt: „Ist die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert werden, rechtskräftig, so dürfen die zur Zeit der Entscheidung geführten Vornamen ohne Zustimmung des Antragstellers nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, daß besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.“ Nun ist – siehe „Ampel“-Vertrag – ein erweitertes und sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot zu erwarten. Womöglich mit einer Verankerung auch im Strafgesetzbuch (StGB).
Medizinisch-psychologische Aspekte
Wenn Menschen – egal welchen Alters – sich in ihrer geschlechtlichen Identität nicht im richtigen Körper bzw. im falschen zu Hause fühlen, spricht man von einer „Genderdysphorie“. Diese „Genderdysphorie“ korrespondiert nach Einschätzung zahlreicher Experten mit einem ähnlichen Bild, nämlich einer „Dysmorphophobie“. Letzteres drückt sich aus in einer traumatischen Unzufriedenheit mit dem eigenen körperlichen Erscheinungsbild, das man an gängigen, medial – auch mittels sozialer Netzwerke – vielfach verbreiteten Schönheitsidealen misst. Dies wiederum kann bei der Affinität junger Menschen zu solchen Medien ähnlich wie bei der Anorexie („Magersucht“) eine infizierende Wirkung haben. Weshalb Fachärzte befürchten, dass die Genderdysphorie die Anorexie als „Mode“-Syndrom ablösen könnte.
Was ist der typische Verlauf der „Genderdysphorie“? Hier skizziert am Beispiel pubertierender Mädchen, die das Gros der Betroffenen darstellen: Solche Mädchen und jungen Frauen leiden an ihrer sich mehr und mehr ausprägenden weiblichen Körperlichkeit. Um den entsprechenden Leidensdruck zu verringern, werden auch von verantwortungsbewussten Ärzten zunächst Pubertätsblocker verabreicht. Besteht die Genderdysphorie fort, werden Hormone eingesetzt: bei angehenden Männern Östrogene, bei angehenden Frauen Testosteron. Erst wenn der „Trans“-Wunsch fortbesteht, kommt es zu chirurgischen Maßnahmen.
Natürlich beeinflussen bereits Pubertätsblocker die sonst übliche körperliche und psychosexuelle Entwicklung. Früher lag der Anteil der „Dysphoriker“, die schließlich weitergehende geschlechtsangleichende Maßnahmen wünschten, bei 15 bis 20 Prozent. Seit Pubertätsblocker eingesetzt werden, liegt er bei nahezu 100 Prozent. Der „Preis“ dafür: Die Betreffenden müssen lebenslang Hormone nehmen und sich oft mehreren OPs unterziehen. Das heißt: Bei einem Geschlechtswechsel, gar ab 14 Jahren, handelt es sich nicht um eine „soziale Transition“, sondern um tiefgreifende und dauerhafte medizinische Maßnahmen.
Der medizinische Weg einer Geschlechtsangleichung und der juristische Weg einer Personenstandsänderung liegen wohl nahe beieinander. Auch wenn eine Annalena Baerbock, noch in ihrer Funktion als Kanzlerkandidatin, im Herbst 2021 in „Emma“ zwischen beiden Wegen unterschieden haben wollte. Baerbock antwortete: „Nur eine Berichtigung des Geschlechtseintrags beim Standesamt sollte ab dem 14. Lebensjahr möglich sein. Für operative Geschlechtsumwandlungen sehen fachliche Leitlinien ein Mindestalter von 18 Jahren vor.“
Der Transgender-Hype
Wie auch immer: Wir befinden uns inmitten eines Transgender-Hypes. Am 6. September 2019 hat eine hochkarätige Fachärztin in der FAZ den Begriff „Transgender-Hype“ geprägt (siehe hier, hinter Bezahlschranke).
Es ist Annette Richter-Unruh, Fachärztin Ruhrklinik Bochum. In ihrer Klinik hatte sie 2006 drei entsprechende Patienten, 2019 bereits 200, vor allem Mädchen und Frauen. Es ist von langen Wartelisten und exponentiell steigenden Zahlen die Rede. Die „Junge Freiheit“ schreibt am 21. Mai 2022: „Die Dynamik erschreckt“ (siehe hier, hinter Bezahlschranke). Auch in anderen westlichen Ländern: Binnen zehn Jahren gab es in Schweden eine Zunahme um 1.500 Prozent, in Großbritannien um 4.000 Prozent.
