Ein Gastbeitrag von Christopher Walther
„Ich bin auch ein Vertriebener.
Ich will keine Revanche, nur Glück.“
(Heinz Rudolf Kunze: „Vertriebener“, 1985)
Ein Mann in der sprichwörtlichen Blüte seines Lebens. Privat: glücklich verheiratet, Familienvater. Beruflich: Auslandskorrespondent eines sogenannten Leitmediums, Bestsellerautor mehrerer Sachbücher, häufiger Talkshow-Gast. Ein hot shot.
Derselbe Mann, nur ein paar Jahre später: Kollegen der Leitmedien grüßen ihn nicht mehr. In Talkshows wird nur noch über ihn geredet, nicht mit ihm. Zwangsgebührenfinanzierte Rundfunkanstalten zeigen ihn an und stellen Strafantrag gegen ihn (zu unrecht), die Polizei fahndet nach ihm (zu unrecht), Berufsvereinigungen werfen ihn hinaus (zu unrecht), Banken kündigen seine Konten, Soziale Netzwerke blockieren seine Veröffentlichungen.
Zum Ausgestoßenen
Irgendwann packt der Mann seine Siebensachen und verlässt Deutschland. Vom hochangesehenen Top-Journalisten zum gesellschaftlich Ausgestoßen, der ins Exil getrieben wird: Was ist da passiert zwischendurch? Angela Merkel ist passiert. Und die Flüchtlingskrise. Und Corona.
Das wäre die Kurzfassung. Die Langfassung liefert Boris Reitschuster in seinem neuen Buch „Meine Vertreibung“. Auf 214 Seiten schildert der 52-Jährige, weshalb er als gebürtiger Augsburger mit seiner Familie nach Montenegro ausgewandert ist.
Das Buch ist kurzweilig, oft spannend, mitunter bewegend, manchmal komisch und immer bestens verständlich. Vor allem aber ist es enorm erhellend: Denn das, was Reitschuster beschreibt, geht weit über sein persönliches Schicksal hinaus. Es ist eine Zustandsbeschreibung des Landes. Und das Land sieht nicht gut dabei aus.
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„In 16 Jahren Moskau – als Student, Deutschlehrer und später Büroleiter des Focus – habe ich hautnah erlebt, wie eine Demokratie kippt und wie eine Demokratur funktioniert.“
(Boris Reitschuster: „Meine Vertreibung“, 2023)
Eine Viertelmillion Deutsche haben im vergangenen Jahr die Bundesrepublik verlassen: Genau 268.167 Staatsbürger kehrten ihrer Heimat den Rücken. Weit überwiegend sind es eher Jüngere, gut Ausgebildete, Leistungsfähige und Leistungswillige. Die Gründe für die Auswanderung, die in den Mainstream-Medien so gehandelt werden, reichen von „mehr Karrieremöglichkeiten“ und „weniger Bürokratie“ bis hin zu Abenteuerlust oder auch nur besserem Wetter.
Reitschuster kratzt in seinem Buch nicht nur an dieser nichtssagenden Oberfläche. Er reißt sie gleich ganz weg. Zum Vorschein kommt ein deutscher Untertanen-Alltag – der jene Menschen, die fleißig und ehrgeizig und freiheitliebend sind (was oft zusammengehört), faktisch ausbürgert. So hat es früher die DDR mit vielen Regimekritikern gemacht.
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„Es sind unsere eigenen Sender, die mit ihrem ideologischen Erziehungsjournalismus, ihrem Kuschen vor dem rot-grünen Zeitgeist und Vertuschen von dem, was nicht zu diesem passt, dafür verantwortlich sind, dass RT & Co. so erfolgreich sind.“
(Boris Reitschuster: „Meine Vertreibung“, 2023)
Die Medien und ihre Journalisten spielen bei der Entfremdung der Bürger vom eigenen Land eine wichtige Rolle. Reitschusters Buch liefert dafür zahllose Beispiele. Zwei davon hinterlassen einen besonders schalen Nachgeschmack:
Dagmar Seitzer arbeitete für den WDR und den SWR und war Sprecherin eines Hintergrundkreises „Das Rote Tuch“. Da trafen sich in sozusagen konspirativem Rahmen Politiker und handverlesene Journalisten zum „Austausch“. Dahinter stand ein elitäres Selbstverständnis „Wir handeln geheime Dinge ab, und zwar: Wir wollen Politik verstehen. Und das muss ein Zuschauer oder Leser nicht erfahren – sondern er muss dann nur verstehen, was wir sagen.“ Das sagte Seitzer wirklich so. Hybris und Verrat am Journalismus, sagt Reitschuster dazu.
