Ausgangssperren in Sachsen waren teilweise rechtswidrig (Zu) Späte Einsichten?

Von Kai Rebmann

Frühjahr 2020: In ganz Deutschland gehen Menschen auf die Straßen, um friedlich für ihre im Grundgesetz verbrieften Freiheitsrechte zu demonstrieren. Die Reaktion in weiten Teilen von Politik, Medien und Gesellschaft? Eine bisher wohl beispiellose Diffamierung von Millionen von Mitbürgern als Querdenker, Rechtsextreme oder Schlimmeres. Doch jetzt wird immer klarer: Die Freiheitsaktivisten von damals haben sich zu Recht gegen die Maßnahmen eines immer übergriffiger werdenden Staates gewehrt.

Bereits im Spätjahr 2022 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die im April 2020 verhängten Ausgangssperren und weitere Maßnahmen nicht verhältnismäßig waren, weshalb Bußgelder in tausenden Fällen zurückgefordert werden können. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Chemnitz ein ganz ähnliches Urteil gefällt und die von der Landesregierung Sachsen im März 2020 verhängten Ausgangssperren für teilweise rechtswidrig erklärt.

Mühlen der Justiz mahlen langsam

Es gehört wohl zu den Merkwürdigkeiten dieser „Pandemie“, dass immer mehr Gerichte jetzt, wo es praktisch keine Rolle mehr spielt, doch zu der Erkenntnis kommen, dass die Einschränkungen der Grundrechte viel zu weitreichend waren. Als es darum gegangen war, über das Hier und Jetzt zu entscheiden – etwa per Eilverfahren – hatten sich die meisten Richter noch weggeduckt oder im Sinne der Regierungen entschieden. Und wenn ein Richter doch mal den Finger in die Wunde legte, so hat man ihn – quasi als warnendes Beispiel – kaltgestellt und aus dem Verkehr gezogen.

Diesen Vorwurf der „Hasenfüßigkeit“, wie er zuletzt von Rechtsanwältin Jessica Hamed formuliert wurde, müssen sich auch die Richter in Chemnitz gefallen lassen. Anstatt im Eilverfahren über die Ausgangssperren in Sachsen zu entscheiden, wie von einem Mitglied der FDP beantragt, wurde die Causa auf die lange Bank geschoben. Und so vergingen zunächst Wochen, dann Monate und schließlich Jahre. Bis sich das Verwaltungsgericht Chemnitz jetzt, mehr als drei Jahre, endlich zu einem Urteil durchringen konnte.

Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für öffentliches Recht an der Uni Würzburg, sagte dem MDR, dass Verfahren an Verwaltungsgerichten im Durchschnitt über ein Jahr dauerten. Weshalb es in diesem Fall aber dreimal so lange brauchte, sieht der Experte darin begründet, dass die Gerichte immer mehr Eilanträge zu prüfen hätten und die Verfahren immer komplexer würden. Dafür fehle es oft an Zeit und Personal, so Schwarz.

Das scheint aber dann nicht zu gelten, wenn es um die Verfolgung Andersdenkender geht. Hier scheinen die deutschen Gerichte nahezu unerschöpfliche Ressourcen zu haben. Und aus mindestens einem weiteren Grund sind solche Aussagen gefährlich: Es entsteht der Eindruck, als würden Eilanträge mitunter auch deshalb abgelehnt, weil man gerade keine Zeit dafür hat oder haben will – und nicht etwa, weil sie in der Sache unbegründet wären.

Signal für die Zukunft

Nicht weniger problematisch ist der zweite Versuch einer möglichen Erklärung für die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer. Da der Streitgegenstand, „also das, worüber die Parteien gestritten haben“, in der Zwischenzeit überholt gewesen sei, habe das Gericht wohl keine dringende Eilbedürftigkeit mehr gesehen, so die Vermutung des Professors.

