Von Kai Rebmann
Knapp 800 Autobahnkilometer liegen zwischen Hamburg und München. So groß wie die geografische Distanz zwischen den beiden Metropolen ist, so weit könnten sie künftig auch im öffentlichen Sprachgebrauch auseinanderliegen. Geht es nach den Grünen im Münchner Stadtrat, so soll die Beförderung von Mitarbeitern in der Verwaltung der bayerischen Landeshauptstadt demnächst von deren Bereitschaft zum Gendern abhängig gemacht werden. Der Aufstieg in eine höhere Besoldungsstufe wäre dann nur noch möglich, wenn zuvor eine „Fortbildung“ besucht wurde. Konkret fordern die Grünen, entsprechende „Fortbildungen zur Gleichstellung für städtische Führungs- und Nachwuchskräfte verpflichtend“ zu machen. Die Verwendung der höchst umstrittenen Gendersprache soll offensichtlich also sogar Teil der Ausbildung werden.
Fast zeitgleich prescht die CDU in Hamburg mit einem völlig gegensätzlichen Antrag vor. Die Christdemokraten wollen das Gendersternchen – ob in gesprochener oder geschriebener Form – aus allen Behörden der Hansestadt verbannen. In einem Antrag der CDU Hamburg heißt es: „Schulen, Universitäten und andere staatliche Einrichtungen sollen keine grammatisch falsche Gendersprache mehr verwenden.“ Die Bild zitiert den Landesvorsitzenden Christoph Ploß wie folgt: „Ein scheinliberales Milieu möchte die Gendersprache gegen den Willen einer großen Mehrheit der Deutschen durchsetzen. Häufig werden Andersdenkende unter massiven Druck gesetzt, ebenfalls zu gendern.“ Er wolle niemandem vorschreiben, wie er privat zu schreiben oder zu reden habe, aber in Schulen und Behörden dürfe es grammatikalisch falsche Sprache nicht geben, so der CDU-Politiker.
Experten lehnen Gendersprache ab, Rechtslage bleibt unklar
Wie so oft ist es auch bei der Diskussion um das Gendersternchen eine Minderheit, die der Mehrheit ihren ideologischen Willen aufzuzwingen versucht. Dabei profitieren die Befürworter der „geschlechtersensiblen Sprache“ davon, dass wichtige Stellen in Universitäten, Behörden oder auch den Medien von ihresgleichen besetzt sind. Buchautor Fabian Payr, der sich kürzlich gemeinsam mit über 280 weiteren Sprachwissenschaftlern in einem offenen Brief gegen die „Genderpraxis des ÖRR“ gewandt hat, erklärt in der Welt am Beispiel der Hochschulen, wie die Gendersprache durchgesetzt wird. Die entsprechenden Leitfäden für die Lehrkräfte seien oft zwar nicht ausdrücklich verpflichtend. „Sie sind aber so durchzogen von moralischen Wertungen, angeblich gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Verweisen auf Rechtstexte, dass die Botschaft bei jedem ankommen muss: Wer hier nicht mitmacht, begibt sich auf ganz dünnes Eis. Dieser psychologische und soziale Druck reicht oft schon aus.“
Aber auch die Studenten werden immer öfter zum Gendern gezwungen, obwohl es dafür keinerlei Rechtsgrundlage gibt. Öffentlich bekannt wurden in der jüngeren Vergangenheit die Beispiele aus Gießen, Göttingen und Tübingen, in denen Studenten jeweils mit Punktabzügen bestraft wurden oder sogar durch die Prüfung gefallen sind, weil sie grammatikalisch korrekt auf die Gendersprache verzichtet haben. Wie gut das „Prinzip Einschüchterung“ an den Universitäten aus Sicht der Gender-Ideologen funktioniert, beschreibt Franca Bauernfeind vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) anhand des Beispiels aus Tübingen. „Wir wären gerne bereit gewesen, die Betroffenen bei einer Klage zu unterstützen. Aber in diesem und auch mehreren anderen Fällen, die wir betreuen, hatten die Studenten zu viel Angst vor Repressalien durch die Lehrkräfte, von deren Benotung sie ja auch in Zukunft abhängig sind“, so die RCDS-Bundesvorsitzende in der Welt. Man möchte kaum glauben, dass es sich bei diesen Worten um die Zustandsbeschreibung einer deutschen Universität handelt, die zudem kein Einzelfall zu sein scheint.
„Unterwerfung unter eine bestimmte Ideologie darf nicht verlangt werden“
Der Jurist Arnd Diringer weist bei der Beurteilung der rechtlichen Fragen rund um das Gendern auf den wichtigen Unterschied hin, ob damit Menschen angesprochen werden oder etwa die Verwendung des Gendersternchens vorgeschrieben werden soll. So gebe es entsprechende Urteile, laut denen eine Sparkasse ihre Kunden unter Gebrauch des generischen Maskulins anschreiben darf, die Deutsche Bahn eine Anspracheoption für „nichtbinäre“ Menschen einrichten muss oder VW-Mitarbeiter sich die Ansprache mit einer gendergerechten Formulierung gefallen lassen müssen. Der Arbeitsrechtler geht auch davon aus, dass ein Arbeitgeber wohl das Recht haben dürfte, zum Beispiel bei der Gestaltung der firmeneigenen Webseite das Gendern zu verlangen.
Handelt es sich jedoch um ein Schreiben, die ein Mitarbeiter mit seinem Namen unterschreibt, sieht Diringer die Grenzen einer vorgegebenen Genderpflicht erreicht. „Eine persönliche Unterwerfung unter eine bestimmte Weltsicht oder Ideologie, und nichts Anderes ist das Gendern, darf von Arbeitnehmern nicht verlangt werden“, so die Einschätzung des Experten. Anders beurteilt Diringer die Rechtslage wiederum in Tendenzbetrieben, also Unternehmen, in denen keine wirtschaftlichen Ziele im Vordergrund stehen, sondern politische Ziele.
Wenn es um die deutsche Sprache geht, gibt es wohl kaum eine größere Koryphäe als Wolf Schneider. Die NDR-Legende spricht gegenüber der Bild Klartext: „Die ganze Gender-Debatte ist eine Wichtigtuerei von Leuten, die von Sprache keine Ahnung haben.“ Schneider gibt bei dieser Gelegenheit eine Nachhilfestunde in Deutsch: „Zwischen dem natürlichen und dem grammatischen Geschlecht besteht nicht der geringste Zusammenhang. Wie könnte es sonst das Weib heißen? Der Löwe, die Schlange, das Pferd. Obwohl sie alle dieselben zwei Geschlechter haben. Die Führungskraft ist heute überwiegend ein Mann – und keiner hat sich je beschwert. Die Liebe ist weiblich, dabei soll es bleiben.“
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShutterstockText: kr
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