Nach Winnetou jetzt auch Warnhinweis für „Der Kleine Muck“ "Trigger-Warnungen" linksgrüner Helikopter-Gesellschaft

Ein Gastbeitrag von Josef Kraus

Politik und Medien sind längst zu großen volkspädagogischen Institutionen geworden. Wir begegnen auf Schritt und Tritt allen möglichen Arten von Bevormundung: Du sollst nicht rauchen, keinen Alkohol trinken, kein Fleisch essen, kein E-Auto fahren, in keinen Flieger einsteigen, Zimmer nur auf 18/19 Grad erwärmen, dich mit dem Waschlappen waschen, nur fünf Minuten duschen, dich gegen alles Mögliche impfen lassen, keinen Zierrasen pflanzen, keinen Schottergarten anlegen, Müll trennen und so weiter.

Und du sollst keine Bücher lesen und keine Filme anschauen, die auch nur im entferntesten im Verdacht von Rassismus, Homo- oder Transphobie, „Rächts“, Islamophobie, Geschlechterklischees usw. stehen. Und du sollst Bücher und Filme meiden, in denen etwas vorkommt, was im Leben an Schlimmem passiert: Gewalt, Vergewaltigung, Tod, Suizid, Unfall, Naturkatastrophe und so weiter.

Um die damit verbundenen angeblich traumatisierenden Erfahrungen zu vermeiden, werden immer mehr mediale Produkte mit „Trigger“-Warnungen versehen. Das ist eine Seuche, die wie schon „Political Correctness“, „Cancel Culture/No Platforming“, „Critical-Whiteness“-/„Toxic Masculinity“- und „Postcolonial Studies“ aus „Elite“-Universitäten der USA stammt und mittlerweile in Großbritannien und in Deutschland eifrigste Adepten findet.

Was sind „Trigger“-Warnungen? Es sind dies Warnungen vor bestimmten Büchern und Filmen, in denen möglicherweise – bislang verdrängte – Assoziationen („Flashbacks“) zu traumatisierenden Erlebnissen, Orten, Gefühlen, Gerüchen, Geräuschen oder Personen ausgelöst werden können. Sensible Menschen, zum Beispiel US-Studenten, fühlen sich dann als Opfer und schreien dann larmoyant bis lauthals hinaus: „I feel offended!“ („Ich fühle mich verletzt!“) „Trigger“ haben dabei in vielen Fällen den Effekt von Beipackzetteln, allerdings nicht im Sinne eines durchaus positiven Placebo-Effekts, sondern im Sinne eines Nocebo-Effekts (lat. Nocebo = och schade): „Nocebo“-Effekt heißt, ich bilde mir dann die unschönen Nebenwirkungen ein. Und sei es nur als Déjà-vu-Erinnerungstäuschung.

Wo die Trigger-Seuche begann

In den USA und in Großbritannien werden seit gut zehn Jahren an öffentlichen Bibliotheken und bevorzugt an sozial- und geisteswissenschaftlichen Universitätsinstituten Bücher „getriggert“. Der Leser soll vorab auf „verstörende“ Inhalte aufmerksam gemacht werden, die das Wohlbefinden stören könnten. Diese Einrichtungen sollen zu „Safe Spaces“ für die ach so vulnerable Generation „Snowflake“ (Generation „Schneeflocke“) werden. Die Grenzen zu Bildersturm, totalitären Säuberungen, Bücherverbrennungen sind fließend. Die Beispiele sind Legion: William Shakespeares „Romeo und Julia“-Weltliteratur geht nicht, Grimmelshausens „Simplicissimus“ oder Ovids „Metamorphosen“ und die liebestollen Götter auch nicht. Nicht wenige freizügige oder gewaltdarstellende Bilder aus Renaissance und Barock sind ohnehin „igittigitt“. An US-Universitäten wird in der Juristenausbildung gar der Straftatbestand der Vergewaltigung ausgespart, weil Studenten davon traumatisiert werden könnten. Wie da noch eine umfassende Juristen- (und Arzt-)Ausbildung stattfinden soll!? An US-Universitäten muss man sich mittlerweile auch gut überlegen, ob man einem Niesenden „Bless you!“, also: „Gott segne dich!“ wünscht. Denn der Niesende könnte ja Atheist sein.

