Ein Gastbeitrag von Iris Zukowski
In Rheinland-Pfalz wird die 12- jährige Luise brutal durch zahlreiche Messerstiche von ihrer besten Freundin, einer 13- Jährigen und einer 12 – jährigen Klassenkameradin getötet. Nach der Tat ruft die 13-Jährige Luises Eltern an, um Bescheid zu geben, dass sich die Freundin auf den Heimweg mache.
Wenige Wochen zuvor tötet in Wunstorf ein 14-Jähriger den gleichaltrigen Jan N.. Beide Jungen kannten sich seit der Grundschule. Jans Leiche wird geknebelt und gefesselt, mit Steinen bedeckt auf einem Brachgelände gefunden. Unter dem Vorwand, gemeinsam spielen zu wollen, lockt der Teenager das gutgläubige Opfer in die tödliche Falle. Die Staatsanwaltschaft spricht von Heimtücke und einer geplanten Tat. Mobbing soll vorausgegangen sein.
Bösartige kindliche Gewalt, die bereit ist, zu töten, ist ein Neuzeitphänomen, das fassungslos macht und uns vor viele Fragen stellt: Was sind die Ursachen, wenn Kinder Konflikte mit roher Gewalt lösen? Was versetzt Kinder, die Frustrationen, Rivalität, Neid oder Wut erleben, in die Lage, einen anderen Menschen mitgefühlslos zu töten?
In der öffentlichen Berichterstattung wird eine andere Frage in den Mittelpunkt gestellt: Soll die Strafmündigkeit herabgesetzt werden? Eine Petition im Internet fordert bereits die Bestrafung der Täterinnen. Die Frage nach den Ursachen wird nur oberflächlich gestellt, indem man nach dem Tatmotiv sucht oder eine psychische Erkrankung der Täterinnen in Betracht zieht. Wie so oft, wird unsere Aufmerksamkeit auf Nebenschauplätze und Symptombehandlungen gelenkt. Es entsteht der Eindruck, dass Wut, Rache oder Eifersucht oder psychische Probleme, die Ursachen seien, wenn Kinder Kinder töten. Doch stimmt das?
Wut, Rachegedanken, Eifersucht oder Rivalitäten zwischen Kindern gab es schon immer. Es sind menschliche Gefühle, mit denen Kinder, vor nicht allzu langer Zeit, völlig anders umgingen. Was sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren verändert hat, sind die „Konfliktlösestrategien“, mit denen Kinder und Jugendliche ihre Frustrationen kompensieren. Die brutale Gewalt, die bei bei den Morden eingesetzt wurde, macht deutlich, wie mitgefühlslos und abgestumpft die jungen Täter hinsichtlich des Leids ihres Opfers waren. Blut, Schmerzensschreie, Angst und verzweifelte Gegenwehr, haben in beiden Fällen nicht zum Ablassen vom Opfer geführt.
Was hat sich in unserer Welt verändert?
Anders als in unserer Kindheit, wissen die Kinder von heute nicht nur, dass es Morde und Mörder gibt – sie haben eine konkrete Vorstellung davon, wie getötet wird. Sie wachsen mit Gewalt im TV, auf dem Handy und im Internet auf. Täglich können sie beim Medienkonsum beobachten, wie Menschen brutal morden. Unzählige Bilder und Handlungsvorlagen von bestialischer Gewalt sind heutzutage in jungen, heranreifenden Hirnstrukturen gespeichert. Das menschliche Frontalhirn braucht circa 25 Jahre, bis es voll entwickelt ist. Erst dann kann eine Person, die Konsequenzen ihres Handelns im vollen Umfang ermessen und vorausschauend denken. Empathie, moralische und soziale Kompetenzen haben ebenfalls ihren Sitz im Frontalhirn. Der Konsum von Bildschirmgewalt beeinflusst die Ausbildung dieses Hirnareals. Gewalteindrücke stumpfen die Spiegelneuronen, die für die emotionale Empathie zuständig sind, ab.
