Von Kai Rebmann
Die Übersterblichkeit in Deutschland und Europa hält unvermindert an. Trotz der seit zwei Jahren verfügbaren Impfung wundern sich die einen; gerade deshalb warnen die anderen. Auffällig ist in jedem Fall das fast schon dröhnende Schweigen in den deutschen Medien, die dieses Thema in der Berichterstattung weitgehend ausklammern.
Und wenn doch darüber berichtet wird, dann sollen die Zehntausende von zusätzlichen Toten vorzugsweise auf das Konto von Corona oder Hitzewellen im Sommer gehen. Andere gestehen sehr freimütig ein, dass man über die Gründe der Übersterblichkeit nichts wisse, feststehe nur: An der Impfung kann es auf keinen Fall liegen.
Jetzt kommt aus Großbritannien eine Modellrechnung, die eine weitere mögliche Erklärung für das Sterben in Europa liefern könnte: Energiespar-Tote als Folge der im vergangenen Jahr explodierten Preise!
Zugegeben, im ersten Moment mag das als sehr gewagte These erscheinen, doch bei genauerem Hinsehen erscheint ein Zusammenhang zwischen steigenden Energiepreisen und einer höheren Sterberate als durchaus plausibel. Unter dem Strich geht die Berechnung von rund 68.000 zusätzlichen Todesfällen in Europa aus, knapp die Hälfte davon in Deutschland. Und wo waren bzw. sind die Energiekosten mit weitem Abstand am höchsten?
Corona spielt schon lange keine Rolle mehr
Man erinnert sich nur zu gut: Vor allem zu Beginn der zur „Pandemie“ erklärten Corona-Krise kamen die Medien mit dem Zählen der Toten und dem Veröffentlichen entsprechender Statistiken kaum noch hinterher. Ob jemand an oder mit dem Virus gestorben ist, spielte dabei keine Rolle, bei manchen tut es das bis heute nicht.
Letztlich werden wir es auch nie erfahren, wer und wie viele nun wirklich an (und nicht mit) Corona gestorben sind, weil die dazu notwendigen Daten – warum auch immer – schlicht nicht erhoben wurden. Sicher ist nur: Wenn es um die Übersterblichkeit während der vergangenen zwei Jahre geht, spielt Corona schon lange keine nennenswerte Rolle mehr.
In der renommierten britischen Wochenzeitung „The Economist“ wurde in der vergangenen Woche eine Modellrechnung veröffentlicht, die sich mit der Möglichkeit steigender Energiepreise als Ursache für eine höhere Sterberate auseinandersetzt. Um das Ausmaß der Übersterblichkeit im Winter 2022/23 zu berechnen, wurden als Basis die entsprechenden Statistiken in 28 Ländern Europas für die Jahre 2015 bis 2019 herangezogen. Dieser Durchschnittswert liefert einen Anhaltspunkt, mit wie vielen Toten zwischen November 2022 und Februar 2023 unter normalen Umständen zu rechnen gewesen wäre.
Ergebnis: Im Winter 2022/23 könnte es in den untersuchten Ländern insgesamt bis zu 68.000 Energiespar-Tote gegeben haben. Für Deutschland ergibt die Modellrechnung 4.000 Tote pro eine Million Einwohner, unter dem Strich also rund 32.000 zusätzliche Tote. Ist es wirklich nur Zufall, dass das Land mit den höchsten Energiepreisen in Europa im relativen Vergleich zur Bevölkerung auch die höchste Sterberate zu verzeichnen hat?
Wer sind die Energiespar-Toten?
Unter „Energiespar-Toten“ sind hier nicht diejenigen zu verstehen, die im deutschen Winter 2022/23, der zudem ausgesprochen mild war, auf offener Straße oder sogar in ihren Wohnungen vermeintlich erfroren sind. Vielmehr handelt es sich dabei um Menschen, die im direkten oder indirekten Zusammenhang mit den steigenden Energiepreisen ums Leben gekommen sind.
Beispiel: Wer aus Angst vor der nächsten Öl- oder Gasrechnung die Heizung herunterdreht, setzt sich damit einem höheren Risiko für Erkältungskrankheiten aus. Je nach Alter, Art und Umfang von Vorerkrankungen sowie vieler weiterer Faktoren kann eine solche Infektion lebensbedrohliche bis tödliche Folgen nach sich ziehen.