Das neue Buch von Josef Kraus

Mit Wissenschaft, Aufgeklärtheit, „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (I. Kant) und Erwachsenwerden hat das nichts mehr zu tun. Vielmehr ist dies ein Verpacken junger Menschen in eine Blase von Visionen einer heilen Welt. Eine total intolerante, bornierte und spießbürgerliche „Wokeness“ mit all ihrer Weltfremdheit und Lebensuntüchtigkeit ist die Folge. Das ist so, wie wenn Eltern ihren Kindern gegenüber etwa das Wort „Angst“ vermeiden, weil sie dann glauben, ihr Kind werde ein angstfreies Wesen. Wo übrigens alltägliche, nicht-neurotische Angst ja auch einen lebenserhaltenden Effekt hat. Tatsächlich hatte man an Universitäten westlicher Länder noch nie so viele Studenten, die einer Psychotherapie bedürfen. Neurasthenie wird wieder zu einem Mode-Syndrom: nämlich hypersensible Empfindlichkeit. Oder mit anderen Worten: Die pampernde elterliche Helikopterpädagogik findet ihre Fortsetzung an der Universität: vom Kreißsaal direkt in den Hörsaal. Siehe hier.

'Triggern' an der Uni Bonn

Dazu passt (weil man ja in einem solchen Referat nichts zu tun hat) an der Universität Bonn eine acht Seiten umfassende Broschüre „Informationen und Anregungen zum Umgang mit Inhaltshinweisen in der Lehre“. Verantwortlich für das im September 2021 erschienene, mittlerweile im Netz allerdings nicht mehr aufrufbare Geheft zeichnet das „Büro der Zentralen Gleichstellungsbeauftragten“.

Dort wendet sich die Gleichstellungbeauftragte an die „Dozent*innen“, um ihnen vorzuschreiben, was sie den „Kommilitonen*innen“ zumuten und nicht zumuten dürfen. Die Ratschläge lauten dann unter anderem so: Studenten sollen bestimmten Seminarsitzungen fernbleiben dürfen und – soweit prüfungsrelevant – Ersatzleistungen einbringen dürfen. Seminare sollen ein „Safe Space“ sein, in welchen Studenten bereit seien, sich herausfordernden Inhalten zu stellen. Bei den Empfehlungen („Content Notes“) handle es sich selbstverständlich nicht um Zensur.

Letztere wird indirekt aber doch empfohlen, wie eine von der Gleichstellungsbeauftragten präsentierte – „nicht erschöpfende“ – Liste an Inhalten belegt, bei denen sensibel vorzugehen sei. Hier die Liste:

„Sexuelle Übergriffe • Stalking • Missbrauch • Kindesmissbrauch/Pädophilie/Inzest • Selbstverletzung und Suizid • Essstörungen, Körperhass und Fettphobie • Gewalttätigkeit • Pornografische Inhalte • Entführung und Verschleppung • Tod oder Sterben • Schwangerschaft/Kindergeburt • Fehlgeburten/Abtreibung • Blut • Tierquälerei oder Tod von Tieren • Psychische Erkrankungen und Behindertenfeindlichkeit • Rassismus und rassistische Beleidigungen • Sexismus und Frauenfeindlichkeit • Klassenkampf • Polizeigewalt • Hass auf religiöse Gruppen (z. B. Islamophobie, Antisemitismus) • Transphobie und Transfeindlichkeit • Homophobie und Heterosexismus.“

Alles in allem stellt sich schon die Frage: Sollen Studenten, also junge Erwachsene, gepampert in einer heilen Uni-Welt aufwachsen? Nein, das kann es nicht sein. Denn sonst wächst keine hochgebildete, aufgeklärte akademische Jugend heran, sondern eine hyperideologisierte, hypersensible und hypermoralische „Generation Snowflake“. Die sich anmaßend dann auch noch für „woke“ hält. Nein, Hochschulen dürfen nicht auch noch zu diskursfreien Streichelzoos werden.

