Von Kai Rebmann
Grüne Spitzenpolitiker wie Robert Habeck oder Annalena Baerbock eint derzeit ein gemeinsames Schicksal: Gehörten sie laut Umfragen vor nicht allzu langer Zeit noch zu den beliebtesten Politikern Deutschlands, so sind sie auf der entsprechenden Skala inzwischen fast bis ganz unten durchgereicht worden. Es gibt aber auch einen wichtigen Unterschied, nämlich den der medialen Wahrnehmung.
Beim Bundeswirtschaftsminister kommt selbst der ihm sonst so wohlgesonnene Mainstream kaum noch umhin, über die dramatischen Auswirkungen des „Heiz-Hammers“ und nicht zuletzt den grünen Filz im Haus von Robert Habeck zu berichten. Ganz anders liegt der Fall dagegen bei Annalena Baerbock. Die Frau, die einst sogar als kanzlerfähig galt, kommt bei den meisten deutschen Medien immer noch erstaunlich gut weg, obwohl die Außenministerin bei ihren Dienstreisen kaum noch ein Fettnäpfchen auslässt.
Erst vor wenigen Wochen blamierten Baerbock und Kulturstaatssekretärin Claudia Roth Deutschland mit dem Possenspiel um die Benin-Bronzen. In Anspielung auf den jüngsten Baerbock-Besuch in China bezeichnete ein in den USA lebender, aber aus dem Reich der Mitte stammender Psychologe diesen Auftritt in Peking als „unreif“ und „grenzwertig“.
Der Chinese fragt sich deshalb, ob „Deutschland nicht in der Lage (ist), Talente in seiner Führung zu finden“. Annalena Baerbock sei ganz anders als die Deutschen, die er bisher „getroffen und respektiert habe“, wird der Twitter-Nutzer vom „Exxpress“ zitiert.
Mut zur Beinfreiheit – mitten in Saudi-Arabien
Jetzt hat das globale Kopfschütteln über Annalena Baerbock auch Saudi-Arabien erreicht. Die Bundesaußenministerin traf in Dschidda ihren Amtskollegen Prinz Faisal bin Farhan bin Abdullah Al-Saud – und tat dies in einem hellgrauen Kleid, das nur mit knapper Not bis übers Knie reichte. Was in den meisten Ländern dieser Welt kein Problem darstellt und schon gar kein Grund zur Aufregung ist, wird in Saudi-Arabien aber mindestens als diplomatischer Affront gewertet.
Auch den deutschen Medien ist der Verstoß gegen die auf der Arabischen Halbinsel übliche Kleiderordnung nicht entgangen. Für auch nur vorsichtige Kritik an diesem Auftritt – man hätte zum Beispiel sehr zurückhaltend von „fehlendem Fingerspitzengefühl“ schreiben können – scheint es im linksgrün leuchtenden deutschen Blätterwald aber auch diesmal nicht zu reichen.
Stattdessen schreiben zum Beispiel die „Süddeutsche Zeitung“ oder der „Stern“ etwas von der Umsetzung der „feministischen Außenpolitik“, die Baerbock bekanntlich zur Devise ihrer Amtszeit gemacht hat. Die „Tagesschau“ lobt sogar: „Baerbock zeigt sich in Saudi-Arabien als Pragmatikerin“. Das alles kann man natürlich so sehen, muss man aber nicht – und außerhalb der Bundesrepublik tun das auch nur sehr wenige.
So meldete sich auf Twitter Ebrahim Hashem zu Wort, ein Harvard-Absolvent und Politik-Berater aus den Vereinigten Arabischen Emiraten: „Einige ausländische Beamte sind sich nicht bewusst, dass sie sich dilettantisch verhalten und grob klingen. Es scheint ihnen an einem grundlegenden Verständnis des Weltgeschehens und an grundlegenden diplomatischen Umgangsformen zu mangeln.“
Saudi-Arabien wie Deutschland?
Gemeint ist damit – natürlich – Annalena Baerbock. Denn nicht nur der missglückte Griff in den Kleiderschrank hat bei ihren Gastgebern für Missmut gesorgt. Zunächst äußerte sich die Außenministerin über die Frauenrechte in Saudi-Arabien und klagte, dass wirtschaftliche Entwicklung nicht funktionieren könne, wenn die Hälfte der Bevölkerung ausgegrenzt werde.
Ja, das sind in der Tat mutige Worte und es verdient grundsätzlich durchaus Respekt, dass diese Dinge auch einmal vor Ort angesprochen werden und nicht immer nur aus sicherer Entfernung aus dem heimischen Elfenbeinturm heraus – um dann doch wieder den Bückling zu machen!
Gleichzeitig will Annalena Baerbock bei ihrem Besuch in Dschidda aber festgestellt haben, dass Saudi-Arabien „auch nicht so anders als Deutschland“ sei. Spätestens an dieser Stelle ist das dann nicht mehr mutig, sondern schlicht naiv.
Umstrittene Äußerungen über Syrien
Und auch zur Rückkehr Syriens in den Kreis der Arabischen Liga gibt Baerbock ihren Senf dazu. Die Außenministerin machte deutlich, dass Berlin diesbezüglich eine andere Haltung einnehme und diesen Schritt ablehne. Zwischen Syrien und seinen Nachbarn dürfe es „keine Normalisierung geben“, so Baerbock.
Verwundern kann diese Forderung kaum. Schließlich ist es im ureigenen Interesse der Ampel-Koalition und nicht zuletzt der Grünen, dass es in Syrien „keine Normalisierung“ gibt. Denn wie will man den Bürgern – und Wählern – zu Hause in Deutschland dann noch erklären, dass selbst verurteilte Straftäter nach wie vor nicht nach Syrien abgeschoben werden können, weil es dort angeblich immer noch zu gefährlich sei?
Ebrahim Hashem verbittet sich diese Art der Einmischung aus dem Ausland im Allgemeinen und der westlichen Welt im Speziellen. Die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga betrachtet der Politik-Berater als innere Angelegenheit: „Ausländer können sich beschweren und protestieren, so viel sie wollen, die Araber schenken ihnen keine Beachtung mehr.“ Die 1990er- oder frühen 2020er-Jahre seien Vergangenheit und man lasse sich von ausländischen Diplomaten nicht mehr „herablassend“ behandeln, wie Hashem klarstellte.
Zum Schluss fand dann aber auch der Mann aus den Emiraten doch noch versöhnliche Worte. Arabische Diplomaten hält Hashem für „viel kultivierter“ und „gebildeter“ als deren Kollegen aus dem Ausland. Darüber, wie er auf diese Einschätzung kommt, kann man freilich nur spekulieren.
Mit Blick auf Annalena Baerbock bietet der Geopolitik-Experte an, dass arabische Diplomaten ihre Kollegen „in der Kunst der Diplomatie und im Weltgeschehen“ unterrichten könnten. Vernichtender hätte die Kritik am jüngsten Auftreten unserer Außenministerin in Saudi-Arabien wohl kaum ausfallen können.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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