Von Kai Rebmann
Die „Sixtinische Madonna“ entstand in den Jahren 1512/13 und zählt zu den bekanntesten Gemälden des italienischen Renaissance-Künstlers Raffael. König August III. erwarb das Kunstwerk im Jahr 1754, seither hängt es als Teil der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) in der Gemäldegalerie Alte Meister. Maria, das Jesuskind, Papst Sixtus II., die heilige Barbara sowie die beiden Engel der Sixtina, die Protagonisten des Bildes, haben seit ihrer Ankunft an der Elbe vor gut 250 Jahren mit Sicherheit schon einiges gesehen und mitgemacht. Ein derart dreister Angriff auf das Raffael-Gemälde, wie er jetzt von zwei Klima-Chaoten der „Letzten Generation“ verübt worden ist, dürfte allerdings noch nicht dabei gewesen sein.
Die beiden laut Medienberichten 21 und 28 Jahre alten „Aktivisten“, wie die Straftäter in verharmlosender Weise immer wieder gerne bezeichnet werden, haben sich eigenen Angaben zufolge mit Sekundenkleber an dem Werk des Großmeisters fixiert. Via Twitter hat sich die „Letzte Generation“ bereits zu dem Anschlag auf das Gemälde bekannt und schreibt dazu: „2 Menschen haben sich in Dresden an die Sixtinische Madonna geklebt. Wir befinden uns in einer nie dagewesenen Krise. Die Klimakrise wird uns, wenn wir nicht sofort massiv umlenken, wahrscheinlich umbringen. Daher unterbrechen wir den täglichen Ablauf – auch in der Kunst.“ Ganz so sicher scheinen sich die Klima-Chaoten ihrer Sache offenbar nicht (mehr) zu sein, wie das Wort „wahrscheinlich“ suggeriert. Und auch die Antwort auf die Frage, was ein Museumsbesuch bzw. der Verzicht auf selbigen mit der Rettung des Weltklimas zu tun haben könnte, wird in dem Tweet nicht verraten.
Video dokumentiert die mutmaßliche Straftat
Dem Beitrag auf Twitter wurde ein etwa 40-sekündiges Video angehängt, das die mutmaßliche Straftat bis ins letzte Detail dokumentiert. Dazu schreibt die Organisation: „Jetzt ist es an der Zeit, friedlich Widerstand zu leisten und diese Krise unmissverständlich bewusst zu machen. Deshalb haben sich heute mutige Menschen an dieses Gemälde geklebt. Menschen auf der ganzen Welt kennen die beiden Engel der Sixtinischen Madonna von Raffael.“ Im dazugehörigen Video melden sich die beiden „mutigen“ Menschen selbst zu Wort. Es gelte, Widerstand gegen einen „selbstzerstörerischen Kurs“ zu leisten, behauptet die junge Frau. Ihr Partner klagt an: „Während wir hier im Museum sind, ist die Klimakatastrophe in vollem Gang. Schon jetzt sterben Menschen, Menschen leiden Hunger. Menschen haben nichts zu essen und sterben.“ Um diesem Missstand ein Ende zu bereiten, ist es offenbar unumgänglich, sich an die „Sixtinische Madonna“ in Dresden zu kleben.
In einer Pressemitteilung zu dem Vorfall räumte die „Letzte Generation“ noch ein weiteres Motiv für die Tat ein. Man wolle damit die Solidarität mit Christian Bläul zum Ausdruck bringen, wie die Organisation zugab. Dieser ist Deutscher und hatte sich in Schweden an einem sogenannten „Klimaprotest“ beteiligt, bei dem mehrere Straßen in Stockholm blockiert worden sind. Wie in einem funktionierenden Rechtsstaat nicht anders zu erwarten, wurden Bläul und seine Mitstreiter von der schwedischen Polizei abgeführt und festgenommen. In Deutschland können die Straftäter dagegen regelmäßig mit milden Urteilen rechnen, sofern es überhaupt zu Verurteilungen kommt, und dürfen sich auch aufgrund des Geleitschutzes durch die Politik zum Weitermachen animiert fühlen. Dazu passt auch eine Meldung von ntv zu dem aktuellen Fall aus Dresden. Ein Polizeisprecher habe dem Sender gesagt, dass zwar Ermittlungen gegen die beiden „Aktivisten“ aufgenommen worden seien, ob es aber zu einer Anzeige (durch die Polizei) komme, sei noch „unklar“.
Medien und Museumsleitung zwischen Zustimmung und leiser Kritik
Es ist eben dieses Framing von den angeblichen „Aktivisten“, das ein völlig verzerrtes Bild von den in vielen Fällen justitiablen Aktivitäten der Klima-Chaoten zeichnet. So behauptetet etwa die Autorin Rebecca Nordin Mencke in einem MDR-Kommentar: „Wie bei anderen Aktionen der Initiative Letzte Generation ist der Schaden überschaubar – auch ein mögliches juristisches Nachspiel wäre wohl schnell abgehandelt.“ Spätestens wenn Krankenwagen und andere Rettungsdienste aufgrund von Straßenblockaden im Stau steckenbleiben und deshalb im schlimmsten Fall Menschen sterben müssen, wird man wohl nicht mehr von „überschaubaren Schäden“ sprechen können. Die MDR-Autorin kommt schließlich zu dem Fazit, dass wir unsere Umwelt stärker schützen müssten als die „Sixtinische Madonna“. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, bleibt aber auch in diesem Kommentar offen.
Dass sich der entstandene Sachschaden im vorliegenden Fall nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen tatsächlich in Grenzen hielt, ist wohl pures Glück. Der historische Rahmen der „Sixtinischen Madonna“ wurde erst vor zehn Jahren durch eine Replik ersetzt, so dass es sich hierbei um kein historisches Original handelt. Die Generaldirektorin der SKD hielt sich mit Kritik auffällig zurück. Marion Ackermann wird vom MDR dahingehend zitiert, dass sie sogar Verständnis für die Beweggründe der Umweltbewegung habe. Dennoch lehne sie die Attacke auf ein Kunstwerk grundsätzlich ab, wie die Museumsdirektorin dann doch noch hinzufügte.
Womöglich dienen der „Letzten Generation“ die Sinnesgenossen aus Italien als Vorbilder. In den vergangenen Wochen haben sich Mitglieder der dort tätigen „Ultima Generazione“ unter anderem an Kunstwerken im Vatikan-Museum sowie in den Uffizien zu Florenz festgeklebt. Es scheint also nur eine Frage der Zeit zu sein, bis es zu einem größeren Schaden kommen wird, der dann schnell in die Millionen gehen könnte.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Allik / ShutterstockText: kr
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