Ja, es ist politisch und medial ein “Hype“. „Trans“ ist mittlerweile allgegenwärtig. Freilich wenig ist davon die Rede, dass es nach einer Geschlechtsumwandlung kein Zurück („Di-Transition“) gibt und dass eine solche nicht nur qua Selbstaussage erfolgte Umwandlung eine Einbahnstraße ist.
Medien, Teile der Pädagogik und der Kirchen spielen fleißig mit. Beispiele:
1. Der WDR mit seiner „Sendung mit der Maus“ macht mit. Er führt die Sendung als „Wissens- und Unterhaltungssendung für Kinder.“ In einem siebenminütigen Beitrag erklärt Katja (vormals Erik), was es bedeutet, trans zu sein. „Wie aus Erik Katja wurde, das kann sie uns am besten selbst erzählen“, beginnt der Beitrag. Denn Katja wurde als Mann geboren. Doch schon früh merkte Katja, dass sie sich mit ihrem biologischen Geschlecht nicht identifizieren kann: „Man wird geboren mit männlichen Geschlechtsorganen, also mit einem Penis und weiß aber tief im Inneren, das ist man nicht. Ich bin eine Frau“, erklärt Katja.
2. ZDF Logo zeigte am 9. Oktober 2021 den Transgender-Jungen Tim. Im Vorspann heißt es: „Der 13-jährige Tim ist transgender. Er wurde mit dem Körper eines Mädchens geboren, fühlt sich aber als Junge.“
3. Um „nicht-binäre“ Menschen geht es ZDFneo im Mai 2022 in einer sechsteiligen „Instant-Dramaserie“. Die Vorankündigung liest sich so: „‘Becoming Charlie‘ erzählt von Charlies Suche nach Identität. Charlie fühlt sich weder als Frau noch als Mann. Doch was ist Charlie dann? Das Suchen und Finden der eigenen Nicht-Binarität katapultiert dabei nicht nur Charlie, sondern auch Charlies Umfeld aus der Komfortzone und rüttelt an scheinbar unumstößlichen Wahrheiten“ (siehe hier).
4. Sehr fleißig in Sachen „Gender“ ist die Bundeszentrale für politische Bildung (BZpB) (siehe hier). Unter anderem listet die BZpB 60 mögliche „sexuelle Identitäten“ auf.
5. „Genderpädagogik“ gibt es seit 2017 in Berlin als 140 Seiten starke Kita-Handreichung (2017). Der Titel: „Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben“. Darin findet sich das Kapitel „Ich bin nicht Emil, ich bin Charlotte“.
6. Heranwachsende finden ansonsten entsprechende Seiten „pro“ Transition problemlos. Allein auf Youtube gibt es rund 43.000 Videos dazu.
7. Jüngstes Beispiel: der 102. Katholikentag von Ende Mai 2022 in Stuttgart. Die geringe Zahl an diesmal nur noch 27.000 Teilnehmern (früher waren es rund hunderttausend) hatte die Auswahl unter 1.500 Veranstaltungen. Unter diesen 1.500 Veranstaltungen hatten 65 mit Gender und Co. zu tun. Etwa Foren mit folgenden Titeln: „Jesus liebt Trans*“ (28. Mai, 11 Uhr) oder „Johannesevangelium queer gelesen“ (ebenfalls 28. Mai, 11 Uhr). Kein Wunder, wenn Kommentatoren sich Gedanken machen, ob Maria und Josef in einer offenen Patchwork-Beziehung gelebt hätten und die Zeugung Jesu ohne Penetration, also „antipatriarchal“, geschehen sei (siehe hier). Indes war der jüngste Katholikentag nicht der erste Schwenk von „Katholen“ (die Evangelische Kirche ist hier ohnehin weit voraus) in Richtung „Gender“. Das Bistum Hildesheim etwa hatte bereits am 11. Juni 2021 eine Fibel „Geschlechtersensible Sprache“ herausgegeben (siehe hier). Und die Katholische junge Gemeinde (KjG) möchte seit April 2022 zukünftig „Gott+“ (ist Gott tot?) schreiben, der Bund Deutscher Katholischer Jugend hatte bereits Monate zuvor mit der Schreibweise „Gott*“ sympathisiert (siehe hier).
