Postgeheimnis auf Russisch Geschichten zum Schmunzeln – Mein Neujahrs-Alternativ-Programm

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Zum Jahresanfang möchte ich Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus meiner Zeit in Russland. Zum Entspannen und Schmunzeln. Voilà – eine Geschichte von 2008:

Die Absicht mag eine Gute gewesen sein. Das Ergebnis eher das Gegenteil. Frei nach einem Ausspruch des früheren Ministerpräsidenten Viktor Tschernomyrdin, der einst einen legendär gewordenen Satz sagte: „Wir wollten nur das Beste, aber wie immer ging es schief.“ Ich werde nie erfahren, ob meine Hausmeisterin in bester Absicht gehandelt hat, aus Neugierde oder – das Unwahrscheinlichste – gar im Auftrag: Schließlich gehört mein Haus zwischen dem Moskauer Gartenring und dem Donskoj-Kloster einer Tochterfirma des Außenministeriums, und die Hausangestellten sind damit quasi fast so etwas wie Beamte. Und böse Zungen sagen ihnen eine gewisse Nähe zu gewissen Behörden nach, deren Namen man besser nicht ausspricht.

Jedenfalls war ich etwas überrascht, als da ein großer Briefumschlag aus Deutschland geöffnet in meinem Briefkasten lag. Ich dachte zuerst daran, dass es auf dem Luftweg aus der fernen Heimat etwas zu ruppig zuging – doch dafür war der Schnitt am Kuvert viel zu sauber. Auch die besagten Dienste, deren Namen wir hier nicht erwähnen wollen, zu verdächtigen, wäre unfair gewesen – die verfügen inzwischen über die Technik, Briefsendungen auch völlig ungeöffnet zu durchleuchten und zu lesen, wie mir einmal ein westlicher Lieferant der entsprechenden Maschinen nach ein paar Glas Wein offenbarte.

Des Rätsels Lösung brachte dann eine Aufschrift, fein säuberlich mit Kugelschreiber über dem Adressfeld angebracht: „Innen liegen die Telefonrechnungen“ stand da geschrieben. Die Hausmeisterin hatte einfach das Kuvert als Transportbox benutzt, sozusagen im Huckepack-Verfahren noch eine Sendung mit hineingepackt. Was für einen Sinn das macht, werden Sie nun fragen. Das fragte ich mich auch. Lange. Eine Antwort fand ich beim besten Willen nicht, bis heute.

Vielleicht mag ich manchmal einen kurzsichtigen Eindruck machen – aber sollte die Dame wirklich glauben, ich nehme nur große Umschläge wahr – und kleine mit so wichtigen Dingen wie der Telefonrechnung würden mir durch die Lappen, sorry, Finger gehen? Oder war die Dame einfach neugierig, was da in so einem großen Umschlag angekommen ist, noch dazu aus dem fernen Deutschland?

Für einen Katalog mit Westwaren, die hier in Russland immer noch begehrt sind, war die Sendung eindeutig zu dünn. Dachte die Hausmeisterin etwa, sie könnte mich als Leser von Zeitschriften entlarven, die in Russland immer noch bei vielen als unzüchtig gelten? Mit leicht bis gar nicht bekleideten jungen Damen? Oder vertrauliche Finanzunterlagen mit Hinweis auf mein finanzielles Polster – oder das Gegenteil davon?

Telefonrechnung ja, Vertrauliches nein

Wenn dem so wäre, müsste die Enttäuschung der Hausmeisterin riesig gewesen sein – das unschuldige Kuvert enthielt nichts außer einem deutschen Nachrichtenmagazin. Das scheint hier nicht auf großes Interesse zu stoßen: Jedenfalls bekomme ich die Telefonrechnung jetzt wieder ganz normal in den Briefkasten, einzeln und nicht mehr „eingebettet“ in meine großen Umschläge.

Vorsichtig bin ich dennoch: Vertrauliche Post lasse ich mir nicht nach Moskau senden. Und Hefte mit Bildern, die im orthodoxen Russland als unanständig gelten, kämen mir nie ins Haus; zumindest nicht auf dem Postweg.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Bilder: Boris Reitschuster

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