Ein ähnlicher Effekt war auch schon während der Corona-Krise zu beobachten, als viele Menschen aus einer medial geschürten Angst heraus nicht mehr zum Arzt oder ins Krankenhaus gingen und sich damit einem höheren Risiko für nicht oder zu spät erkannte Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Krebserkrankungen ausgesetzt haben.
Frühe Warnungen scheinen sich zu bestätigen
Bereits im November 2022, also noch vor Winterbeginn, hat „The Economist“ auf Basis seiner Modellrechnung selbst für einen milden Verlauf der kalten Jahreszeit für Europa 22.000 bis 138.000 Energiespar-Tote prognostiziert – und genau so scheint es jetzt auch gekommen zu sein. In den untersuchten Ländern wurden zwischen November 2022 und Februar 2023 insgesamt rund 149.000 mehr Todesfälle verzeichnet, als statistisch zu erwarten gewesen wäre. Etwa 68.000 dieser Toten rechnen die Autoren den gestiegenen Energiepreisen zu.
In dem leider hinter der Bezahlschranke versteckten Artikel heißt es dazu: „Ein Rückgang der Durchschnittstemperatur um 1 Grad über einen Zeitraum von drei Wochen führt zu einem Anstieg der Todesfälle um 2,2 Prozent. Allerdings war der letzte Winter milder als der Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019, so dass die Kälte allein nicht für die zusätzlichen Todesfälle verantwortlich sein kann.“
Und weiter: „Es sieht so aus, als ob hohe Energiekosten einen Effekt gehabt haben könnten. Ein Blick auf die einzelnen Länder zeigt, dass diejenigen mit den meisten Todesfällen in der Regel auch den höchsten Anstieg der Benzinpreise verzeichneten.“ In dem Modell wurden auch die demografischen Verhältnisse in den jeweiligen Ländern berücksichtigt, wie die Autoren ausdrücklich betonen.
Hätten die Preise auch im vergangenen Winter auf dem Niveau des Jahres 2020 gelegen, so wäre in Europa dem Modell zufolge mit rund 68.000 weniger Todesfällen zu rechnen gewesen. Sind sie aber nicht und deshalb gehen die Autoren davon aus, dass eine Teuerung um 0,10 Euro pro kWh mit einem Anstieg der wöchentlichen Sterberate in einem Land um 2,2 Prozent einhergeht.
Subventionen als Lebensretter?
Inzwischen haben sich die Energiepreise in Europa wieder stabilisiert, wenn auch auf vergleichsweise hohem Niveau. Wer jetzt einen Liter Super für 1,80 Euro tankt, macht damit noch lange kein Schnäppchen, nur weil er letztes Jahr um diese Zeit teilweise mehr als 2,20 Euro bezahlt hat.
Vor diesem Hintergrund ist es wohl auch zu verstehen, wenn die Autoren darauf hinweisen, dass staatliche Subventionen in den vergangenen Monaten europaweit womöglich viele Menschenleben gerettet haben. In dem Bericht heißt es dazu: „Auf der Grundlage von Daten des Beratungsunternehmens VaasaETT haben wir geschätzt, wie viele weitere Todesfälle es gegeben hätte, wenn die Preise nicht durch Obergrenzen oder niedrigere Umsatzsteuern gesenkt worden wären. Unser Modell zeigt, dass diese Subventionen in 23 Ländern 26.600 Leben gerettet haben.“
Fazit: Die seit mindestens zwei Jahren anhaltende Übersterblichkeit in Deutschland und Europa ist eine nicht von der Hand zu weisende Tatsache. Corona, jedenfalls das Virus als solches, kann als maßgeblicher Faktor dabei ausgeschlossen werden. Fakt ist zudem, dass ein Problem – in diesem Fall das der Übersterblichkeit – nicht allein dadurch wieder von selbst verschwindet, nur weil nicht darüber berichtet wird, wenn es nicht ins Narrativ passt.
Die steigenden Energiekosten sind mit einiger Sicherheit nicht die alleinige Ursache für die massive Übersterblichkeit, liefern sehr wahrscheinlich aber zumindest einen Teil der Erklärung. Es wäre Aufgabe der Politik und insbesondere der Medien, diesen Fragen ohne Vorbehalte auf den Grund zu gehen, was sie seit Jahren aber geflissentlich unterlassen – warum auch immer!
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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