Sehr aktiv: die Queer- und Trans-Lobby
Dass in Deutschland mittlerweile NGOs (mit)regieren, wird immer offensichtlicher. Deshalb müssten NGOs (Non-Governmental Organisations) korrekterweise eigentlich GO (Governmental Organisations) heißen. NGOs seien dem Staat nicht unterstellt, betont man. Doch gewinnt man mehr und mehr den Eindruck, dass der Staat den NGOs unterstellt ist bzw. dass NGOs ganz offiziell mitregieren. Außenministerin Baerbock („Grüne“) etwa hat sich mal schnell die vormalige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan (56) zur Staatssekretärin geholt und der US-Bürgerin für diese Ernennung ganz schnell die deutsche Staatsangehörigkeit ausgehändigt.
Bleiben wir bei der LSBTIQ-Community, die sich durchaus als Lobby versteht. (LSBTIQ = Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Intersexuelle und queere Menschen.) Man ist bestens vernetzt und hat zahlreiche Plattformen, etwa www.queer.de oder www.lsvd.de oder https://dgti.org.
Nun sitzt im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ein Parlamentarischer Staatssekretär, der seit 5. Januar 2022 zugleich „Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter)“ ist. „Expertise“ hat dieser Mann mit Namen Sven Lehmann (42) tatsächlich. Auf Dating-Seiten gibt er sich als Hedonist, Homosexueller in einer offenen Beziehung mit sexuellen Freiräumen und als Feminist. Er tritt ein für Regenbogenfamilien, durchaus auch mit vier sorgeberechtigten Vätern oder vier sorgeberechtigten Müttern. Und er tut auf Facebook kund: „Welches Geschlecht ein Mensch hat, kann kein Arzt von außen attestieren.“ Wenn eine Mutter, die sich zudem als politisch links outet, ihm in „Emma“ in einem offenen Brief ihre Sorge um das neue Selbstbestimmungsgesetz versucht nahezubringen, dann haut der Herr Staatssekretär verbal zurück: Der Brief der Mutter strotze „nur so vor Queer-/Transfeindlichkeit, Homophobie, Adultismus und elterlichem Machtgehabe“ und könne ebenso von „transphoben, evangelikalen Christ*innen oder bürgerlichen Faschos“ stammen (siehe hier).
Wie man erneut sieht: Wenn jemand gegen den „woken“ Mainstream argumentiert, wird er sofort mit Vorwürfen zugeschüttet, die als Ingredienzien das sattsam bekannte Gebräue enthalten aus: homophob, xenophob, rechts, NAZI, wahrscheinlich auch islamophob. So schlicht und einfach ist das Weltbild der nunmehr Herrschenden.
Alice Schwarzer mutig gegen den Trans-Hype
Apropos „Emma“: Auch deren Begründerin Alice Schwarzer handelte sich mit ihrer Kritik am aktuellen Trans-Hype den Ruf ein, „transphob“ zu sein. Alice Schwarzer lässt denn auch Kritiker der „Transition“ zu Wort kommen, etwa Dr. Alexander Korte. Korte ist Oberarzt an der „Poliklinik für Kinder- und Jugend-Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie“ an der Uniklinik München, er behandelt seit 2004 Jugendliche, die sich „im falschen Körper“ fühlen, also an Genderdysphorie leiden. Auf einen männlichen pubertären Patienten kommen nach seiner Erfahrung acht weibliche Patienten. Auch Korte sprach Ende 2019 von einem regelrechten „Trans-Hype“. Er sagt, rollenkonformes Verhalten könne nicht einfach wegoperiert werden (siehe hier und hier). Zu Alice Schwarzer noch: Ihr Meinungswandel ist ihr hoch anzurechnen. Denn sie war in den 1970er Jahren sehr von der „Trans“-Theorie angetan. Damals meinte sie, dass die Gebärfähigkeit der einzige Unterschied sei, der zwischen Mann und Frau bleibe. Alles andere sei künstlich aufgesetzt.