Tatsächlich ist es aber doch so, dass es Meldungen über die aktuelle Entscheidung aus Chemnitz kaum noch in die deutschen Gazetten schaffen werden und wenn doch, dann allenfalls im Kleingedruckten. Wäre dasselbe Urteil aber zeitnah zu den betreffenden Ereignissen verkündet worden, die mediale und wohl auch gesellschaftliche Aufmerksamkeit wäre eine ungleich größere gewesen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Und so bleiben als einzige unmittelbare Auswirkung, die das Urteil zeitigt, die Rückerstattung von 500 Euro Verfahrenskosten und die „innere Genugtuung“ des Klägers, wie Billy Bauer gegenüber dem MDR zu Protokoll gibt: „Die haben quasi erkannt, dass die Verordnung, die sie im März 2020 erlassen haben, falsch war.“ Wer sich davon jetzt aber noch etwas kaufen können soll, bleibt leider offen.

Untersuchungsausschuss? Selbst die Opposition winkt ab

Auch wenn der „Streitgegenstand“ drei Jahre zurückliegt, so lässt sich eine Sache nicht wegdiskutieren oder gar verschweigen: Die Landesregierung in Sachsen hat ihre Bürger mit zumindest in Teilen unrechtmäßigen, weil unverhältnismäßigen Maßnahmen gegängelt, für die es keinerlei Grundlage gab. Dieses Versagen, um den Begriff „Willkür“ an dieser Stelle zu vermeiden, wird auch nicht dadurch geschmälert, dass inzwischen Gras über die Sache gewachsen ist.

Was also sind die Folgen? Rücktritte? Kann man in Zeiten wie diesen wohl ausschließen, in denen Politiker Forderungen nach der Übernahme von Verantwortung für ihr Handeln fast schon als dreiste Bösartigkeit betrachten. Dann aber doch zumindest ein Untersuchungsausschuss, wie ihn die FDP fordert? Die Liberalen sitzen in Sachsen nicht einmal im Landtag und haben deshalb in dieser Hinsicht keinerlei Handhabe. Und selbst AfD wie auch Linke, die beiden größten Fraktionen der Opposition, winken unisono ab.

Die AfD bezeichnet politische Untersuchungsausschüsse als „zahnlose Tiger“ und hätte sich eine Entscheidung über die Einschränkung der Grundrechte während der Corona-Zeit im Eilverfahren gewünscht. Auch die Linke scheint in einem solchen Vorstoß nicht viel mehr als Zeitverschwendung zu sehen: „Von einem Untersuchungsausschuss versprechen wir uns nichts, weil darin dieselben Abgeordneten das Sagen hätten, die in der Corona-Zeit das Regierungshandeln gestützt haben.“

Also alles umsonst? Vielleicht nicht ganz. Für den Moment mag das so sein, dennoch könnte das Urteil aus Chemnitz als Wegweiser für zukünftiges Handeln in vergleichbaren Situationen dienen. Diese Hoffnung scheint jedenfalls Billy Bauer zu hegen: „Aber in Zukunft gibt es bestimmte Dinge nicht mehr, weil das ist jetzt schon festgestellt worden. Und die Juristen gucken auch immer, was gab es noch für Fälle, sind die ähnlich, und gibt es dazu Urteile.“

So sehr man sich auch wünscht, dass Bauers Worte den Weg in Gottes Gehörgang finden mögen, so groß sind die Zweifel daran. Wenn uns – und vor allem unsere Politiker – die Corona-Krise eines gelehrt hat, dann dies: Gegen wie auch immer geartete Maßnahmen, und seien sie noch so absurd und autoritär, ist dann, wenn es darauf ankommt, kaum mit ernstzunehmendem Widerstand zu rechnen – weder seitens der Medien noch durch die Mehrheit der Gesellschaft und am allerwenigsten aus den Reihen der als unabhängig geltenden deutschen Gerichtsbarkeit.

Nach dem, was ich erlebt habe, und meiner Operation, muss ich meine Arbeit deutlich ruhiger angehen und mich schonen. Dazu haben mich die Ärzte eindringlich aufgefordert. Und ich glaube, das bin ich meinen Nächsten, meinem Team und auch Ihnen schuldig. Wir wollen ja noch eine Weile etwas voneinander haben! Und nach drei Jahren mit Vollgas und an vorderster Front hat der Motor etwas Schonung verdient. Umso mehr bin ich Ihnen dankbar für Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, weiterzumachen! Und sie gibt mir die Sicherheit, mich auch ein wenig zurücklehnen zu können zur Genesung. Auf dass wir noch ein langes Miteinander vor uns haben! Ganz, ganz herzlichen Dank!

Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: nitpicker/Shutterstock

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