Unsere Kinder sind von dem (gewaltvollen) Mindprogramming-Effekt am Bildschirm am stärksten betroffen. Es verändert nicht nur ihr Gehirn und Erleben – die falschen Vorbilder, mit denen sie aufwachsen, verändern ihr Sozialverhalten und damit unsere Welt.
Gewaltvolle oder pornografische Unterhaltungsangebote, die uns durch unseren Alltag begleiten, sind zu unbemerkten Sozialisationsagenten unserer Kinder geworden. Was Kinder von klein auf am Bildschirm sehen, wird für sie normal und kann auch in die Realität übertragen werden.
Die Flut und die neue Qualität der medialen Gewaltbilder, die täglich in Kindergehirne gelangen, können durch die über erregende und damit abstumpfende Wirkung auf die Spiegelneuronen, ein Kindergehirn psychopathologisieren. Als Ergebnis erleben wir antisoziale Persönlichkeitsstörungen, wie wir sie bei Psychopathen finden, schon bei Kindern. Hirnscans zeigen, dass die Hirnareale, die für Mitgefühl zuständig sind, bei Psychopathen inaktiv bleiben, wenn sie Gewalt und das Leid von Menschen beobachten. Blick ins Psychopathen-Hirn – wissenschaft.de
Das Umfeld, ein stabiles Elternhaus, kann diese Effekte bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Bei frustrierten, narzisstischen oder ungeliebten, gewalterfahrenen Kindern fällt dieser Ausgleich weg. In Affektsituationen ruft das menschliche Gehirn im Automatikbetrieb passend erscheinende „Konfliktlösestrategien“ ab und stellt sie zur Verfügung. In das geistige „Konfliktlöse-Repertoire“ fließen auch am Bildschirm erworbene Verhaltensmuster von gewalttätigen Film-Helden ein. Das Lernen durch Beobachtung ist die Hauptlernquelle des Menschen. Für den Nachahmungseffekt macht es keinen Unterschied, ob das Verhalten einer realen Person, einer Zeichentrickfigur oder eines Schauspielers beobachtet wird. Was für die Speicherung im Gehirn zählt, ist, dass die Figur siegreich oder erfolgreich ist. Im Rahmen einer Forschungsarbeit zu den unterschwelligen Effekten fiktionaler Gewalt auf das junge Gehirn habe ich vor Jahren mit gewalttätigen Kindern gesprochen. Sie beschrieben mir, wie sie einen Gewaltausbruch gegen ein anderes Kind erleben, wenn sie rot sehen, sich verletzt, herabgesetzt oder wütend fühlen. Sie sagten, dass alles wie im Film abliefe – und wie sie zum Zuschauer ihrer eigenen Gewalthandlung würden („Was uns heute unterhält, kann uns morgen töten. Mindprogramming-Effekt und Jugendgewalt“ Ruhland Verlag, 2017).
In den beiden oben angeführten Fällen, geht es nicht um Affekthandlungen, sondern um geplante Morde, nach dem Skript eines Action- oder Horror-Films.
Die mordenden Kinder hatten eine genaue Vorstellung davon, wie das Opfer geknebelt, gefesselt, erschlagen oder erstochen wird. Das Leid des Opfers, das Blut, die Schreie, die Schmerzen und verzweifelte Gegenwehr, hat die kindlichen Täter kaltgelassen. Wer von klein auf in Großformat leidenden Opfern beim Sterben zuschaut – und siegreichen, bösartigen Killern beim Töten – stumpft auch in der Realität ab. Diese Art der Psychopathologisierung von Kindern finden wir auch in den kostenfreien online Spielen, die jedes Kind auf google play, im Apple- oder App-Store, auf sein Smartphone laden kann. Es sind regelrechte Schulungsprogramme zum antisozialen, gewaltvollen Verhalten. Ein Beispiel ist dafür ist das Spiel „The Grand Mafia“. Der Spieler kann immer wieder zwischen einer guten Handlung oder einer bösen wählen. Interessanterweise wird die moralisch gute Wahl im späteren Verlauf des Spiels meist bestraft.
Wir können nur mutmaßen, wie die Corona-Maßnahmen, die Mediennutzung und die online Spielzeiten von vielen Kindern in die Höhe getrieben haben. Psychisch gesunde Erwachsene können in der Regel einen Unterschied zwischen fiktiver Bildschirmwelt und dem realen Leben machen. Bei Kindern verschmelzen diese beiden Erfahrungswelten im Gehirn in einem ungeahnten, de-sozialisierenden Ausmaß. Am Bildschirm beobachtete Verhaltensweisen sind für Kinder eben nicht nur (fragwürdige) Unterhaltung, sie sind Lernerfahrungen. Medienangebote sind heute zur sozialen Umwelt von Kindern geworden.
In diesem Kontext wirkt es geradezu höhnisch, wenn die Grünen-Chefin Ricarda Lang sich dafür einsetzt, es politisch zu thematisieren, dass schädliche Süßigkeiten-Werbung bis ins Kinderzimmer gelangt. Warum werden schädliche, desozialisierende mediale Gewaltangebote und harte Pornografie, die täglich ins Kinderzimmer gelangen, nicht politisch thematisiert?
Ist es Gaslighting, Ignoranz oder Dummheit? „Für unsere Zukunft bedeutet das, dass wir in absehbarer Zeit in einer Welt mehrheitlich gefühlskalter und psychisch kranker Menschen leben werden“ („Was uns heute unterhält, kann uns morgen töten. Mindprogramming-Effekt und Jugendgewalt“ Ruhland Verlag, 2017).
Karriere macht im toxischen System offenbar, wer die Vergiftungen des menschlichen Geistes und Körpers fördert – wer Gewalt und Pornografie zum normalen Entertainment des 21. Jahrhunderts erklärt und damit verschleiert, dass sich diese „Unterhaltung“ schädlich auf das Sozialverhalten von Kindern auswirkt. Das Gehirn unterscheidet bei der Verarbeitung von Eindrücken nicht zwischen Fiktion und Realität. Diese Erkenntnisse der Hirnforschung gelangen nicht in die Öffentlichkeit und die Folgen der gewaltvollen Unterhaltungsindustrie werden geschickt ausgeblendet. Mainstream Medien, wie der Spiegel, feiern und bejubeln gewaltvolle Filme wie „The Swarm“,- in dem ein tollpatschiger Teenager zur Massenmörderin wird. Die US-Sängerin Billi Eilish gibt in einer Nebenrolle ihr Schauspieldebüt,- ein Garant, dass die jugendliche Zielgruppe millionenfach erreicht wird. Warum wundern wir uns noch und sind ratlos, wenn Kinder töten? Der Trailer zum Teenager-Thriller kann Antworten geben.
Ausschreibung zur Fahndung durch die Polizei, Kontenkündigungen, Ausschluss aus der Bundespressekonferenz: Wer in Deutschland kritisch berichtet, sieht sich Psychoterror ausgesetzt. Und braucht für den Spott der rotgrünen Kultur-Krieger nicht zu sorgen. Ich mache trotzdem weiter. Auch, weil ich glaube, dass ich Ihnen das schuldig bin. Entscheidend fürs Weitermachen ist Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein, und gibt mir die Kraft, trotz der ganzen Schikanen weiter zu machen! Ganz, ganz herzlichen Dank im Voraus für Ihre Unterstützung, und sei es nur eine symbolische!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Iris Zukowski – Diplom-Psychologin, Hypnotherapeutin und Sachbuchautorin: „Was uns heute unterhält, kann uns morgen töten.“ Ruhland Verlag 2017. Sie war einige Jahre Dozentin für Neuromarketing und ist seit 2018 SOS-Initiatorin zur Aufklärung über die weitreichenden Effekte von frei verfügbarer Pornografie.