Die ideologische Basis von 'Gender'
Den Startschuss gab, ohne Verwendung des Begriffs „Gender“, Simone de Beauvoir (1908 – 1986). Sie sagte: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“. Als Pionierwerk der Genderisten gilt ihr Buch „Das andere Geschlecht“ von 1949.
Ein paar Jahre später kam John Money (1921 – 2006), neuseeländischer Psychiater am Johns-Hopkins-Krankenhaus in Baltimore mit seinem Hauptwerk: „Gender Identity“ (1973). Money „profilierte“ sich 1965 mit einem seltsamen Menschenexperiment. Ein Ehepaar namens Reimer hatte am 22. August 1965 zweieiige Zwillinge (Jungen) bekommen: Bruce und Brian. Bei Bruce verkümmerte bei einer missglückten Beschneidung im 8. Lebensmonat der Penis. Die Eltern Reimer suchten Dr. John Moneys auf. Dieser veranlasste bei Bruce eine Operation und ab dem 12. Lebensjahr eine Hormonbehandlung, womit aus dem Jungen ein Mädchen bzw. eine Frau werden sollte. Aus Bruce Reimer wurde Brenda Reimer, später nach vielerlei körperlichen und psychischen Komplikationen David Reimer. Bruce-Brenda-David Reimer (später bekannt als „John/Joan“) beging mit 38 Jahren Suizid, sein Bruder Brian bereits zwei Jahre früher. Money hat den „Fall“ ab 1980 verschwiegen. Dennoch sprangen viele Genderisten auf den tragischen „Fall“ auf, ohne auf dessen Tragik einzugehen.
Dann folgte die US-„Philosophin“ Judith Butler (*1956). Ihre Grundthese lautet: Das Geschlecht werde durch Sprache und Erziehung erzeugt, nicht durch die Natur. Das Geschlecht werde auch nicht durch ein X- oder Y-Chromosom erzeugt, schon gar nicht durch einen Schöpfergott. Ihr in der entsprechenden Szene schier zur Bibel erhobenes Hauptwerk heißt: „Das Unbehagen der Geschlechter“ (1991).
Man mag eine Simone de Beauvoir, einen John Money oder eine Judith Buttler anfangs belächelt haben. Mittlerweile sind ihre Ideologien politische Programme geworden: seit 1995 in der Politik der UN und der EU, seit 26. Juli 2000 als „Querschnittaufgabe des Bundeskabinetts. Folge unter anderem: In Deutschland gibt es mittlerweile weit mehr als 200 Professuren für Gender-„Forschung“. Wer will da noch behaupten, die Kritik an solchen „Transformationen“ sei bloße Verschwörungstheorie? Nein, hier wird quasi transeuphorisch der neue Mensch gemacht, emanzipiert von seiner Biologie. Die Folgen werden bagatellisiert, nicht nur die gesellschaftlichen, sondern auch die individuellen. Denn eines wird im Zuge des Hypes verdrängt: Die Genetik lässt sich bei aller „Transition“ nicht austricksen, sondern allenfalls künstlich-hormonell oder chirurgisch unterdrücken. Der Transmann „FzM“ (Frau wird zu Mann) bleibt genetisch eine XX-Frau. Die Transfrau „MzF“ (Mann wird zu Frau) bleibt genetisch ein XY-Mann.
Sigmund Freud scheint dennoch „out“. Für ihn war die „Anatomie das Schicksal“. Und die Genesis scheint ebenfalls out. Nach seinem Ebenbild schuf Gott den Menschen, als Mann und Frau. Jetzt schaffen die Genderisten den neuen Menschen, die neue „Familie“, die neue Gesellschaft. Noch eine große Transformation – aber vermutlich nur in der sog. westlichen Welt.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)
Bild: Shuttestock
Text: Gast