Neue Details in der Hexenjagd auf Ex-Bremen-Torwart Wiese Mediale Hexenverbrennung - völlig anlassfrei?

„Eilmeldung! Werder distanziert sich von Wiese ++ Das teilte Werder nach dem Foto mit rechten Hooligans gerade eben mit! * Hess Grunewald: „Uns bleiben trotz seiner Aussagen Zweifel, dass Tim sich diesen Kreisen nicht zugehörig fühlt. Bei unserer Haltung, die wir bei Werder Bremen vertreten, darf es aber keine Zweifel geben.“

Nachrichten wie diese von Twitter gingen in den vergangenen Tagen durch die meisten Medien und durch das Internet. „Wegen Umgang mit rechtem Milieu: Werder bricht mit Wiese“, titelte etwa Sport-Bild. Und zitiert ebenfalls den Anwalt, Sportfunktionär und Moral-Richter Grunewald: „Wir sehen Tim Wiese den Fans und Werder Bremen gegenüber in der Verantwortung, diese Zweifel nachhaltig auszuräumen. Bis dahin werden wir von Einladungen zu offiziellen Veranstaltungen absehen und er wird nicht mehr für die Werder-Traditionsmannschaft auflaufen.“

Wieses Verbrechen: Er war auf einem Foto mit dem Falschen zu sehen. Mit einem Rechtsradikalen, wie es heißt.

Ich muss ganz offen gestehen: Weil derartige Fälle, in denen die informelle Gesinnungspolizei zuschlägt, heute Alltag sind, habe ich mich nach Beratung mit meinem Team entschieden, nicht darüber zu berichten. Weil es eben leider keine klassische Neuigkeit mehr ist – und es wohl eher ein Anlass für Berichterstattung wäre, wenn dieser Haltungs-Irrsinn einmal nicht zum Tragen gekommen wäre.

Doch nachdem mir jetzt ein Leser einen Facebook-Post von einem der Beteiligten zusandte, habe ich mich entschlossen, doch noch zu berichten. Denn was Andreas Walter, der nach eigenem Bekunden in der Gruppe mit Wiese zum vermeintlichen Tatzeitpunkt unterwegs war, schreibt, hat mich einfach emotional aufgewühlt. Aber lesen sie selbst:  „Was hier gerade passiert, ist unglaublich. Ich und weitere 10 Freunde waren am Samstag und Sonntag mit Tim Wiese auf dem Freimarkt. Dieser Freundeskreis besteht aus ganz normalen, seriösen Personen. Wir sind Angestellte, Polizeibeamte, Unternehmer, Familienväter. Keiner von uns ist rechts oder überhaupt politisch engagiert. Tim war die ganze Zeit bei uns. Als wir am Sonntag vom Bayernzelt in die Almhütte wechselten, wurde Tim auf dem Weg von vielen Leuten angesprochen. So ist es halt, wenn man so bekannt ist. Dabei kam es dann auch zu dieser kurzen Begegnung, bei der das Foto entstand. Danach sind wir weitergezogen. Keiner, auch nicht Tim, hat das eigentlich richtig registriert. Und jetzt wird behauptet er wäre mit Rechtsradikalen über den Freimarkt gezogen. Eine Riesen-Gemeinheit.“

Der Leser, der mir diese Fundstelle schickte, kommentierte sie wie folgt: „Heißt das etwa, dass wenn ich eine andere politische Meinung als Karl Lauterbach habe, ich jedoch mit ihm auf einem Foto abgelichtet worden bin, er dann aus der SPD geworfen wird? 🤗“

Der Fall Wiese ist leider Standard. Der Vize-Weltmeister Carsten Ramelow geriet 2021 an den Pranger, und Bayer Leverkusen sah sich gezwungen, sich von ihm zu distanzieren. Sein Verbrechen: Er hatte mir ein Interview gegeben. Gegen Star-Schauspieler Til Schweiger gab es eine Hetzkampagne, und in der ARD wurde er als „Arschloch“ beschimpft. Sein Verbrechen: Er hatte mich öffentlich gelobt (siehe hier und hier).

Mc-Carthy-Gesinnungs-Terror

Was ist nur aus unserem Land geworden? Was sind das für Menschen, die sich für moralisch überlegen halten, die sich Toleranz, Buntheit und Offenheit auf die Fahnen schreiben und damit angeben, und die genau das Gegenteil praktizieren? Die jemanden zum Aussätzigen machen, vor einem Millionen-Medien-Publikum, weil er auf einem Foto mit jemandem zu sehen ist, mit dem man nicht zu sehen sein darf? Und was sind es für Menschen, die in vorauseilendem Gehorsam vor diesem neudeutschen Mc-Carthy-Gesinnungs-Terror einknicken und brav Männchen machen? Was sind das für Journalisten, die bei dieser medialen Hexenverbrennung mitmachen?

Was hat das alles noch mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu tun?

Weil ich ohnehin nur wieder das Gleiche kommentieren könnte angesichts des immer gleichen Irrsinns, möchte ich nur den Berliner Maler Max Liebermann zitieren, der am 30. Januar 1933 voller Sarkasmus gesagt haben soll: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“

Mein aktueller Video-Tipp:

Lauterbach spricht offen über seinen Alkoholkonsum: Unglaubliche Archivszenen, die einiges erklären.
https://youtu.be/VTupsukfJS4
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Bild: Steindy (talk) 14:04, 27 June 2011 (UTC), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Mehr zum Thema auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert