Von Hans-Hasso Stamer
Ich stelle mal eine steile These an den Anfang dieses eher philosophischen Beitrages: Linke haben eine Art erworbener Dummheit. Ich war ja selbst mal links. War ich damals dumm? Na klar. Und am dümmsten war ich an der Stelle, wo es darum ging, meine eigenen Interessen durchzusetzen. Denn ich hatte noch nicht verstanden, wie das System im Westen funktionierte. Wie auch, ich war ja erst kurze Zeit dabei.
Der Lernprozess war schmerzhaft, dauerte auch, funktionierte aber. Zunächst wurde ich mit grenzwertig kriminellen Methoden aus meiner DDR-Wohnung herausgentrifiziert. Das aktivierte mich, zunächst politisch – ich schloss mich der örtlichen Gruppe von Bündnis 90 an. Das verschaffte mir immerhin sehr wichtige Erkenntnisse fürs Überleben im neuen System. Dann fällte ich eine der besten Entscheidungen meines Lebens, kaufte eine mehr oder weniger Hausruine im Berliner Umland und begann sie, in meiner freien Zeit auszubauen, zunächst mit einer Firma, später eigenhändig. Heute wohne ich darin. Ich hatte begriffen, dass ich das Problem mit der Gerechtigkeit in meine eigenen Hände nehmen musste.
Die Leute, mit denen ich damals in Berlin zu tun hatte, waren nicht dumm im intellektuellen Sinne. Aber sie haben sich selbst dumm gemacht, und zwar durch die Akzeptanz von dogmatischen Glaubenssätzen, die sie wie Argumente verwendeten und nicht mehr hinterfragten. Heute nennt man das Groupthink.
Linke glauben, durch Sozialismus die Ungerechtigkeit in der Welt besiegen zu können. Ein Systemchange, früher nannte man das Revolution, ist für sie die Lösung. Das ist zwar bereits ungefähr 28 mal in der Weltgeschichte schiefgegangen, das letzte Mal in Venezuela. Aber es waren ja immer entweder die falschen Leute oder sie haben es nicht richtig angefangen. Oder der Klassenfeind in Washington oder Bonn hat alles kaputtgemacht.
Allerdings ist das schon mal der erste Irrtum, denn kein Systemwechsel auf der Welt kann die Natur des Menschen ändern. Sozialismus funktioniert grundsätzlich nicht, weil er nicht vom Menschen ausgeht, so wie er nun mal ist. Es kommt immer wieder nur eine weitere Oligarchie dabei heraus oder eine staatliche Monopolwirtschaft, korrupt und ineffektiv. Auch die DDR war nichts anderes. Wären die Linken vor 1989 da mal hingefahren, hätten sie es selbst feststellen können. Die Marktwirtschaft selbst jedoch lässt sich nicht abschaffen, sie setzt sich immer wieder durch, weil sie der natürliche Interessenausgleich des Menschen ist. Selbst die biologische Partnersuche ist ein Markt.
Dass sie dies nicht erkennen, zeugt meiner Meinung nach von mangelnder Introspektionsfähigkeit. Sie sehen sich selbst nicht ohne Brille, sind dazu nicht in der Lage. Selbst im Alltag werden hidden Agendas durchgesetzt, ist das, was man aus sozialen Gründen äußert, nicht unbedingt das, was wirklich angestrebt oder gedacht wird. Eine gewisse Verlogenheit kennzeichnet das menschliche Wesen, weil sie sozial von Vorteil ist. Es ist sogar so, dass ein gewisses Maß an Selbstbetrug positiv auf die eigene Motivation wirkt. Für die Erkenntnis der Welt ist das allerdings nicht von Vorteil. Die Evolution optimiert jedoch nach sozialem Erfolg, nicht nach optimaler Welterkenntnis.
Gleichheit ist nicht dasselbe wie Gerechtigkeit
Ich habe das in der DDR erlebt. Die Ungerechtigkeit in der Welt beruht zueinem erheblichen Teil auf tatsächlicher Ungleichheit, nicht nur auf ungleichen ökonomischen und Bildungschancen (das auch, die kann man aber ausgleichen, was allerdings keinen Systemwechsel erfordert). Man kann sie mildern, aber nicht ganz abschaffen. Gleich ist nur, was gleichgemacht wird und Gleichheit ist nicht dasselbe wie Gerechtigkeit. Eine Gesellschaft, die alle gleichmacht, ist zutiefst ungerecht. Dabei geht es nicht um Privilegien, sondern um Voraussetzungen. Und eine Diskussion um „Klimagerechtigkeit“ würde ich in eine Reihe mit „Wieviele Engel können auf einer Nadelspitze tanzen“ stellen.
Menschen unterscheiden sich sehr stark in bestimmten Aspekten, wie ihr Gehirn funktioniert, andererseits gibt es auch starke Gemeinsamkeiten, wo alle Menschen gleich funktionieren. Dabei sind bestimmte Kombinationen von Eigenschaften sozial sehr erfolgreich, andere führen direkt in den Mißerfolg.
Es gibt Unternehmerpersönlichkeiten, denen ist das buchstäblich in die Wiege gelegt. Die brauchen das und können das auch. Im Alltagsleben sind sie eher Stinkstiefel. Der normale Bürger versteht das nicht, aber die Gesellschaft braucht solche Leute. Und der Sozialismus unterdrückt sie. Vor allem deshalb ist er nicht konkurrenzfähig. Steve Jobs, Elon Musk oder Bertha Benz wären im Sozialismus an die Wand gedrückt worden und untergegangen. Albert Einstein hätten sie in die Produktion geschickt, um sich unter Arbeitern zu bewähren.
Die meisten Konzernmanager zähle ich übrigens nicht zu den Unternehmern. Die können so sein, müssen es aber nicht. Die können auch sein wie die Apparatschiks im Osten oder unsere jetzige „Führungsriege“. Stark im Mobben, Täuschen und Blenden und erfinderisch im Mitnehmen eigener Vorteile, schwach dagegen in Weitsicht und Durchblick. Und 100-prozentig verantwortungslos, etwas, was ein guter Unternehmer überhaupt nicht ist.
Der Kapitalismus als Gesellschaftssystem dockt direkt an den realen Eigenschaften des Menschen an. Das macht ihn so erfolgreich und deshalb ist er in mannigfaltigen Variationen seit der Urgesellschaft in Funktion. Auch die antiken und die mittelalterlichen Gesellschaften waren im Grunde genommen nichts anderes. Kapitalismus beruht auf der Marktwirtschaft, und das ist die natürliche Art, wie Menschen ihre Interessen in einer Gemeinschaft ausgleichen. Dabei sind gleichberechtigte Marktteilnehmer von Vorteil für alle und deshalb kam der Kapitalismus auch erst mit dem Siegeszug der bürgerlicher Freiheiten durch die französische Revolution 1789 so richtig in Fahrt. Märkte sind aber nur effektiv, „gerecht“ sind sie nicht.
Sozialismus ist in dieser Sicht nichts anderes als der ewige Wunsch nach Gerechtigkeit im Leben. Der Traum ist legitim, aber diese Gerechtigkeit gibt es nicht und der Sozialismus schafft sie auch nicht. Eine Gesellschaft muss Ausgleichsmechanismen haben, um Ungerechtigkeiten abzumildern. Mehr ist nicht möglich. Aber dazu braucht man keinen Sozialismus. Es gibt kein gerechtes System, es gibt nur Gerechtigkeit unter Menschen.
Das bedeutet übrigens nicht, dass es nicht Bereiche gäbe (zum Beispiel Gesundheitswesen), wo man den Einfluss des Marktes begrenzen sollte. Aber das wäre eine andere Diskussion.
Bei uns in Deutschland versuchen gerade die Grünen, den Mittelstand abzuschaffen, indem sie ihn in die Pleite oder ins Ausland treiben. Das hat man schon in der DDR getan und es war ein Verbrechen. Und heute ist es nichts anderes. Auch deshalb sind die Grünen meine politischen Feinde, und für den Umweltschutz werden sie nicht mehr gebraucht. Sie vertreten inzwischen sowieso andere Ziele. Der Mittelstand ist das, worauf der Wohlstand dieses Landes beruht. Und nicht nur der Wohlstand, sondern auch der soziale Frieden und die Sicherheit im Lande. Die von Linken und Grünen betriebene anhaltende Massenmigration vor allem aus Nahost ist ebenfalls ein in jeder Dimension zerstörerisches Element, was nicht bedeutet, dass die Migration Einzelner eine Gesellschaft nicht bereichern kann. Das allerdings werte ich nicht mehr als Dummheit, sondern als ideologisch motivierte Bösartigkeit. Es geht in Wirklichkeit darum, für die neue, ökologischere, gerechtere Gesellschaft, die all dies nie sein wird, eine Tabula rasa zu schaffen. Die Massenmigration ist da nur die Abrissbirne.
Der Mittelstand profitiert am meisten von fähigen Unternehmerpersönlichkeiten. Das ist übrigens keine menschliche Werteordnung. Ich plädiere nur dafür, die Potenzen solcher Individuen zu nutzen. Eine Gesellschaft kann es sich langfristig gar nicht leisten, sie zu unterdrücken. Vor allem das, so dachte ich, hätte der real existierenden Sozialismus gelehrt. Aber die Linken im Westen haben ihn nie wirklich kennengelernt, sondern sind lieber in ihrer Komfortzone geblieben. Sie haben sich ein Idealbild davon erschaffen, an dem sie auch, und das ist eine Katastrophe, heute noch festhalten, während man im Osten den real existierenden Kapitalismus sehr gründlich kennengelernt hat, Dort sind die Erfahrungen aus dem real existierenden Sozialismus noch wirksam. Da die alten Kader wegsterben, wird jetzt auch die Zustimmung zu diesem Gesellschaftsmodell immer geringer.
Erst heute wachsen sich die Mentalitätsunterschiede zwischen Ost und West ganz langsam aus, und das begrüße ich ausdrücklich – auch wenn es noch ein paar Generationen dauern wird.
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Hans-Hasso Stamer ist Diplomingenieur, Blogger und Musiker (und war als solcher in der DDR bekannt). Über sich schreibt er: „Erfahrungen in zwei Systemen und in verschiedenen Berufsfeldern. Ich lebe ‚jottwede‘ im Land Brandenburg und genieße es. Manchmal schreibe ich auch über Katzen.“ Stamer betreibt den Blog »Splitter & Balken«.
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