Patrick Gensing war Chef der sogenannten ARD-„Faktenfinder“ und hatte eine ganz eigene Berufsauffassung – sowie eine bemerkenswerte Vorstellung von seiner persönlichen konkreten Aufgabe: „Ich glaube, dass man die Leser eher gewinnen kann, wenn im Journalismus eine Haltung vertreten wird, als wenn da einfach nur Fakten angehäuft werden. In meinen Augen ist das auch überhaupt nicht Journalismus.“
Reitschuster kann von Manipulationen sogar als Betroffener berichten: Als er RTL einmal selbstgedrehtes Material von der Verhaftung Attila Hildmanns zur Verfügung stellt, verdreht der Sender die Tatsachen – und benutzt dafür das Reitschuster-Video. Nach den schlimmen Krawallen junger Ausländer in Stuttgart 2020 weigern sich die etablierten Medien schlicht, das Kind beim Namen zu nennen. Stattdessen gibt man den Gewalttätern kunstvoll möglichst harmlos klingende Namen wie „Partyszene“ und „erlebnisorientierte Jugendliche“.
Solche Praktiken und so ein Berufsverständnis sprechen sich herum. Irgendwann ist der Graben zwischen der veröffentlichten Meinung und der öffentlichen Meinung einfach zu groß, irgendwann ist die Mediendarstellung zu weit weg von der Lebenswirklichkeit des Publikums. Dann suchen sich die Menschen neue Informationsquellen. Was bleibt ihnen auch übrig, was sollen sie denn sonst tun?
Die Mainstream-Medien machen die alternativen Medien groß – ganz so, wie die etablierten Parteien die AfD groß machen.
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„Faktisch hat die Regierung die Zensur – auch in Form von wirtschaftlichem Druck – geschickt auf private Monopolisten ausgelagert. Was in autoritären Staaten der Geheimdienst macht, machen bei uns Google, Facebook & Co. Hand in Hand mit willfährigen, regierungsfinanzierten ‚Nicht-Regierungs-Organisationen‘ wie der
Amadeu Antonio Stiftung von Ex-Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane.“
(Boris Reitschuster: „Meine Vertreibung“, 2023)
Das Imperium schlägt zurück. Zu viel hat das Establishment zu verlieren, als dass es der wachsenden Schar der Skeptiker und Kritiker kampflose Geländegewinne gestatten könnte. Inzwischen tobt da ein veritabler Kulturkrieg – und der kennt bekanntlich keine Regeln.
Es beginnt mit der beruflichen Ächtung. Außer beim immer noch aufrechten österreichischen Sender „Servus TV“ ist Reitschuster in keiner Talkshow mehr Gast – allerhöchstens ist er Thema: als abschreckendes Beispiel eines verirrten rechten Verschwörungstheoretikers. Die Vernichtung des sozialen Renommees gehört seit jeher zum Werkzeugkasten autoritärer Strukturen.
Nun ist Reitschuster auf den medialen Mainstream längst nicht mehr angewiesen. Seine eigene Internetseite hat Millionen Zugriffe, er ist erfolgreich bei YouTube, bei Facebook, bei Twitter (X sagen nur Schlaffis). Deshalb versucht man, es ihm dort so schwer wie nur irgend möglich zu machen.
YouTube, Facebook und Twitter blockieren regelmäßig seine Beiträge oder sperren auch gleich mal den ganzen Kanal – immer mit blumigen Hinweisen auf „unsere Richtlinien“. Gütige Mithilfe leisten dabei stets und gerne NGOs mit Blockwart-Agenda (die übrigens sämtlich ohne die üppigen Zuschüsse aus der Staatskasse nicht eingetragene, sondern ehemalige Vereine wären).
Es sage bitte niemand, Deutschland erschließe sich keine neuen Geschäftsfelder. Tatsächlich hat sich bei uns in den vergangenen Jahren eine ansehnliche und sehr umtriebige Denunziationsindustrie gebildet.
Fast immer werden die unfassbaren Verstöße gegen die in unserem Grundgesetz garantierte Rede- und Meinungsfreiheit irgendwann von einem Gericht wieder kassiert. Aber bis dahin kostet es eben Zeit, Nerven und Geld. Und das nicht zu knapp.
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„Man braucht unliebsame Journalisten nicht mehr zu zensieren, wenn man dafür sorgt, dass ihnen Banken (…) die Möglichkeit verweigern, ein Konto zu haben.“
(Boris Reitschuster: „Meine Vertreibung“, 2023)
Überhaupt gerät zunehmend die wirtschaftliche Basis von Kritikern der deutschen Zustände unter Beschuss. Reitschuster hat Dinge erlebt, die man noch vor wenigen Jahren in unserem angeblich freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat für völlig undenkbar gehalten hätte:
Banken und PayPal kündigen ihm die Konten. Steuerlich geförderte Spendenplattformen (!) wollen keine Spenden mehr für ihn verwalten. Sein Internet-Provider kündigt ihm die Server. Die Polizei schreibt ihn sogar zur Fahndung aus – wegen einer Verleumdungsanzeige, die der WDR und zwei WDR-Mitarbeiter gestellt hatten und die sich (natürlich) als völlig haltlos herausstellt.
Als Reitschuster selbst von Antifa-Aktivisten tätlich angegriffen wird, macht die Polizei dagegen ostentativ Dienst nach Vorschrift.
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„So sehr sich Merkel und Putin in Sachen Ideologie heute unterscheiden, so sehr ähneln sie sich in ihren Taktiken und in ihren Methoden.“
(Boris Reitschuster: „Meine Vertreibung“, 2023)
„Das Private ist politisch.“ Der Satz war schon immer furchtbar falsch. In Reitschusters Buch ist gut zu sehen, wie die völlige Durchpolitisierung des gesamten Lebens heute unsere Gesellschaft zersetzt. Das grün-linke Mainstream-Kartell verbarrikadiert sukzessive alle noch verbliebenen unpolitischen Rückzugsräume des selbstdenkenden Bürgers.
Wer eine andere als die herrschende Meinung vertritt, wird unerbittlich bis hinein in den letzten Winkel seiner beruflichen und sogar seiner privaten Existenz verfolgt. Man versucht, Bekannte und Freunde und Nachbarn und sogar die Familie gegen den Verfolgten in Stellung zu bringen.
Bärbel Bohley, Gott hab‘ sie selig, hat das erschreckend genau vorhergesagt:
„Alle diese Untersuchungen, die gründliche Erforschung der Stasi-Strukturen, der Methoden, mit denen sie gearbeitet haben und immer noch arbeiten, all das wird in die falschen Hände geraten. Man wird diese Strukturen genauestens untersuchen – um sie dann zu übernehmen.“
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„Im Sommer 2020 nehmen die Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Deutschland Ausmaße an, die ich mir nie hätte ausmalen können. (…) Mein Vertrauen in unsere Demokratie hat seitdem enormen Schaden erlitten. Zugespitzt ausgedrückt, ist es in der Corona-Zeit implodiert.“
(Boris Reitschuster: „Meine Vertreibung“, 2023)
Angela Merkel hat Reitschuster skeptisch gemacht. Die Flüchtlingskrise 2015 hat ihn noch skeptischer gemacht. Aber erst Corona hat aus Boris Reitschuster einen Regimekritiker gemacht.
Er berichtet nicht – wie die meisten seiner Kollegen vor allem der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – vom gemütlichen Redaktionssessel aus über Dinge, die er selbst nie erlebt hat. Reitschuster geht dahin, wo es buchstäblich weh tut. Er erlebt Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten – und auch gegen Journalisten. Er erlebt, wie die meisten Gerichte lieber der Politik folgen als dem Recht (eine unselige Tradition in Deutschland, sie sich hartnäckig hält). Er erlebt, wie private Zensur-Kartelle dank staatlicher Förderung immer mächtiger werden.