Vorne mit d’ran: MDDR-Intendantin Karola Wille

Wie die Leipziger Volkszeitung (hinter Bezahlschranke) berichtete, trat Karola Wille (*1959) am 5. September 2022 im Sächsischen Landtag beim dort angesiedelten Medienausschuss an. (Siehe auch hier). Dort kündigte sie – offenbar mit der Debatte um Winnetou im Hinterkopf – an, der MDR werde zukünftig mit „Warnhinweisen“ auf eine mögliche Kennzeichnung von „rassistischen Stereotypen“ und „Diskriminierung“ in Filmklassikern achten. Defa-Klassiker wie „Der kleine Muck“, „Chingachgook – Die große Schlange“ oder „Die Söhne der großen Bärin“ könnten davon betroffen sein.

So weit, so gut? So weit, so schlecht? Wir bemühen uns, in die Gesinnungswelt von Frau Wille einzusteigen und werden den Verdacht nicht los, dass die Dame zeit ihres Lebens immer sehr flexibel und anpassungsfähig war. Sie hat eine lupenreine DDR-Biographie, stammt aus einem Elternhaus mit dem hochkarätigen und für Mauertote mitverantwortlichen SED-ZK-Bonzen Siegfried Lorenz als Vater (bei Wikipedia übrigens nicht ausgewiesen), trat mit 18 in die SED ein, war vorübergehend mit einem DDR-Militäranwalt verheiratet, durfte Jura an der Universität Leipzig studieren und in ihrer Promotionsarbeit mit dem Titel „Rechtsverkehr in Strafsachen zwischen den sozialistischen Staaten“ 1985 von der „historischen Mission der Arbeiterklasse schreiben und betonen: „Die Vorzüge des Sozialismus sind auch im internationalen Rahmen umfassend zur Geltung zu bringen.“ Mit so etwas wurde man denn auch bald fünf Jahre vor der Wiedervereinigung wissenschaftliche Assistentin an der Uni Leipzig. 1991 wurde Karola Wille Mitarbeiterin beim „DDR-nostalgischen Schunkelsender“, 1996 juristische Direktorin und 2011 Intendantin (Siehe www.bz-berlin.de/archiv-artikel/die-vorzuege-des-sozialismus-sind-auch-im-internationalen-rahmen-umfassend-zur-geltung-zu-bringen). Dass sie ihren Namen mittlerweile auch mit „Prof.“ schmücken darf, wundert nicht. Diesen Titel bekam sie 2002 von der Universität Leipzig als Honorarprofessorin für Medienrecht verliehen. Ausgerechnet von dem Medieninstitut, das bis 1990 allein für die Ausbildung von DDR-Journalisten zuständig war, unter der Aufsicht der Stasi stand und den Namen “Rotes Kloster“ hatte. Aber Seilschaften gab es ja nach der Wiedervereinigung nicht mehr, oder? Und Wendehälse auch nicht? Was Karola Wille jetzt liefert, war ja auch keine Wendehalsigkeit, sondern – wie von ihr bereits vor 1990 vorgelebt – eine Anbiederung an den neuen, den linken woken Zeitgeist.

Solche Leute braucht das Land, wenn es sich denn auf den Weg zu einer staatlich gelenkten und medial orchestrierten einzigen großen Volkserziehungs- und Therapieeinrichtung entwickeln soll – im Moment noch mit offenem Vollzug.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)

Bild: Tobias Arhelger/Shutterstock
Text: Gast

mehr von Josef Kraus auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert