Dänische Epidemiologin zerlegt deutsche Corona-Politik „Wir müssen uns bewusst machen, dass wir Infektionen nicht vollständig verhindern können“

Von Daniel Weinmann

Während Deutschland gerade den Grundstein für eine Impfung im Dreimonatstakt ab Oktober legt, verzichten andere EU-Staaten reihenweise gänzlich auf weitere Beschränkungen. Dänemark wies bereits Anfang Februar den Weg aus der Pandemie, als die Skandinavier sämtliche Maßnahmen aufgehoben hatten. Die führende dänische Epidemiologin Lone Simonsen ist zuversichtlich, dass Corona nun unter Kontrolle ist.

„Wir haben uns dafür entschieden, zu sagen, die Bedrohung durch Corona ist ähnlich wie die der saisonalen Influenza“, sagte die Pandemie-Forscherin an der Universität Roskilde „t-online“. Daher werde in Dänemark auch nicht anders darauf reagiert und das gesellschaftliche Leben sei weit geöffnet – trotz der zwischenzeitlich gestiegenen Hospitalisierungsrate.

Simonsen, die auch Mitglied der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften ist, sieht dafür seien vor allem zwei Gründe verantwortlich: „In unseren Daten sehen wir, dass Menschen, die eine natürliche Infektion hatten, darauf vertrauen, dass sie durch die Impfstoffe wirklich gut vor BA.5 geschützt sind.“ Es sei also die Kombination aus Impfung und natürlicher Immunität, die sich positiv auswirke.

»Wir müssen Immunität in der Bevölkerung aufbauen und auch ein gewisses Risiko eingehen«

Auch bei unserem nördlichen Nachbarn wird die Impfung offensichtlich als probates Mittel für den Weg aus der Krise betrachtet. Der Unterschied ist allerdings, dass der deutsche ‚Entwurf für eine Fortentwicklung des Infektionsschutzgesetzes‘ den Grundstein für eine Impfung im Dreimonatstakt legt. Denn ab Oktober darf nur noch ohne Maske am öffentlichen Leben teilhaben, wer eine maximal drei Monate zurückliegende Impfung nachweisen kann. Selbst Vierfach-Vakzinierte gelten als dann ungeimpft, sofern ihre letzte Impfung mehr als drei Monate zurückliegt.

Dass die Scharfmacher um Gesundheitsminister Lauterbach vor einem katastrophalen Corona-Herbst warnen und entsprechend einschneidende Maßnahmen auf den Weg bringen, kann Simonsen nicht nachvollziehen. „Wir müssen uns bewusst machen, dass wir Infektionen nicht vollständig verhindern können“, so die Epidemiologin, „wir müssen daher Immunität in der Bevölkerung aufbauen und auch ein gewisses Risiko eingehen. Ja, Leute werden krank und leider werden manche Menschen ernsthaft krank und manche sterben auch.“

Wie recht Simonsen mit ihrer SIcht der Dinge hat, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass hierzulande fast dreimal mehr Menschen mit dem Virus infiziert sind als in Dänemark, wo das gesellschaftliche Leben auch im Herbst geöffnet bleiben wird.

»Falls das Virus so gefährlich ist, wie Karl Lauterbach sagt, werden die Dänen zur Strafe aussterben«

„So lange es nicht schwerwiegender ist als bei einer saisonalen Grippe ist, glauben wir, dass es keinen Grund gibt, anders zu handeln“, bekräftigt sie in Bezug auf den dänischen Weg. Mit Blick auf Deutschland sehe es nicht so aus, dass es sich um eine bedrohliche Situation für den Krankenhaussektor handele, nur wenige Betten auf der Intensivstation seien belegt.

Auch die weltweite Lage stimmt Simonsen positiv: Angesichts der Zahlen der Weltgesundheitsorganisation werde man feststellen, „dass das Schlimmste hinter uns liegt“. Das globale Gesamtbild mache sie glücklich. „Ich bin zuversichtlich – egal, was passiert“, blickt die Forscherin nach vorn. „Ja, es wird mehr Varianten geben. All diese Dinge werden passieren, aber insgesamt wird es immer besser und es wird bald enden.“

Hierzulande fordert Karl Lauterbach derweil klare Impfempfehlungen auch für Jüngere. Natürlich wollen auch die Jüngeren wissen, was sie denn nun machen sollen. „Wir brauchen jetzt klare Empfehlungen für alle Altersgruppen“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er verlangt damit von den als unabhängig geltenden Experten der Ständigen Impfkommission, dass sie ihre wissenschaftliche Bewertung seinen politischen Anweisungen unterordnet. Seine ebenso anmaßende wie überhebliche Begründung dafür lautet so: „Das sind Wissenschaftler, die Politik machen wir.“

Welt“-Kolumnist Harald Martenstein findet für das Krisenmanagement des obersten deutschen Pandemie-Beauftragten die passenden Worte: „Falls das Virus so gefährlich ist, wie Karl Lauterbach sagt, werden die Dänen zur Strafe aussterben, es sei denn, wir werfen aus unseren letzten flugfähigen Bundeswehrflugzeugen Instrumentenkästen über Dänemark ab.“

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Shutterstock
Text: dw

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