Er erlebt, wie Branchenorganisationen sich vor der Politik buchstäblich in den Staub werfen – der diesbezüglich besonders eifrigen Bundespressekonferenz sind mehrere eigene Kapitel in dem Buch gewidmet. Die BPK hat ihn, den international anerkannten Vorzeigejournalisten, aus fadenscheinigen bis lachhaften Gründen einfach hinausgeworfen.
Maßgeblich dafür gesorgt haben hauptstadtbekannte Intriganten. Man ahnt, dass da so mancher in anderen Momenten der deutschen Geschichte sicher eine große Karriere gemacht hätte.
Auf der anderen Seite ist die Liste der Ausgestoßenen mittlerweile auch schier endlos lang. Die Achse des Guten führt ja darüber Buch, und jede Woche kommen neue Namen dazu. Hier einige hervorzuheben, würde den anderen nicht gerecht. Insgesamt erkennt man ein Bild. Es ist das Bild eines gespaltenen Landes.
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„Der rot-grüne polit-mediale Komplex hat die komplette Lufthoheit über den Meinungskorridor errungen. (…) Wer eine ‚falsche‘ Meinung hat, wird diffamiert und entmenschlicht.“
(Boris Reitschuster: „Meine Vertreibung“, 2023)
Das Buch von Boris Reitschuster macht einerseits wütend: Weil man ja stolz sein will auf das eigene Land – dieses Land es einem aber immer schwerer macht, stolz zu sein und sich nicht abzuwenden. Das Buch macht andererseits Angst: Weil man ahnt, dass das Land auch einen selbst so behandeln könnte, wie es Boris Reitschuster behandelt hat (und wie es viele andere weiter behandelt).
Reitschuster hat entschieden, dass es für ihn und seine Familie besser ist, die Bundesrepublik zu verlassen. Für ihn ist das ein Gewinn. Für das Land ist es ein Verlust. Wenn Deutschland einen wie ihn nicht aushält, sondern ihn mit geradezu pathologischem Eifer ins Exil treibt, dann ist das keine gute Nachricht.
Es ist halt, wie es ist. Das ist leider nicht zu ändern. Um es mit Erich Kästner zu sagen:
„Und immer wieder schickt ihr mir Briefe,
in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt:
‚Herr Kästner, wo bleibt das Positive?‘
Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.“
Unter Beschuss – aber umso wichtiger ist Ihre Unterstützung!
„Verschwörungsideologe“, „Nazi“ oder „rechter Hetzer“: Als kritischer Journalist muss man sich heute ständig mit Schmutz bewerfen lassen. Besonders aktive dabei: die öffentlich-rechtlichen Sender. Der ARD-Chef-Faktenfinder Gensing verklagte mich schon 2019, der Böhmermann-Sender ZDF verleumdete mich erst kürzlich als „Verbreiter von Verschwörungserzählungen“ – ohne einen einzigen Beleg zu benennen, und in einem Beitrag voller Lügen. Springer-Journalist Gabor Steingardt verleumdete mich im „Focus“, für den ich 16 Jahre lang arbeitete, als „Mitglied einer Armee von Zinnsoldaten“ und einer „medialen Kampfmaschine“ der AfD. Auf Initiative des „Westdeutschen Rundfunks“ wurde ich sogar zur Fahndung ausgeschrieben. Wehrt man sich juristisch, bleibt man auf den Kosten in der Regel selbst sitzen. Umso wichtiger ist Ihre Unterstützung. Auch moralisch. Sie spornt an, weiter zu machen, und nicht aufzugeben. Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass Sie mir mit Ihrem Beitrag meine Arbeit ermöglichen – ohne Zwangsgebühren und Steuergelder.
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Achgut.com
Christopher Walther war viele Jahre ein bekannter Journalist in Berlin. Heute lebt er als Autor in Bayern. Er schreibt hier unter einem Pseudonym.
Bild: Achgut.com